Kläger dieses Rechtsstreits ist ein Arbeitnehmer, der seit Ende 1989 in einem Unternehmen aus der Textilbranche beschäftigt ist, zuletzt als Meister.
Im Januar 2022 erkrankte er an Covid-19 und musste sich gemäß behördlicher Anordnung für die Zeit vom 17. bis zum 26.Janaur in häusliche Isolation begeben. Impfungen gegen das Coronavirus hatte er nicht erhalten. Seine Arbeit kann er nicht im Homeoffice ausüben.
Keine ärztliche Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit
Krankgeschrieben war der Kläger nicht, da er keinen Hausarzt hatte und andere Ärzte sich weigerten, ihn telefonisch krank zu schreiben. Aufgrund der Infektion zeigten sich typische Krankheitssymptome wie heftiger Husten und starke Gliederschmerzen.
Erst am 27. Januar lag ein negatives Testergebnis vor. Am nächsten Tag ging der Kläger wieder zur Arbeit.
Arbeitgeber leistet keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Der Arbeitgeber, der für den Kläger ein Arbeitszeitkonto führt, hatte dieses für die Zeit der Quarantäne belastet. Er leistete keine Entgeltfortzahlung, sondern zahlte Zeitguthaben aus dem Arbeitszeitkonto von rund 50 Stunden aus. Für die beiden Tage nach der behördlichen Quarantäne wurde keine Vergütung geleistet.
Die örtliche IG Metall machte den fehlenden Lohn sowie eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto für den Kläger gegenüber dem Arbeitgeber geltend. Da außergerichtlich nichts zu erreichen war, folgte eine Klage über den DGB Rechtsschutz in Detmold.
Verschiedene Positionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die Prozessvertreterin des Klägers stellte sich auf den Standpunkt, dass in diesem Fall eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorgelegt werden musste, um Entgeltfortzahlung zu erlangen.
Denn es bestehe auch dann eine Pflicht des beklagten Unternehmens zur Entgeltfortzahlung, wenn der Kläger an einer ansteckenden Krankheit leidet, wegen der er seinen Arbeitsplatz nicht aufsuchen kann ohne andere in Gefahr zu bringen, ebenfalls zu erkranken.
Der Arbeitgeber zweifelte die vom Kläger geschilderten Krankheitssymptomen an. Außerdem liege ein Eigenverschulden vor, da eine Impfung auf jeden Fall vor schweren Erkrankungen schütze. Der Kläger hätte eventuell die behaupteten Krankheitssymptome vermeiden können.
Tätigkeit im Homeoffice nicht möglich
Das Gericht ließ es dahinstehen, ob der Kläger Symptome hatte. Auch eine symptomlose Infektion mit einem Krankheitserreger führe zu einer Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Das gelte zumindest dann, wenn wie hier eine Arbeit im Homeoffice ausscheide.
Es schloss sich hier der Rechtsansicht des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes an: Dem Arbeitnehmer sei es objektiv nicht zumutbar, seinen Arbeitsplatz aufzusuchen, wenn er andere in Gefahr bringt, selbst zu erkranken. Insofern sei der Kläger vom 17. bis zum 26. Januar allein aufgrund der Corona-Infektion als arbeitsunfähig anzusehen.
Kläger hat seine Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet
Auch in diesem Punkt gab das Gericht dem Arbeitnehmer Recht.
Schuldhaft im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes handelt ein Beschäftigter, der in erheblichen Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Das Bundesarbeitsgericht spricht von einem besonders leichtfertigem, vorsätzlichen Verhalten.
Diesen Grundsätzen folgend sah das Gericht beim Kläger kein Verschulden gegen sich selbst. Es sei nicht klar, ob sich der Kläger mit Schutzimpfungen infiziert hätte. Dafür bezog es sich auf das Robert-Koch-Institut, wonach es trotz Covid-19-Impfung zu einer Infektion kommen kann, da die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz biete, vor allem nicht bei den Omikron-Varianten. Wenn trotz vollständiger Impfung Impfdurchbrüche möglich seien, und die Impfung vor allem dazu diene, schwere Verläufe zu verhindern, würden die Impfungen eine Erkrankung an sich nicht ausschließen.
Lediglich den Lohn für den 27. Januar bekommt der Kläger nicht, da er an diesem Tag bereits negativ getestet war.
Arbeitsgericht Detmold, Urteil vom 8. September 2022- 2 Ca 324/22
Das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold ist noch nicht rechtskräftig.
Der Textilverband, der den Arbeitgeber vertritt, hat Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt.