Nicht selten: Der Arbeitgeber-Dreikampf. Deutet sich die Unwirksamkeit der Kündigung an, folgt ein Abfindungsangebot. Wird dies abgelehnt, folgt die Schikane. Copyright by mm_201/fotolia.
Nicht selten: Der Arbeitgeber-Dreikampf. Deutet sich die Unwirksamkeit der Kündigung an, folgt ein Abfindungsangebot. Wird dies abgelehnt, folgt die Schikane. Copyright by mm_201/fotolia.

Jüngstes „Opfer“ ist eine 47-jährige Montiererin, die in einem Familienbetrieb mit Sitz im sauerländischen Werdohl mit zirka 450 Beschäftigten arbeitet.
 
Der verbandsgebundene Betrieb, Entwickler, Hersteller und Lieferant von Rohrleitungskomponenten und Hydraulikzubehör, rühmt sich auf seiner Website einer „vorausschauenden Unternehmensführung“. Diese hervorstechende Eigenschaft war der Geschäftsleitung allerdings jedenfalls im Bereich der Personalführung völlig abhandengekommen.
 

Die erste Disziplin: Kündigung

Als dem Arbeitgeber nämlich angebliche „despektierliche Äußerungen“ der Montiererin über deren Vorgesetzte zu Ohren gekommen waren, sprach er  - offenbar ohne näher darüber nachzudenken  - die Kündigung aus.
 
Der Haken an der Sache war: Nicht nur, dass die Gekündigte die Kündigungsgründe vehement bestritt. Die Vorwürfe waren zudem nicht ansatzweise beweisbar. Und nach Ansicht des Prozessvertreters der Montiererin, Rechtsschutzsekretär Martin Kühtz vom Hagener Büro der DGB Rechtsschutz GmbH, waren sie ohnehin nicht geeignet, die ausgesprochene Kündigung auch nur annähernd zu rechtfertigen.
 

Die zweite Disziplin: Abfindung

Dies muss dann wohl auch der vom „vorausschauenden Unternehmer“ beauftragte Verbandsjurist deutlich festgestellt haben. Der nämlich erkannte, dass die Kündigung weder Hand noch Fuß hatte. Die Firma zog die Konsequenzen und wechselte die Taktik.
 
Sie schwenkte um zur zweiten Disziplin des Dreikampfes und bot der Beschäftigten, Mitglied der IG Metall, eine passable Abfindung an. Frei nach dem Motto: „Bevor ich mir die Blöße gebe, einzugestehen, dass ich mit meiner Kündigung über das Ziel hinausgeschossen bin, kaufe ich die Ungeliebte lieber aus dem Betrieb raus.“
 

Die dritte Disziplin: Schikane

Denkste! Die Beschäftigte wollte ihren Arbeitsplatz behalten und lehnte die ihr angebotene Abfindung, trotz mehrmaliger Erhöhung, ab.
 
Der Arbeitgeber nahm die Kündigung zurück und schritt dann zur Königsdisziplin, der Schikane: Er forderte die Montiererin auf, ihre Arbeit wiederaufzunehmen. Aber nicht an ihrem bisherigen Arbeitsplatz. Nein: In einem Betriebsteil in Meinerzhagen sollte sie arbeiten, ca. 30 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die die Beschäftigte angewiesen war, zum Schichtbeginn gar nicht zu erreichen.
 

Unberechtigte Versetzung

Anhörung des Betriebsrates vor der Versetzung? Fehlanzeige!
 
Korrekte Ausübung des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber? Fehlanzeige! Zwar erlaubte der Arbeitsvertrag die Zuweisung von Tätigkeiten in einigen Betriebsteilen des Arbeitgebers außerhalb des Firmensitzes, nicht jedoch auch im Betriebsteil in Meinerzhagen.
 

Erfolgreiche einstweilige Verfügung

Also fackelte die Montiererin nicht lange und ging mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen die unberechtigte Versetzung vor.
 
Mit Erfolg! Das Arbeitsgericht Iserlohn verurteilte den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz.
 
Der Arbeitgeber hatte aber noch nicht alle Varianten der Königsdisziplin „Schikane“ aufgebraucht und schoss weiter auf die Beschäftigte.
Ein stumpfer Pfeil war allerdings die Berufung gegen das im Wege der einstweiligen Verfügung erlassene Weiterbeschäftigungsurteil des Arbeitsgerichtes Iserlohn. Es wurde nämlich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm ein Vergleich geschlossen, der ausschließlich der Gesichtswahrung des Arbeitgebers diente und der einer Berufungsrücknahme gleichkam: Der Vergleich wiederholte lediglich die ohnehin unstrittigen Regelungen des Arbeitsvertrages.
 

Der letzte Akt im Dreikampf

Der nächste Giftpfeil des Arbeitgebers offenbarte dann schon Züge der Verzweiflung. Er erteilte der Beschäftigten eine Abmahnung. Vorgeworfen wurde ihr, da es offenbar keine weiteren Gründe gab, exakt die „despektierliche Äußerung“, die zuvor Anlass für die ausgesprochene Kündigung war, die man aber bereits als zu leicht und untauglich eingestuft und zurückgenommen hatte.
 
Derzeit herrscht Ruhe. Vielleicht nur eine Verschnaufpause für die Geschäftsleitung im unerträglichen Arbeitgeber-Dreikampf.

 
Das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn (29.5.2018, 2 Ga 8/18) ist hier im Volltext nachzulesen.
 
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