Entschädigungszahlung wegen diskriminierender Stellenanzeige. © Adobe Stock - Von N. Theiss
Entschädigungszahlung wegen diskriminierender Stellenanzeige. © Adobe Stock - Von N. Theiss

Der 1994 geborene, ledige Kläger ist gelernter Industriekaufmann und absolvierte ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen. Bei der Beklagten handelt es sich um einen familiengeführten Kleinbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern, welcher seinen Betriebssitz ca. 250 km entfernt vom Wohnsitz des Klägers hat. Die Beklagte unterhält eine Werkstatt und veräußert Gebrauchtfahrzeuge.

Der Kläger hatte sich auf die in Ebay-Kleinanzeigen veröffentliche Stellenanzeige der Beklagten beworben In dieser Anzeige heißt es:

„Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit. Es wäre super, wenn Sie Erfahrung mitbringen. Standort: 2…. B.“

Über die Chat-Funktion antwortete der Kläger der Beklagten:

„Hallo, ich habe gerade auf Ebay-Kleinanzeigen Ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern. Ich bewerbe mich hiermit auf Ihre Stelle. Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In Ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Ich wäre ab sofort verfügbar. Mit freundlichen Grüßen Herr W. 26.04.2021, 14:44 Uhr“

Die Antwort der Beklagten lautete wie folgt:

„Sehr geehrter Herr W., vielen Dank für Ihr Interesse in unserem Hause. Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wünschen Ihnen alles Gute Vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen R. Y. …haus B. GmbH“ 27.04.21, 21.39 Uhr“.

Keine außergerichtliche Einigung - Bewerber klagt

Nachdem ein außergerichtlicher Einigungsversuch scheiterte, erhob der Bewerber Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn mit der eine Entschädigungszahlung in Höhe von drei Monatsgehältern begehrte. Erstinstanzlich war der Klage kein Erfolg beschieden. Begründet wurde dies u.a. damit, dass bei dem Kläger, der nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erforderliche Bewerberstatus nicht gegeben sei.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein.

Landesarbeitsgericht kippt erstinstanzliche Entscheidung

Anders als das Arbeitsgericht sahen es die Richter*innen des Berufungsgerichts. Denn diese hielten den für die Geltendmachung von Entschädigung nach § 15 Abs.2 AGG erforderlichen Bewerberstatus für gegeben. Wer eine Stellenanzeige in Ebay-Kleinanzeigen veröffentlicht, so das LAG, müsse damit rechnen, dass sich die Bewerber über die Ebay-Kleinanzeigen-Chatfunktion bewerben und nicht auf klassische Weise schriftlich unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers werde gesetzlich nicht gefordert. Ausreichend sei es, wenn die Person des Bewerbers identifizierbar sei.

Keine rechtsmissbräuchliche Bewerbung

Die von der Beklagten geargwöhnte rechtsmissbräuchliche Bewerbung vermochte das LAG nicht zu erkennen. Denn an eine solche Annahme würden hohe Anforderungen gestellt. Im Einzelfall müssten besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen könnten. Der Vortrag der Beklagten reiche aber dafür nicht aus.

Höhe der Entschädigungszahlung

Unter Beachtung der Stellenangebote im Hamburger Umland für eine Vollzeit-Sekretärin, die bei einem Bruttogehalt i.H.v. 2.700 Euro liegen, ist die von dem Kläger begehrte Forderung i.H. 7.800 Euro (drei Gehälter a 2.600 Euro), die das LAG dem Kläger zuerkannte, nicht als überzogen anzusehen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Schleswig-Holstein:

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus ArbGG und AGG

Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
§ 61b Klage wegen Benachteiligung

(1) Eine Klage auf Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden.

2) Machen mehrere Bewerber wegen Benachteiligung bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses oder beim beruflichen Aufstieg eine Entschädigung nach § 15 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerichtlich geltend, so wird auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsgericht, bei dem die erste Klage erhoben ist, auch für die übrigen Klagen ausschließlich zuständig. Die Rechtsstreitigkeiten sind von Amts wegen an dieses Arbeitsgericht zu verweisen; die Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.

(3) Auf Antrag des Arbeitgebers findet die mündliche Verhandlung nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Erhebung der ersten Klage statt.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.



Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 3 Begriffsbestimmungen

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.


Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 6 Persönlicher Anwendungsbereich

1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind
1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind
natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.