Never Ending Story - das Mürbe machen geht weiter
Never Ending Story - das Mürbe machen geht weiter

Leider lagen wir ganz richtig mit dem Titel - sie geht weiter, die Never Ending Story.

Wir hatten berichtet über einen jungen EDV-Systembetreuer, dem immer wieder von seinem Arbeitgeber (zugehörig zur HOMAG-Group) gekündigt wird. Bislang ist der Arbeitgeber mit allen Kündigungen (verhaltens- und betriebsbedingt) beim Arbeitsgericht Detmold und beim Landesarbeitsgericht Hamm gescheitert.
 

Kläger, DGB Rechtsschutz und Unternehmen beweisen langen Atem

 
Hier beweisen alle Beteiligten langen Atem. Nicht nur das Mitglied der IG Metall zusammen mit dem DGB Rechtsschutz in Detmold, sondern offenbar auch die Zuständigen im Unternehmen.
 
In der Zwischenzeit hatte das Landesarbeitsgericht (LAG) auch die Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung aus August 2015 bestätigt. Und was macht der Arbeitgeber dann? Wieder betriebsbedingt kündigen natürlich! Diesmal hat ihm aber allein schon der Sonderkündigungsschutz des Klägers einen Strich durch die Rechnung gemacht.
 

Kläger nimmt während laufendem Kündigungsschutzverfahren an Betriebsratssitzung teil

 
Als Ersatzmitglied hatte der Kläger im Oktober 2015 an einer Sitzung des Betriebsrats teilgenommen.
 
Der Arbeitgeber hatte das verhindern wollen. Er hatte dem Kläger nicht nur vorher gesagt, er sei wegen des schwebenden Kündigungsschutzverfahrens nicht berechtigt, an der Sitzung teilzunehmen, er ließ Worten auch Taten folgen und komplimentierte seinen Mitarbeiter handgreiflich hinaus. Dies aber als der Kläger ohnehin gehen wollte und nachdem dieser an der Sitzung teilgenommen hatte.
 

Kündigung schon wegen nachwirkendem Kündigungsschutz unwirksam

 
Das Gericht schloss sich der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, wonach der nachwirkende Kündigungsschutz die tatsächliche Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben durch das Ersatzmitglied voraussetzt.
 
Die tatsächliche Teilnahme des Klägers an der Sitzung war zwischen den Parteien streitig, wurde durch Vernehmung von Zeugen im Verfahren aber bewiesen.
 
Deshalb war die Kündigung nach § 15 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) unwirksam und das Gericht gab der Klage statt. Auch Kündigung Nummer vier hat das Arbeitsverhältnis also nicht beendet.
 

Wegen laufendem Kündigungsrechtsstreit an der Wahrnehmung von Betriebsratsarbeit gehindert?

 
Die Detmolder Arbeitsrichter setzen sich im Urteil umfassend mit der Frage auseinander, ob es dem Kläger wegen des laufenden Kündigungsschutzverfahrens verwehrt gewesen wäre, an einer Betriebsratssitzung teilzunehmen. Es räumt dabei ein, dass es wohl überwiegender Auffassung entspräche, für die vollständige Dauer des Kündigungsschutzprozesses eine Verhinderung anzunehmen. Dem folgt das Gericht aber nicht uneingeschränkt; die Verhinderung entfalle zumindest dann, wenn erstinstanzlich im Kündigungsschutzverfahren obsiegt wurde.
 
Das LAG Hamm sieht das anders, wenn auch das Ergebnis das gleiche ist. Dieses hatte im Verfahren zuvor Sonderkündigungsschutz angenommen, auch wenn seiner Ansicht nach der Kläger wegen des schwebenden Kündigungsstreits an der Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben gehindert war. Die tatsächliche Teilnahme an der Sitzung und die Unkenntnis über die Verhinderung begründeten den Sonderkündigungsschutz.
 

Kläger verhielt sich nicht rechtsmissbräuchlich

 
Den von der Arbeitgeberseite vorgetragenen Verstoß gegen Treu und Glauben sieht das Arbeitsgericht nicht. Dem Kläger war es nicht verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen. Hier war es auch darum gegangen, ob die Sitzung zeitlich absichtlich so gelegt wurde, dass der Kläger Ersatzmitglied war und damit der Sonderkündigungsschutz ausgelöst wurde. Denn der Betriebsrat wusste von der erneuten Kündigung, da über diese auf der Sitzung auch beraten werden sollte. Nach dem Gericht sprach vieles für eine Absicht des Betriebsrats, allerdings nichts für eine Kenntnis des Klägers davon.   
 
Und wenn wir von Fairness reden: Der Personalleiter hatte das Beteiligungsverfahren zu einem Zeitpunkt eingeleitet, in dem sämtliche Mitglieder des Betriebsrats dreitätig abwesend waren!
 

Ein Ausblick: Kündigung Nummer fünf noch im Rennen

 
In der Belegschaft gilt der Kläger als so etwas wie das kleine gallische Dorf, das sich den Römern widersetzte. Ein Status der dem Arbeitgeber sicher ein Dorn im Auge ist.
 
Kündigung Nummer fünf ist schon ausgesprochen und gerichtlich angegriffen worden. Da der erweiterte Kündigungsschutz für ein Jahr wirkt, hier bis Oktober 2016, wird die Kündigung aus Juli 2016 wieder scheitern. Das zwangsläufig, was sicher auch der Arbeitgeberseite klar war. Sinn der erneuten Kündigung wird nicht die Idee gewesen sein, damit rechtlich durchzukommen, sondern den Mitarbeiter irgendwann mürbe zu kriegen. Wir hoffen, das gelingt nicht!
 
 
Links:


Den ersten Teil der Geschichte lesen Sie hier:


Das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts Detmold kann hier nachgelesen werden.

Lesen Sie zum Thema dreiste Arbeitgeber "Geht´s noch? Eine Bestandsaufnahme der Arbeitswelt"

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG)

§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, dass ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stilllegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.