Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun ausgeführt, dass ein solcher formularmäßiger Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der zur Vermeidung einer vom Arbeitgeber angedrohten außerordentlichen Kündigung geschlossen wird, den Arbeitnehmer dann unangemessen benachteiligt, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.
Die Inhaltskontrolle von Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kommt auch im Bereich des Arbeitsrechts zum Tragen. Ein Ungleichgewicht im Hinblick auf Machtverhältnisse und Rechtskenntnisse zwischen Arbeitgebern, die vorformulierte Klauseln verwenden und Arbeitnehmer*innen wird dadurch ausgeglichen.
Nach § 307 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders, also die Arbeitnehmer*innen, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
Kläger schloss Aufhebungsvertrag mit sofortiger Wirkung und Verzicht auf Widerruf und Klage
Zum Fall: Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten einen schriftlichen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach wurde das Arbeitsverhältnis mit dem Tag der Vereinbarung beendet. Eine Abfindung sah der Vertrag nicht vor. Vorausgegangen war eine Drohung des Arbeitgebers mit einer außerordentlichen Kündigung sowie einer Strafanzeige. Der Vorwurf: Der Kläger habe aus dem Lagerbestand zwei Fertigsuppen entwendet. Der Aufhebungsvertrag enthielt auch einen Widerrufs- und Klageverzicht.
Eine Besonderheit hier war die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel NRW. Dieser sieht bei Aufhebungsverträgen ein Widerrufsrecht von drei Werktagen vor, auf das allerdings schriftlich verzichtet werden kann.
Der Kläger hat den Aufhebungsvertrag noch am gleichen Tag wegen widerrechtlicher Drohung angefochten. Er erhob Klage mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Arbeitsgericht und LAG sahen im Klageverzicht eine unangemessene Benachteiligung
Während das Arbeitsgericht Gelsenkirchen die Klage abgewiesen hatte, war die Berufung des Klägers beim Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) erfolgreich.
Beide Gerichte hatten trotz des im Aufhebungsvertrag erklärten Verzichts auf Rechtsbehelfe eine Klage für zulässig gehalten. Auch hier wurde eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB gesehen, weshalb der Verzicht auf eine Klage unwirksam sei.
Auf das tarifvertragliche Widerrufsrecht habe den Kläger hingegen wirksam verzichtet, so das Arbeitsgericht in erster Instanz. Der Verzicht auf das tarifliche Widerrufsrecht sei also keine unwirksame Klausel. Der Kläger habe schließlich den Aufhebungsvertrag nicht wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten, so das Arbeitsgericht weiter. Es wertete die Beweisaufnahme so, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Drohung zumindest dringend verdächtig gewesen sei, eine gegen das Eigentum der Beklagten gerichtete Straftat begangen zu haben.
Das LAG Hamm hob das erstinstanzliche Urteil auf und stellte fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien fortbesteht. Der Aufhebungsvertrag sei wirksam widerrufen worden. Dem Kläger habe das tarifvertragliche Widerrufsrecht zugestanden. Denn die Bestimmung über den Verzicht auf einen Widerruf halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Es läge ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor.
BAG verweist zurück - Klageverzichtsklausel teilt rechtliches Schicksal des Aufhebungsvertrags
Dann hatte das BAG das Wort, wenn auch nicht das Letzte. Denn auf die Revision der Beklagten hob es das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das LAG zurück.
Die Wirksamkeit des Verzichts auf das tarifliche Widerrufsrecht war nach Ansicht der obersten Richter nicht entscheidungserheblich. Denn der Kläger habe entgegen der Ansicht vom LAG innerhalb der Widerrufsfrist keinen Widerruf im Sinne der tariflichen Vorschrift erklärt.
Bei dem im Aufhebungsvertrag vorgesehenen Klageverzicht stimmt das BAG mit den Vorinstanzen im Prinzip überein. Dem Kläger sei dadurch im Ergebnis die Möglichkeit verwehrt, den Vertrag rechtlich durchsetzbar anzufechten. Dahinter steckt der Gedanke, dass eine Anfechtung letztlich zu nichts führt, wenn eine Klage auf Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses nicht geführt werden kann. Und eben dies sei mit dem gesetzlichen Leitbild nur zu vereinbaren, wenn die Drohung mit der außerordentlichen Kündigung nicht widerrechtlich war.
Im Ergebnis teile damit die Klageverzichtsklausel das rechtliche Schicksal des Aufhebungsvertrags. Da das LAG noch aufklären muss, ob eine widerrechtliche Drohung vorlag, wurde die Sache zurück verwiesen.
Anmerkung der Redaktion: Entscheidung vertagt
Das BAG schränkt das Spektrum einer unangemessenen Benachteiligung ein, indem es diese für den Klageverzicht im Aufhebungsvertrag dann bejaht, wenn die Drohung mit der fristlosen Kündigung widerrechtlich war. Das LAG muss nun also überprüfen, ob die Drohung mit der fristlosen Kündigung im konkreten Fall widerrechtlich war.
Das ist dann gegeben, wenn ein verständiger Arbeitgeber die angedrohte Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Es muss also die gleiche Prüfung vorgenommen werden, wie bei der Anfechtung (eines Aufhebungsvertrages oder einer Eigenkündigung) wegen widerrechtlicher Drohung. Hier kommt es darauf an, ob ein Fehlverhalten für eine fristlose Kündigung gereicht hätte und eine Abmahnung entbehrlich war.
Das Arbeitsgericht Gelsenkirchen hatte eine widerrechtliche Drohung verneint. Das LAG Hamm hatte sich mit dieser Frage nicht beschäftigt, weil es dem Kläger den Widerruf des Aufhebungsvertrages zugestanden hatte.
Für den Kläger ist damit noch immer nicht geklärt, ob das Arbeitsverhältnis Fortbestand hat.
Hier der Link zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.03.2015 Hier können Sie die Entscheidung des LAG Hamm im Volltext nachlesen