Das Entsetzen ist groß. Das Faxgerät hat einen Vergleichswiderruf nicht übertragen. Damit ist der Vergleich wirksam. Copyright by frittipix/Adobe Stock
Das Entsetzen ist groß. Das Faxgerät hat einen Vergleichswiderruf nicht übertragen. Damit ist der Vergleich wirksam. Copyright by frittipix/Adobe Stock

Fristen sind im Arbeitsrecht allgegenwärtig. Eine Kündigungsschutzklage muss beim Arbeitsgericht spätestens innerhalb von drei Wochen eingehen, nachdem der Arbeitnehmer sie erhalten hat. Für viele Ansprüche gegen den Arbeitgeber gelten Verfallsfristen. Auch im Sozial- und Verwaltungsrecht sind Fristen zu beachten. Gegen Bescheide muss man etwa binnen eines Monats vorgehen.
 
Frist ist aber nicht gleich Frist. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Fristen, auf die wir an dieser Stelle im Einzelnen gar nicht eingehen wollen. Interessant im Zusammenhang mit unserem Fall sind zunächst einmal die gesetzlichen Notfristen. Das sind Fristen, die ein Gesetz vorschreibt und die auch ein Gericht nicht verkürzen oder verlängern kann. Notfristen sind etwa Fristen für einen Widerspruch, für eine Klage oder eine Berufung. Wird eine solche Frist versäumt, ist erst einmal Schicht.
 

Wiedereinsetzung und nachträgliche Zulassung können ein Verfahren retten, wenn eine gesetzliche Notfrist versäumt wurde

Allerdings gibt es für gesetzliche Notfristen doch ein Hintertürchen: im Ausnahmefall man einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen. Das setzt aber voraus, dass man dem Gericht glaubhaft macht, dass man keine Schuld am zu späten Einlegen eines Rechtsmittel hat, die Frist also trotz Beachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht einhalten konnte.
 
Ein besonderer Fall ist die Frist für die Kündigungsschutzklage. Wird diese Frist ohne Schuld versäumt, sieht das Gesetz einen Antrag auf nachträgliche Zulassung vor. Die Hürden sind aber in beiden Fällen sehr hoch. Sowohl die Wiedereinsetzung als auch die nachträgliche Zulassung setzen nämlich voraus, dass man wirklich trotz großer Sorgfalt die Fristen nicht einhalten konnte. Es reicht nicht einmal, wenn man wegen eines Urlaubs nicht in den Briefkasten zu Hause schauen konnte. Zur Sorgfalt hätte nämlich auch gehört, sich darum zu kümmern, was mit wichtiger Post geschieht, wenn man selbst nicht zu Hause ist.
 

Ausschlussfristen sind ebenso wenig gesetzliche Notfristen wie die Frist für den Widerruf eines Vergleichs

Auch die Verfalls- oder Ausschlussfristen bei arbeits- oder tarifvertraglichen Ansprüchen kann ein Arbeitsgericht nicht verlängern. Sie sind aber keine gesetzlichen Notfristen. Geregelt werden sie nämlich nicht durch ein Gesetz, sondern durch einen Tarifvertrag oder den Arbeitsvertrag. Da das Gesetz aber nur für gesetzliche Notfristen die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung vorsieht, ist ihr Versäumen nicht zu kitten. Diese Fristen sind also nicht nur Notfristen, sondern eher „Todfristen“.
 
Genauso verhält es sich bei der Frist für den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs. Zwar protokolliert das Gericht den Vergleich in einem Termin oder stellt ihn durch Beschluss im schriftlichen Verfahren fest. Vereinbart haben ihn aber samt der Widerrufsfrist die Parteien, also Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Somit handelt es sich auch hier nicht um eine gesetzliche Frist.
 

Der Fall vor dem Arbeitsgericht Rosenheim

Unsere Kolleg*innen des Büros in Rosenheim hatten kürzlich einen Fall vertreten, in dem der Arbeitgeber die Widerrufsfrist versäumt hatte.
 
Es ging um ein Kündigungsschutzverfahren, das mit einem Abfindungsvergleich beendet wurde. Unter anderem folgendes vereinbart:

„Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 08.05.2019 beim Arbeitsgericht Rosenheim - Kammer Traunstein- eingegangen sein muss."

Unser Mandant war mit dem Vergleich einverstanden. Der Geschäftsführer der Gegenseite indessen nicht. Sein Widerruf ging aber erst am 24.05.2019 beim Gericht ein. Er beantragte beim Gericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und führte als Begründung aus, dass er am 8.05.2019 keinen Zugang zu einem Faxgerät gehabt hätte und daher einen Bereichsleiter mit Personalverantwortung, der die Sache auch im Termin vertreten hatte, gebeten habe, den Vergleich per Fax beim Gericht zu widerrufen. Das habe dieser auch getan.
 

Das Telefaxgerät sagte: der Widerruf ist rechtzeitig beim Gericht eingegangen

Der Bereichsleiter habe zudem die korrekte Eingabe der Telefaxnummer kontrolliert. Das Faxgerät sei davor und danach sendebereit und funktionsfähig gewesen und das Faxgerät habe ein „OK" nach der Übertragung ausgegeben. Das Gericht brauchte sich indessen nicht einmal damit auseinandersetzen, ob diese Angaben glaubhaft sind. Im Fall einer versäumten gesetzlichen Notfrist hätten sie vermutlich für eine Wiedereinsetzung ausgereicht.
 
Das Arbeitsgericht führte aus, die gesetzlichen Vorschriften für eine Wiedereinsetzung seien auf von den Parteien vereinbarte Fristen nicht anwendbar. Dies ergebe sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der entsprechenden Vorschrift. Dort fände sich eine abschließende Aufzählung von Sachverhalten, in denen nach §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung gewährt werden könne. Die von den Parteien vereinbarte Frist für die Möglichkeit, bis zu welchem Zeitpunkt in Vergleich widerrufen werden könne, gehöre nicht dazu. Es handele sich hierbei insbesondere auch nicht um eine „Notfrist".
 

Die Wiedereinsetzung ist nur möglich in den Fällen, die das Gesetz vorsieht

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß der Zivilprozessordnung (ZPO) stelle eine Ausnahmebestimmung dar, die einer Analogie nur begrenzt zugänglich sei. Daher erscheine die Auslegung zutreffend, wonach in der Norm selbst abschließend die einzelnen bestimmten Fälle festlege, in denen das Gesetz die Möglichkeit der Wiedereinsetzung eröffne.
 
Des Weiteren handele es sich bei der Widerrufsfrist eines Prozessvergleichs nicht um eine gesetzliche Frist, weil die Parteien im Rahmen ihrer Vereinbarung diese Frist zur Abgabe der Erklärung vereinbart hätten. Schließlich fehle es auch an dem Bedürfnis für eine analoge Anwendung der Vorschrift. Die Parteien hätten es nämlich selbst in der Hand, die Länge der Widerrufsfrist selbst zu bestimmen. Zudem hätten sie sogar die Möglichkeit gehabt, zu vereinbaren, dass ggf. die Regelungen über die Wiedereinsetzung im Zweifel gelten sollten.

Hier geht es zur Entscheidung des Arbeitsgerichts Rosenheim


Zur Vertiefung:
Unseren Artikel „Wichtige Fristen für Arbeitnehmer*innen“