Welche Rolle hat der Betriebsrat bei Arbeitszeugnissen und warum sind Zeugnis-Codes nicht erlaubt? Diese Fragen und weitere werden in diesem Interview
Welche Rolle hat der Betriebsrat bei Arbeitszeugnissen und warum sind Zeugnis-Codes nicht erlaubt? Diese Fragen und weitere werden in diesem Interview

Nach § 109 Gewerbeordnung hat der Arbeitnehmer bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Soll ein Arbeitnehmer das verlangen?


Die neue Personalabteilung prüft bei der Bewerbung, ob die Unterlagen vollständig sind. Fehlt ein Arbeitszeugnis, dann wird sofort nachgefasst: War die Trennung mit dem alten Arbeitgeber gar so konfliktreich, dass kein Zeugnis ausgestellt wurde? Wer diesen Eindruck nicht aufkommen lassen will, der sollte seine Arbeitszeugnisse sammeln.Betriebsräte können zwar bei Beurteilungsgrundsätzen mitbestimmen, bei der Formulierung des Arbeitszeugnisses aber nicht. So sind die Regeln. Bei Massenentlassungen kann es sinnvoll sein, mit dem Betriebsrat Standards für Arbeitszeugnisse zu vereinbaren. In einer Betriebsvereinbarung zum Thema »Beurteilen und Bewerten« können auch Regeln für Zeugnisse stehen. Ein Initiativrecht hat der Betriebsrat allerdings nicht.

  • Rechtlicher Hinweis:

Der Betriebsrat hat bei der Zeugniserteilung keine Mitbestimmungsrechte. Das Thema Arbeitszeugnisse kann aber im Rahmen von Beurteilungsgrundsätzen nach § 94 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) erfolgen. Entschließt sich der Arbeitgeber zur Einführung von Beurteilungsgrundsätzen, so ist diese Maßnahme mitbestimmungspflichtig.

Aber im Kern ist es ein Individualrecht?

Ja, der Arbeitnehmer muss seinen Anspruch geltend machen und darauf achten, welche Inhalte aufgeschrieben sind.

Was kann der Betriebsrat tun, wenn der Mitarbeiter mit dem Text nicht einverstanden ist?

Im Rahmen seiner Vertretung der Interessen der Beschäftigten, kann der Betriebsrat versuchen, darauf hinzuwirken, einvernehmlich einen Zeugnistext zu erstellen. Viele Beschäftigte scheuen die Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber. Deshalb ist die Achse Arbeitnehmer-Betriebsrat-Personalabteilung oft eine gute Lösung.

  • Rechtlicher Hinweis:

Der Arbeitnehmer kann nach § 84 Abs. 1 BetrVG von seinem Beschwerderecht Gebrauch machen und den Betriebsrat um Unterstützung ersuchen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Arbeitnehmer noch im Betrieb beschäftigt ist. Der Betriebsrat kann, falls er die Beschwerde für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber die Behandlung und Erledigung der Beschwerde beantragen. Nach § 85 Abs. 2 BetrVG kann nötigenfalls die Einigungsstelle durch den Betriebsrat angerufen werden.

Forscher in Jena haben herausgefunden, dass nur wenige Zeugnisse individuell angefertigt sind. Stattdessen verwenden die Unternehmen Zeugnisgeneratoren. Ist diese schablonenhafte Erstellung überhaupt zulässig?

Der Arbeitgeber ist verantwortlich für den Text und die Inhalte. Die Tätigkeitsbeschreibung ist eigentlich immer individuell. Für die Beurteilung der Leistung gibt es Vorgaben. Personalabteilungen können mit Standards arbeiten. Wichtig ist die richtige und individuelle Beschreibung der ausgeübten Arbeitsaufgaben. An diesem Punkt sollte sich kein Arbeitnehmer mit Allgemeinplätzen abspeisen lassen.

Sind die meisten Arbeitszeugnisse wertlos?

Nein, sie sind notwendig, um eine lückenlose Berufsbiografie zu dokumentieren. Die Tätigkeitsbeschreibungen halte ich sogar für sehr sinnvoll. Sie sind auch für den neuen Arbeitgeber von Interesse. Gerade dann, wenn Weiterbildung zur Berufsausbildung hinzugekommen ist. Bei der Gesamtnote bin ich skeptisch, ob sie wirklich aussagekräftig ist. Das ist in vielen Fällen auch ein Streitpunkt.

Zeugnis als Rache?

Die Art der Trennung ist ganz wichtig: Wird das Arbeitsverhältnis gütlich beendet, dann gibt es auch beim Zeugnistext keinen Streit. Im anderen Fall wird das Zeugnis auch gerne zum Nachtreten genutzt. Dann sind Konflikte programmiert.

Aber sind Probezeiten nicht wichtiger als Zeugnisse?

Das Bewerbungsgespräch und die Probezeit sind eindeutig bedeutsamer als Arbeitszeugnisse. Aber das Zeugnis ist vielfach der Türöffner, um überhaupt in die engere Auswahl zu kommen.

Sind Zeugnis-Codes rechtmäßig?

Es dürfen keine versteckten Aussagen in einem Arbeitszeugnis enthalten sein. Das würde ja bedeuten, dass eine wohlwollende Formulierung sich in ihr Gegenteil verkehrt. Wenn das absichtlich erfolgt, dann ist dies unzulässig und solche Codes sind zu streichen. Manchmal ist den Arbeitgebern allerdings dies auch nicht klar, dann sind Änderungen immer problemlos.

Landen Streitigkeiten um Arbeitszeugnisse vor dem Arbeitsgericht?

Im Anschluss an den Kündigungsprozess, geht es oft um das Arbeitszeugnis. Wenn der Vergleich dem Arbeitgeber nicht gefällt, dann wird gefault. Entschieden wird dieser Punkt natürlich nicht. Der Richter schlägt dann im Abfindungsvergleich Formulierungen oder Noten vor, mit denen, wenn auch zähneknirschend, alle leben müssen.

Sollen Arbeitszeugnisses, in der jetzigen Form, verschwinden?

Für den Arbeitnehmer ist es schon wichtig, dass er für das berufliche Fortkommen und die Entwicklung eine Dokumentation seiner Tätigkeiten hat. Hingegen ist eine Leistungsbeurteilung sehr subjektiv und letztlich nicht zielführend. Deshalb ist eine Beschränkung auf die erledigten Arbeitsaufgaben völlig ausreichend. (Interview zuerst erschienen »Arbeitsrecht im Betrieb« (AiB) 9/2016, S. 34, 35.)

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