Erzieher*innen, die zuvor bei privaten Arbeitgebern im Bundesgebiet beschäftigt waren, dürfen schlechter bezahlt werden.
Erzieher*innen, die zuvor bei privaten Arbeitgebern im Bundesgebiet beschäftigt waren, dürfen schlechter bezahlt werden.

Geklagt hatte eine Erzieherin, die seit Januar 2014 beim Land Berlin beschäftigt war. Bei der Vergütung war ihre Tätigkeit bei verschiedenen anderen Arbeitgebern im deutschen Inland nicht berücksichtigt worden.

Vorbeschäftigung nicht anerkannt

Obwohl sie eine einschlägige Berufserfahrung von etwa 17 Jahren vorweisen konnte, wurde sie nur nach der Stufe 2 des Tarifvertrags vergütet. Dies entspricht der Vergütung nach einem Jahr Berufserfahrung.

Die Einstufung basierte auf der entsprechenden Vorschrift des Tarifvertrags des Öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L). Danach wird der Arbeitnehmer bei einschlägiger Berufserfahrung von mindestens einem Jahr, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben wurden, in der Stufe 2 eingestellt.

Nach Ansicht der Klägerin verstößt diese Vorschrift gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach europäischem Recht, weil sie einschlägige Berufserfahrung beim selben Arbeitgeber privilegiere. Sie stehe schlechter als ihre Kollegen mit gleicher Berufserfahrung, die von Anfang an beim Land Berlin angestellt waren.

Bundesarbeitsgericht: Kein Verstoß gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie jedoch abgewiesen. Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg.

Ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit liege schon deshalb nicht vor, weil kein Auslandsbezug bestehe. Dieser ist aber notwendig, um den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu eröffnen.

Da die Klägerin aber nur im Inland beschäftigt gewesen sei, liege ein solcher Bezug nicht vor. Damit verstoße es nicht gegen die unionsrechtlichen Freizügigkeitsvorschriften, wenn die beim selben Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung gegenüber entsprechenden Zeiten bei anderen Arbeitgebern privilegiert werde.

Auch nationale Regelungen ständen der Privilegierung der beim selben Arbeitgeber erworbenen einschlägigen Berufserfahrung nicht entgegen.

Direkt zur Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht zum Urteil vom 23. Februar 2017 - Az.: 6 AZR 843/15

Das sagen wir dazu:

Die Klägerin hat es dem Gericht in diesem Fall tatsächlich leicht gemacht, ihre Klage abzuweisen. Denn ein Verstoß gegen die europarechtliche Freizügigkeit kann logischerweise nur vorliegen, wenn es einen Bezug zum (EU)-Ausland gibt.

Der EuGH hat zwar in der Vergangenheit schon Regelungen gekippt, in denen Vorbeschäftigungszeiten nicht anerkannt worden waren, hier hatte es aber jeweils einen Bezug zum Ausland gegeben.

Spannend dürfte es jedoch werden, wenn das Bundesarbeitsgericht einen Fall entscheiden muss, in dem ein solcher Bezug vorhanden ist, etwa weil eine dänische oder niederländische Erzieherin darauf klagt, dass ihre im Heimatland erworbenen Vorbeschäftigungszeiten anerkannt werden.

Hier dürfte das Bundesarbeitsgericht kaum am Auslandsbezug vorbei kommen und müsste die streitige Vorschrift noch einmal kritischer betrachten, als dies jetzt der Fall war. Läge ein Verstoß vor, so würde es zu der paradoxen Lage führen, dass die dänische Erzieherin - oder auch eine deutsche Erzieherin in die Dänemark gearbeitet hat, mit Vorbeschäftigung außerhalb des deutschen Öffentlichen Dienstes besser stünde als die deutsche Erzieherin, die nur in Deutschland gearbeitet hat.

Diese Form der Inländerdiskriminierung ist zwar europarechtlich zulässig, dürfte wohl aber die politische Diskussion auch um die Anerkennung von „deutschen“ Vorbeschäftigungszeiten wieder neu entfachen.

Rechtliche Grundlagen

§ 16 Abs. 2 Satz 1 bis 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)

§ 16 Abs. 2 Satz 1 bis 3 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)

Bei der Einstellung werden die Beschäftigten der Stufe 1 zugeordnet, sofern keine einschlägige Berufserfahrung vorliegt. Verfügen Beschäftigte über eine einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aus einem vorherigen befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber, erfolgt die Stufenzuordnung unter Anrechnung der Zeiten der einschlägigen Berufserfahrung aus diesem vorherigen Arbeitsverhältnis. Ist die einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr in einem Arbeitsverhältnis zu einem anderen Arbeitgeber erworben worden, erfolgt die Einstellung in die Stufe 2, beziehungsweise - bei Einstellung nach dem 31. Januar 2010 und Vorliegen einer einschlägigen Berufserfahrung von mindestens drei Jahren - in Stufe 3.