„Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig.“  

Diese Worte von Angela Merkel zu Beginn der Griechenlandkrise 2011geben mehr oder weniger den Tenor wieder, wenn in manchen deutschen Medien über Griechenland berichtet wird. Offensichtlich soll damit die Ursache der griechischen Probleme auch den Arbeitnehmer*innen zugeschoben werden.


Aber wie sieht das denn in der Realität aus? Welche Rechte haben Arbeitnehmer*innen in Griechenland gegenüber denen in Deutschland? Wie ist das griechische Arbeitsrecht beschaffen?

Arbeitszeit

Nach der letzten OECD-Studie zum Thema Arbeitszeit (aus dem Jahr 2012) ergeben sich überraschende Ergebnisse: Die durchschnittliche Arbeitszeit der Griech*innen lag bei 2.034 Stunden im Jahr und damit deutlich über dem OECD-Durchschnitt von 1.769 Stunden. Ganz zu schweigen von Deutschland mit im Schnitt 1.393 Stunden. Ursache dafür sind in erster Linie nicht die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten oder die tarifvertraglichen Arbeitszeiten, die in Griechenland und in Deutschland durchaus vergleichbar sind, sondern das deutlich niedrigere Lohnniveau in Griechenland. Das führt dazu, dass viele Griech*innen neben ihrer regulären Beschäftigung noch Zweit- oder Drittjobs haben, um finanziell über die Runden zu kommen.

Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn ist auch in Deutschland ein lange diskutiertes und schließlich erkämpftes Instrument staatlicher Lohnpolitik. Griechenland hat bereits seit langem einen Mindestlohn, der sich aber auf einem nicht vergleichbaren Niveau bewegt: 3,35 € / Stunde.


Auch der durchschnittliche Stundenlohn in Griechenland liegt mit 7,44 € noch unterhalb des aktuellen Mindestlohnes in Deutschland.

Kündigungsschutz

Nicht vergleichbar ist der Kündigungsschutz in Griechenland und in Deutschland. Auch wenn von Seiten der Kreditgeber immer wieder eine Lockerung des Kündigungsschutzes in Griechenland gefordert wurde: Ein Kündigungsschutzgesetz nach deutschem Prinzip gibt es in Griechenland nicht. In der Regel ist also in Griechenland kein Grund erforderlich, um ein Arbeitsverhältnis zu kündigen. Als Grenze für die rechtliche Wirksamkeit einer Kündigung gilt v.a. die „Redlichkeit“ bzw. der Missbrauch.


Allerdings sind die Kündigungsfristen z.T. deutlich länger als bei uns. Dabei unterscheidet das griechische Recht noch sehr deutlich zwischen Arbeiter*innen und Angestellten. Während für Arbeiter*innen gesetzlich gar keine Kündigungsfristen vorgesehen sind, beträgt die Kündigungsfrist für Angestellte je nach Betriebszugehörigkeit bis zu 24 Monate.


Unabhängig von der Kündigungsfrist besteht in Griechenland ein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung bei Kündigung durch den Arbeitgeber. Auch der unterscheidet sich deutlich zwischen Arbeitern (bis zu 91 Tagelöhnen) und Angestellten (bis zu 24 Monatsgehältern).

Urlaub

Hat die Bundeskanzlerin denn bei ihrer -unausgesprochenen- Kritik an zu viel Urlaubstagen der südeuropäischen Kolleg*Innen Recht ? Keineswegs, denn im Vergleich zu uns Deutschen haben beispielsweise die Griechen deutlich weniger freie Tage: Während bei uns nach den meisten Tarifverträgen 30 Tage Urlaub beansprucht werden können, sind es in Griechenland lediglich 23 Tage.


Auch gesetzliche Feiertage ändern das Bild nicht: Da liegen beide Länder mit durchschnittlich  10 Feiertagen / Jahr gleichauf.

Fazit

Auch wenn statistische Werte und rechtliche Rahmenbedingungen natürlich nie ein vollständiges Bild der Lebens- und Arbeitswirklichkeit abgeben können, kann man zumindest feststellen, dass auch bei vorschnellen Urteilen gegenüber anderen Ländern vor allem Zurückhaltung angebracht ist.              


Den durchschnittlichen Arbeitnehmer*innen in Griechenland kann man jedenfalls aufgrund der Arbeitsbedingungen nicht vorwerfen, dass sie „fauler“ seien als wir.