Der EuGH hat entschieden, dass die Bemessung der BAT-Grundvergütung aufgrund des Lebensalters der Beschäftigten europarechtswidrig ist, da sie eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt. Die Regelungen des TVÜ-Bund waren dagegen nicht zu beanstanden.
In zwei Verfahren ging es insbesondere um die Frage der Vereinbarkeit von Entgeltregelungen im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes mit dem Verbot der Altersdiskriminierung.
Seit dem 1. Oktober 2005 ersetzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) u.a. im Tarifbereich des Bundes den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT). Im BAT war die Grundvergütung nach Lebensaltersstufen bemessen. Alle zwei Jahre erhielten die Beschäftigten eine höhere Vergütung, bis die Endgrundvergütung erreicht war. Der TVöD sieht keine Lebensaltersstufen mehr vor. Sein Entgeltsystem stellt auf Tätigkeit, Berufserfahrung und Leistung ab. Der Aufstieg in den fünf /sechs Stufen jeder Entgeltgruppe vollzieht sich abhängig von Leistung und Berufserfahrung. Bei der Überleitung der mehr als einer Million Angestellten aus dem BAT in den TVöD wurde jedoch die im alten System erreichte Lebensaltersstufe im Wege der Besitzstandswahrung voll berücksichtigt. Den Angestellten wurde im Grundsatz ihr bisheriges Entgelt auch nach ihrer Überleitung in den TVöD weiter gezahlt. Zum 1. Oktober 2007 wurden die Angestellten ausgehend von diesem Entgelt endgültig der nächsthöheren Stufe der neuen Entgelttabelle zugeordnet.
Im ersten Fall (Rechtssache C-298/10) war der Angestellte in die Vergütungsgruppe I a des BAT eingestuft und bezog eine Grundvergütung in Höhe von monatlich 3.336,09 Euro brutto. Der monatliche Bruttobetrag der Grundvergütung der Lebensaltersstufe 47 in dieser Vergütungsgruppe belief sich auf 3.787,14 Euro. Er beantragte bei seinem Arbeitgeber eine Vergütung gemäß Lebensaltersstufe 47 zu einem Zeitpunkt, als er das 47. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Seiner Ansicht nach stellt die Staffelung der Grundvergütung nach Lebensaltersstufen nämlich eine Diskriminierung wegen des Alters dar, die jüngere Angestellte benachteilige. Er verklagte seinen Arbeitgeber, das Land Berlin, auf Zahlung der Vergütung entsprechend der Lebensaltersstufe 47 in der Vergütungsgruppe I a BAT für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 31. März 2009.
Im zweiten Fall (Rechtssache C-297/10) ging es um eine Bauingenieurin beim Eisenbahn-Bundesamt. Im Rahmen des BAT war sie in die Vergütungsgruppe IV a der Anlage 1a eingestuft. Sie war bei ihrer Einstellung 41 Jahre alt und wurde gemäß § 27 Abschnitt A Abs. 2 BAT in die Lebensaltersstufe 35 eingestuft. Bei der Überleitung vom BAT in den TVöD wurde sie auf der Grundlage eines anhand der Lebensaltersstufe 37 berechneten Vergleichsentgelts von insgesamt 3.185,33 Euro brutto neu eingestuft. Aufgrund dieses Betrags wurde sie in der Vergütungsgruppe 11 in eine individuelle Zwischenstufe zwischen den Stufen 3 und 4 eingestuft. Am 1. Oktober 2007 wurde sie in Stufe 4 der Vergütungsgruppe 11 eingestuft, wodurch sie Anspruch auf eine monatliche Vergütung von 3.200 Euro brutto erwarb.
Die Klägerin beanstandete nicht ihre Einstufung in die Vergütungsgruppe, sondern ihre Einstufung innerhalb dieser Gruppe. Sie machte geltend, wenn sie in Stufe 5 der Vergütungsgruppe 11 eingestuft worden wäre, hätte sie pro Monat 435 Euro brutto mehr verdient. Daher hat sie auf entsprechende Einstufung geklagt. Sie trägt vor, dass die Lebensaltersstufenregelung des BAT eine Diskriminierung wegen des Alters darstelle und dass sich diese Diskriminierung im TVöD fortsetze.
Im Wege der Vorabentscheidung sollte der EuGH klären, wie der Konflikt zwischen dem primärrechtlich gewährleisteten allgemeinen Gleichheitssatz und dem ebenfalls primärrechtlich gewährleisteten Recht der Tarifvertragsparteien auf Kollektivverhandlungen, welches auch deren Tarifautonomie beinhaltet, zu lösen ist. Konkret geht es darum, ob die auf Lebensaltersstufen bezogene Grundvergütung des BAT das Verbot der Altersdiskriminierung (jetzt Art. 21 Abs. 1 GRC) in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie 2000/78/EG verletzte, ob sich eine solche Altersdiskriminierung im TVöD fortsetzt und ob und wie eine solche Altersdiskriminierung von den Tarifvertragsparteien gegebenenfalls auch rückwirkend beseitigt werden könnte.
Der EuGH ist zu folgendem Ergebnis gekommen:
Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf konkretisiert worden ist, und insbesondere die Art. 2 und 6 Abs. 1 dieser Richtlinie sind dahin auszulegen, dass sie einer in einem Tarifvertrag vorgesehenen Maßnahme wie der in den Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, wonach sich innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe die Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei dessen Einstellung nach dessen Alter bemisst. Insoweit beeinträchtigt die Tatsache, dass das Unionsrecht der betreffenden Maßnahme entgegensteht und dass diese in einem Tarifvertrag enthalten ist, nicht das in Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen.
Die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 sowie Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer in einem Tarifvertrag vorgesehenen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑297/10 streitigen nicht entgegenstehen, mit der ein Vergütungssystem, das zu einer Diskriminierung wegen des Alters führt, durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt wird und zugleich für einen befristeten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen des erstgenannten Systems bestehen bleiben, um für die bereits in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Angestellten den Übergang zum neuen System ohne Einkommensverluste zu gewährleisten.