

Der 1994 geborene, ledige Kläger ist gelernter Industriekaufmann und absolvierte ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen. Bei der Beklagten handelt es sich um einen familiengeführten Kleinbetrieb mit weniger als zehn Arbeitnehmern, welcher seinen Betriebssitz ca. 250 km entfernt vom Wohnsitz des Klägers hat. Die Beklagte unterhält eine Werkstatt und veräußert Gebrauchtfahrzeuge.
Der Kläger hatte sich auf die in Ebay-Kleinanzeigen veröffentliche Stellenanzeige der Beklagten beworben In dieser Anzeige heißt es:
„Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit. Es wäre super, wenn Sie Erfahrung mitbringen. Standort: 2…. B.“
Über die Chat-Funktion antwortete der Kläger der Beklagten:
„Hallo, ich habe gerade auf Ebay-Kleinanzeigen Ihre Stellenausschreibung gefunden, womit Sie eine Sekretärin suchen. Ich suche derzeit eine neue Wohnung im Umkreis und habe Interesse an Ihrer Stelle. Ich habe Berufserfahrung im Büro und kenne mich mit Word und Excel und Gesetzen gut aus. Lieferscheine und Rechnungen kann ich auch schreiben und sonst typische Arbeiten einer Sekretärin, die Sie fordern. Ich bewerbe mich hiermit auf Ihre Stelle. Suchen Sie nur ausschließlich eine Sekretärin, also eine Frau? In Ihrer Stellenanzeige haben Sie dies so angegeben. Ich habe eine kaufmännische abgeschlossene Ausbildung als Industriekaufmann. Über eine Rückmeldung würde ich mich sehr freuen. Ich wäre ab sofort verfügbar. Mit freundlichen Grüßen Herr W. 26.04.2021, 14:44 Uhr“
Die Antwort der Beklagten lautete wie folgt:
„Sehr geehrter Herr W., vielen Dank für Ihr Interesse in unserem Hause. Wir suchen eine Dame als Sekretärin. Wir wünschen Ihnen alles Gute Vielen Dank. Mit freundlichen Grüßen R. Y. …haus B. GmbH“ 27.04.21, 21.39 Uhr“.
Keine außergerichtliche Einigung - Bewerber klagt
Nachdem ein außergerichtlicher Einigungsversuch scheiterte, erhob der Bewerber Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn mit der eine Entschädigungszahlung in Höhe von drei Monatsgehältern begehrte. Erstinstanzlich war der Klage kein Erfolg beschieden. Begründet wurde dies u.a. damit, dass bei dem Kläger, der nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erforderliche Bewerberstatus nicht gegeben sei.
Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein ein.
Landesarbeitsgericht kippt erstinstanzliche Entscheidung
Anders als das Arbeitsgericht sahen es die Richter*innen des Berufungsgerichts. Denn diese hielten den für die Geltendmachung von Entschädigung nach § 15 Abs.2 AGG erforderlichen Bewerberstatus für gegeben. Wer eine Stellenanzeige in Ebay-Kleinanzeigen veröffentlicht, so das LAG, müsse damit rechnen, dass sich die Bewerber über die Ebay-Kleinanzeigen-Chatfunktion bewerben und nicht auf klassische Weise schriftlich unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen. Ein inhaltliches Mindestmaß an Angaben zur Person des Bewerbers werde gesetzlich nicht gefordert. Ausreichend sei es, wenn die Person des Bewerbers identifizierbar sei.
Keine rechtsmissbräuchliche Bewerbung
Die von der Beklagten geargwöhnte rechtsmissbräuchliche Bewerbung vermochte das LAG nicht zu erkennen. Denn an eine solche Annahme würden hohe Anforderungen gestellt. Im Einzelfall müssten besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen könnten. Der Vortrag der Beklagten reiche aber dafür nicht aus.
Höhe der Entschädigungszahlung
Unter Beachtung der Stellenangebote im Hamburger Umland für eine Vollzeit-Sekretärin, die bei einem Bruttogehalt i.H.v. 2.700 Euro liegen, ist die von dem Kläger begehrte Forderung i.H. 7.800 Euro (drei Gehälter a 2.600 Euro), die das LAG dem Kläger zuerkannte, nicht als überzogen anzusehen.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.
Hier finden Sie das vollständige Urteil des LAG Schleswig-Holstein: