Geklagt hatte eine Krankenkasse, bei der ein alkoholabhängiger Arbeitnehmer versichert war. Während dieser in einem Arbeitsverhältnis mit der beklagten Arbeitgeberin stand, war es trotz zweier stationärer Entzugstherapien zu Rückfällen gekommen. Nachdem der Mann im November 2011 mit einer Alkoholvergiftung in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste, folgte eine zehnmonatige Arbeitsunfähigkeit. 

Das Arbeitsverhältnis bestand nach diesem Vorfall noch etwa einen Monat, die Arbeitgeberin zahlte aber keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Deshalb leistete die Krankenkasse für diesen Monat Krankengeld. 

Vor dem Arbeitsgericht Köln machte sie die Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht gegenüber der Arbeitgeberin geltend. Streitig dabei:  Bestand ein Entgeltfortzahlungsanspruch des alkoholabhängigen Mannes gegen die Beklagte oderliegt bei einem Rückfall nach mehrfachem Entzug eine selbst verschuldete Arbeitsunfähigkeit vor? 

Bei alkoholabhängigen Arbeitnehmer*innen fehlt es suchtbedingt am Verschulden

§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) macht den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall davon abhängig, dass der Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

Eine Arbeitsunfähigkeit ist nach dem BAG nur dann verschuldet in diesem Sinne, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehle es suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden.

Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit 

Das Arbeitsgericht Köln gab der Klage statt und bejahte den Entgeltfortzahlungsanspruch. Dies bestätigte das Landesarbeitsgericht und wies die Berufung der ehemaligen Arbeitgeberin zurück. Auch hier wurde ein Verschulden des Mannes verneint.

Denn es vertritt die Auffassung, dass bei einer Arbeitsunfähigkeit (jedenfalls bei langjähriger Alkoholabhängigkeit) regelmäßig davon auszugehen sei, dass es sich dabei um eine Krankheit handele, die nicht vom Arbeitnehmer i.S.v.§ 3 Abs.1 S.1 EFZG verschuldet ist. Etwas anderes gelte nur dann, wenn der alkoholabhängige Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit durch ein steuerbares Verhalten herbeigeführt hat. 

Wichtig dabei: Ein Sachverständigengutachten hatte ergeben, dass bei dem Versicherten zweifelsfrei eine langjährige, chronische Alkoholkrankheit vorliegt.

Die Arbeitgeberin wollte ihre Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auch nach zwei erfolglosen Instanzen nicht einsehen und ging in Revision. Erfolglos, denn auch das BAG stellte darauf ab, dass es sich bei einer Alkoholabhängigkeit um eine Krankheit handelt.

Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, könne nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden, so das BAG. Die Entstehung der Alkoholsucht sei vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingten. 

Verschulden bei Rückfall nach Entzug und Therapie nicht generell auszuschließen

Dies gelte, so das BAG weiter, im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie. 

Sodann nimmt das BAG die Abstinenzrate in den Blick, die je nach Studie und Art der Behandlung bei 40 bis 50 % liegt. Daraus folgert das BAG, dass ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme nicht generell ausgeschlossen werden könne. 

Zur Klärung, ob den Arbeitnehmer für den Rückfall  ein Verschulden trifft, müsse im Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, sofern der Arbeitgeber das fehlende Verschulden bestreite. Lässt sich ein Verschulden nicht eindeutig feststellen, weil die Ursachen vielfältig sind, gehe dies zulasten des Arbeitgebers. Das bedeutet, dass dann nicht von einem Verschulden ausgegangen werden kann.

Das im Verfahren eingeholte Gutachten hatte ein Verschulden des Arbeitnehmers wegen der  langjährigen und chronischen Alkoholabhängigkeit und dem Suchtdruck ausgeschlossen. Deshalb bestätigte auch das BAG den Entgeltfortzahlungsanspruch.

Hier können Sie die komplette Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18. März 2015, Az.:10 AZR 99/14 nachlesen

Lesen sie hierzu auch unseren Beitrag Kündigung von alkoholkranken Beschäftigten