Wenn der Arbeitgeber rentennah kündigt, kann eine Ausgleichszahlung in die Rentenkasse eine gute Lösung sein. Copyright by Cabeza Cuadrada/Fotolia
Wenn der Arbeitgeber rentennah kündigt, kann eine Ausgleichszahlung in die Rentenkasse eine gute Lösung sein. Copyright by Cabeza Cuadrada/Fotolia

Neumann möchte früher in Rente. „Die Restlaufzeit“, wie er die Zeit bis zu seinem Lebensende bezeichnet, möchte er so früh wie möglich ohne den Arbeitszwang genießen. Dafür nimmt er auch Rentenabschläge in Kauf.
 
Überall hört man vom Fachkräftemangel, doch sein Arbeitgeber will sich den hohen Tariflohn nicht mehr leisten. Neumann wird gekündigt.
 

Altersrente für langjährig Versicherte: 1956 geboren = 10,2 % Abschlag

Der Zeitpunkt der Kündigung kommt für Neumann fast passend. Die Kündigungsfrist läuft eineinhalb Monate vor dem Tag aus, an dem er 63 wird.
Er ist im Oktober 1956 geboren und hat mehr als 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt. Er kann die vorgezogene Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, allerdings mit einem Abschlag von 10,2 %. Das ist der Preis für den vorzeitigen Rentenbezug.
 
Die Voraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erfüllt Neumann nicht. Abschlagsfrei beginnen könnte diese Rente beim Jahrgang 1956 mit 63 Jahren und 8 Monaten. Doch da er mal ein Studium angefangen hatte, fehlen mehrere Jahre an den 45 Versicherungsjahren.
 

Anspruch auf Arbeitslosengeld für 2 Jahre

Neumann ist klar: Die wirtschaftlichste Lösung wäre es, sich arbeitslos zu melden. Er hätte Anspruch auf zwei Jahre Arbeitslosengeld. Ihm ist es aber völlig zuwider, sich womöglich noch in Bewerbungskursen wiederzufinden oder sonstigen, wie er glaubt, unsinnigen Beschäftigungen nachzugehen. Wenn er es sich irgendwie leisten kann, will er es vermeiden zur Bundesagentur für Arbeit zu gehen.
 

Kündigungsschutzklage, um verhandeln zu können

Aber erst mal klagt Neumann innerhalb der Dreiwochenfrist gegen die Kündigung, damit sich der Arbeitgeber gegebenenfalls an seinen Rentenplänen finanziell beteiligt.
 
Der Arbeitgeber kennt seine rechtlich schlechte Position, da Neumann langjährig bei ihm beschäftigt ist und er ihn nicht ohne guten Grund kündigen kann.
 
Wie es Aufgabe des Gerichts ist, wird im Gütetermin ausgelotet, ob eine Einigung der Parteien in Betracht kommen könnte. Neumann möchte eine Abfindung und die Verlängerung der Kündigungsfrist um zwei Monate, damit er kein Arbeitslosengeld beantragen muss, sondern direkt in Rente gehen kann. Der Arbeitgeber wäre bereit, das Arbeitsverhältnis um zwei Monate zu verlängern. Zudem bietet er eine Abfindung von 15.000 € an. Neumann ist das zu wenig und man einigt sich auf 20.000 €.
Die genaue Formulierung des Vergleichs soll später schriftlich erfolgen, denn Neumann will noch etwas abklären.
 

Ausgleich von Rentenminderungen möglich

Arbeitnehmer*innen können ab dem 50. Lebensjahr Rentenminderungen, die durch vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente wegen Alters entstehen, ausgleichen. Das ist maximal in der Höhe möglich, die die Rentenversicherung auf Antrag mitteilt. Dafür muss der Arbeitgeber eine Verdienstbescheinigung erteilen.
 
Neumann hatte sich schon vor der Kündigung eine solche Auskunft der Rentenversicherung eingeholt. Mit 30.000 € könnte er die Abschläge ausgleichen.
 

Auseinandersetzung mit der eigenen Lebenserwartung

Die Rentenversicherung macht eine Berechnung auf ein bestimmtes Lebensalter. Einfach gesagt: wer plant, 110 Jahre alt zu werden, für den ist das Ausgleichen der Abschläge wirtschaftlich ein gutes Geschäft. Aber eben nicht, wenn sich die Lebenserwartung nicht erfüllt und es ihn mit 70 Jahren „aus den Schuhen haut“.
 
Auch Teilzahlungen sind möglich, so dass Neumann überlegt, den Nettobetrag, der sich aus der Abfindung ergibt, in die Rentenkasse einzuzahlen.
 

Steuerersparnis durch Verschiebung der Steuerpflicht

Wenn Neumann im Jahr 2019 15.000 € in die Rentenkasse einzahlt, wirken sich davon 88% steuermindernd aus. Das soll hier als Beispiel dienen, damit die Überlegungen nachvollziehbar sind.
Pauschal gerechnet ergibt sich:
15.000 € x 88 % = 13.200 €. Neumann müsste also im Jahr 2019 einen Betrag von 13.200 € weniger versteuern. Auf seiner Steuererklärung vom letzten Jahr steht ein Steuersatz von 22 %. Das wäre eine Steuerersparnis von 2.900 €.
 

Renten sind steuerpflichtig

Wer 2019 Rentner wird, bei dem werden 78 % der Rente besteuert. Es gibt aber auch einen Freibetrag, sodass geringe Renten auch nur gering besteuert werden. Treten andere Einkommen hinzu, werden maximal 78 % der Rente besteuert.
 
Wenn Neumann nach Teilausgleich der Abschläge statt 1.700 € eine Rente von beispielsweise 1.800 € bekommt, ist die Einkommensteuer auf die Rente etwas höher. Die oben beschriebene Steuerersparnis könnte sich rechnen, schmilzt aber mit jedem Jahr, in dem Neumann auf die Rente Steuern bezahlen muss.
 

Aus Netto wird wieder Brutto

Während die Abfindung sozialversicherungsfrei ist, würde Neumann als Rentner auf die erhöhte Rentenzahlung Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zahlen. Vom Lohn hat er auch etwas zur Seite gelegt. Wenn er das in die Rentenversicherung einzahlen würde, hätte er auf die Rente wiederum Kranken und Pflegeversicherung zu zahlen, obwohl ihm schon Kranken und Pflegeversicherungsbeiträge vom Lohn einbehalten wurden.
 

Ist es günstiger, wenn der Arbeitgeber Beiträge zum Ausgleich von Rentenabschläge zahlt?

Neumann könnte statt der Abfindung mit dem Arbeitgeber vereinbaren, dass dieser die 20.000 € in die Rentenkasse zahlt. Für den Arbeitgeber sind solche Zahlungen sozialversicherungsrechtlichen beitragsfrei. Für den Arbeitnehmer ist das wie eine Entschädigung zu behandeln. Das heißt Beiträge zur Sozialversicherung fielen weder für den Arbeitgeber noch für den Arbeitnehmer an.
 
Dies ist also genauso wie bei der Abfindung. Für den Arbeitgeber kostet die Abfindung 20.000 €, da keine Beiträge zur Sozialversicherung anfallen und die Steuerlast den Arbeitnehmer trifft. Damit kostet diese Variante den Arbeitgeber genauso viel wie, wenn er eine Abfindung vereinbart.
 
Bei der Steuerlast, die der Arbeitnehmer trägt, gilt bei Ausgleichzahlungen in die Rentenversicherung nicht das gleiche wie bei Abfindungen. Steuerlich ist die Hälfte dieser Beträge steuerfrei. Die andere Hälfte wird genau wie die Abfindung ermäßigt besteuert. Ermäßigt heißt dabei, dass geprüft wird, wie sich die geballten Einkünfte auswirken und ob günstiger gerechnet werden muss.
 

Nur die Hälfte versteuern

Für Neumann hieße das, statt der vollen Abfindung müsste er nur die Hälfte versteuern.
Er hat sich das von seinem Steuerberater ausrechnen lassen. Es bliebe für ihn dann ein Eigenanteil Steuern von 2.500 € und der Arbeitgeber würde mit der Einzahlung von 20.000 € 2/3 seiner Renten-Abschläge ausgleichen.
 
Als günstigste Lösung wird vor Gericht ein Vergleich geschlossen, wonach der Arbeitgeber die vollen 20.000 € in die Rentenkasse zahlt und das Arbeitsverhältnis erst zwei Monate später endet.