Nicht jeder Verstoß gegen ein Handyverbot führt zur Kündigung
Nicht jeder Verstoß gegen ein Handyverbot führt zur Kündigung

Die Arbeitnehmerin war seit Januar 2012 als Poliererin bei der Beklagten, einem Unternehmen der Fensterprofil-Branche tätig. Weil die Beklagte Industriespionage fürchtete, gab es eine Betriebsvereinbarung, die das Verbot enthielt, „mobile Endgeräte“ im Betrieb zu nutzen.

Klägerin fotografiert Aufgabenliste

Am 13. Juli 2013 nahm die Klägerin morgens ihre Arbeit auf. Noch vor 7 Uhr machte sie mit ihrem privaten Handy ein Foto von der Pinnwand, die sich neben ihrem Poliertisch befand. Auf der Pinnwand hing unter anderem ein Zettel mit den Tagesaufgaben. Diese „Aufgabenliste“ enthielt auch firmeninterne Werkzeugnummern. Diese Nummern waren unstreitig notwendig, um die Arbeit zu verrichten.

Die Klägerin war dann ab dem 20. Juli für mehrere Wochen arbeitsunfähig erkrankt. In dieser Zeit hörte die Beklagte die Klägerin zu dem möglichen Verstoß gegen das Verbot, Geschäftsgeheimnisse fotografiert zu haben.

Am 27. Juli hörte die Beklagte dann den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung an. Dieser widersprach der Kündigungsabsicht. Trotzdem sprach die Beklagte mit Schreiben vom 28. Juli die Kündigung fristlos, hilfsweise fristgerecht aus.

Fotografieren für den privaten Gebrauch?

Die Klägerin bestritt die Vorwürfe nicht. Sie sei kurzsichtig und habe sich deswegen die Werkzeugnummern abfotografiert und auf einen Zettel geschrieben. Die Ziffern der Werkzeuge seien nur 0,5 bis 0,7 cm groß. Sie habe die Daten auch nicht weitergegeben, sondern nur für ihre eigene Arbeit verwendet.

Sie habe die Betriebsvereinbarung auch immer so verstanden, dass die Mitarbeiter keine Arbeitszeit durch „sinnlose Whatsapps“ vergeuden sollen. Außerdem habe man sie zuvor abmahnen müssen.

Dagegen legte die Beklagte dar, dass die fragliche Betriebsvereinbarung jede private Nutzung von Handys in Geschäftsräumen verbiete. Auch das Fotografier-Verbot werde streng kontrolliert. Auch im Arbeitsbereich der Klägerin befänden sich hochsensible Daten und Werkzeuge, die einen großen Wettbewerbsvorteil darstellten.

Es hätte verheerende Folgen, wenn diese Daten an Wettbewerber weitergegeben würden. Zudem bestritt die Beklagte, dass es für die Klägerin notwendig gewesen sei, die Daten abzufotografieren. Die Liste sei auf Augenhöhe angebracht gewesen, von der Kurzsichtigkeit wisse man nichts.

Klägerin hätte auch auf den Tisch klettern können

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben und festgestellt, dass weder die außerordentliche, noch die ordentliche Kündigung wirksam sind. Eine Abmahnung sei ausreichend gewesen.

Dabei hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin ohne Einverständnis der Arbeitgeberin und entgegen der Betriebsvereinbarung ein Foto von Werkzeugnummern in den Geschäftsräumen gemacht hat, ohne dass dies betrieblich veranlasst gewesen sei.

Die Klägerin hätte nach Ansicht des Gerichts auch auf den Poliertisch klettern können, um den Zettel tiefer zu hängen, ohne dass dadurch ihre Gesundheit gefährdet gewesen wäre. 

Abmahnung hätte ausgereicht

Andererseits habe die Beklagte hier nichts vorgetragen, was darauf hindeute, dass die Klägerin die Daten tatsächlich weitergegeben habe und damit einen Schaden im Wettbewerb verursacht hätte. 

Es blieb nur der Verdacht, die Klägerin habe bereits früher Geschäftsunterlagen fotografiert und die abstrakte Gefahr, dass die Klägerin Geschäftsgeheimnisse weitergegeben haben könnte. Aber auch dieser Verdacht konnte nicht erhärtet werden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin die Informationen tatsächlich weitergeben wollte, fehlten. 

Konkrete Tatsachen lagen nur für einen Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung vor. Dieser wäre aber mit einer Abmahnung hinreichend geahndet gewesen. Da dies nicht erfolgt war, war sowohl die fristlose, als auch die ordentliche Kündigung unwirksam.

Anmerkung:

Man kann sich die Situation lebhaft vorstellen: Da muss man sich schnell etwas notieren und dann fotografiert man es einfach schnell mit dem Handy ab. Im Privaten geschieht das ständig.

Aber wenn dies im Betrieb passiert, in dem ein allgemeines Verbot besteht, Handys zu nutzen, dann wird es kritisch: Sicher ist es praktischer, als „auf den Tisch zu klettern“, was das Arbeitsgericht hier als Alternative vorgeschlagen hat, aber es ist eben verboten.

Oftmals bestehen Verbote im Betrieb genau deshalb, weil die Einhaltung des „vorgeschriebenen Ablaufs“ in der Hektik des Alltagsgeschäfts unpraktisch und zeitraubend ist. Aber dies rechtfertigt den Verstoß eben nicht.

Wenn man sich also bei einem Verstoß gegen Betriebsnormen erwischen lässt, muss man immer mit einer Abmahnung rechnen, auch wenn der Verstoß täglich vorkommt und von den Kolleg*innen auch begangen wird. Aus Selbstschutz sollte man also die Vorschriften einhalten, denn hiergegen kann kein Arbeitgeber etwas einwenden, selbst wenn die Arbeit dann länger dauert.


Das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe finden sie hier

 

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