

Die Klägerin war bei einer Firma beschäftigt, die an Flughäfen Passagedienstleistungen erbrachte. Zum Ende März 2015 kündigte die einzige Auftraggeberin der beklagten Arbeitgeberin. Nachdem ein Interessenausgleich im Dezember 2014 gescheitert war, leitete die Beklagte ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ein und entschied Ende Januar 2015, ihren Betrieb zum 31.3.2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit kündigte sie sämtliche Arbeitsverhältnisse.
Einige Arbeitnehmer klagten gegen die Kündigungen und hatten hiermit wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich Erfolg. Die Beklagte leitete hieraufhin im Juni 2015 ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche "Wiedereröffnung" des Betriebs. Eine "Wiedereröffnung kam für die Beklagte jedoch nur unter der Voraussetzung in Betracht, dass die bisherigen Vergütungen abgesenkt würden. Der Betriebsrat erklärte keine Bereitschaft an dem erneuten Konsultationsverfahren mitzuwirken.
Bundesarbeitsgericht kippt Entscheidung des Landesarbeitsgericht. Zweite Kündigung wirksam
Nach einer erneuten Massenentlassungsanzeige kündigte die Beklagte die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal. Die Klägerin rügte mit ihren gegen beide Kündigungen fristgerecht erhobenen Klagen deren Unwirksamkeit und machte hilfsweise einen Anspruch auf Nachteilsausgleich aus § 113 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geltend. Das Landesarbeitsgericht erachtete beide Kündigungen für unwirksam. Auf die Revision der Beklagten entschied das Bundesarbeitsgericht, dass nur die erste Kündigung unwirksam war.
Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin im Ergebnis wirksam gekündigt. Die erste von ihr ausgesprochene Kündigung war jedoch gem. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG i.V.m. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig, da sie in der diesbezüglichen Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt hat.
Mangelnde Verhandlungsbereitschaft des Betriebsrats beendet das erforderliche Konsultationsverfahren
Die zweite Kündigung erkannte das BAG jedoch als wirksam. Die Beklagte, so die Richter*innen des Zweiten Senats, hat das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. Sie hat dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt, um auf ihren Entschluss, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken zu können. Die Beklagte durfte die Verhandlungen auch als gescheitert ansehen, da der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft über Maßnahmen zur Vermeidung oder Einschränkung der Massenentlassung signalisiert hatte.
Die Beklagte hat die zweite Massenentlassungsanzeige zudem zu Recht bei der für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit erstattet, da sie seit April 2015 keinen Betrieb mehr unterhielt. Die zweite Kündigung war auch nicht aus anderen Gründen unwirksam.
Der Hilfsantrag der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Nachteilsausgleich. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die beabsichtigte Betriebsstilllegung unterrichtet und nach dem Scheitern ihrer Verhandlungen die Einigungsstelle angerufen. Sie hat damit im Sinne von § 113 Abs. 3 BetrVG einen "Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht".
Hier zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 22.09.2016 zum Urteil vom 22.9.2016, Az.: 2 AZR 276/16
Im Praxistipp: § 17 Kündigungsschutzgesetz, § 113 Betriebsverfassungsgesetz, § 134 Bürgerliches Gesetzbuch