Öffentlichen Arbeitgeber müssen den Agenturen für Arbeit freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Copyright: vulcanus - stock.adobe.com.
Öffentlichen Arbeitgeber müssen den Agenturen für Arbeit freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Copyright: vulcanus - stock.adobe.com.

Mario Siebert (Name von der Redaktion geändert) ist aufgrund einiger Erkrankungen erheblich an der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt. Die zuständige Behörde hat bei ihm einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 festgestellt. Er ist Volljurist und hatte beide Staatsexamen mit der Note „befriedigend” bestanden. Mehrere Jahre war er als “TV-Redakteur, Künstlermanagement, Journalist” und Immobilienmakler tätig. Ab dem 1. April 2017 arbeitete er als Rechtsanwalt.

 

Im November 2017 veröffentlichte ein Landkreis über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit ein Stellenangebot. Danach sollte zum 1. Februar 2018 ein „Arbeitsplatz als Führungskraft“, nämlich die Stelle als „Amtsleiter/in Rechts- und Kommunalamt (Jurist/in)“ besetzt werden.

 

Die Stelle will der Landkreis mit einem Juristen besetzen, der über mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und mehrjährige einschlägige Führungserfahrung verfügt

 

In der Stellenausschreibung hieß es unter anderem, dass das Aufgabengebiet die Leitung des Rechts- u. Kommunalamts mit seinerzeit ca. 20 Bediensteten umfasse. Zudem werde ein abgeschlossenes weiterführendes wissenschaftliches Hochschulstudium (Master oder gleichwertiger Abschluss) in der Fachrichtung Rechtswissenschaften bzw. 2. juristisches Staatsexamen (Volljurist/in) erwartet.

 

Zudem stelle man sich vor, die Stelle mit Jemanden zu besetzen, der über eine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und mehrjährige einschlägige Führungserfahrung verfüge. Mario Siebert bewarb sich im November 2017 unter Angabe seiner Schwerbehinderung ohne Erfolg auf die ausgeschriebene Stelle. Zu einem Vorstellungsgespräch lud ihn der Landkreis nicht ein. Mit Schreiben vom 11. April 2018 teilte er ihm vielmehr mit, dass er sich für einen anderen Bewerber entschieden habe.

 

Herr Siebert verlangt eine Entschädigung, weil ihn der Landkreis diskriminiert hat

 

Daraufhin wandte sich Herr Siebert mit Schreiben vom 14. April 2018 unter dem Betreff „Beschwerde nach § 13 AGG und Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG“ an den Landkreis. Er beanstandete, dass er als schwerbehinderter Bewerber bereits im Vorverfahren des Bewerbungsverfahrens nicht berücksichtigt worden sei. Zugleich machte er einen Anspruch auf Entschädigung geltend. Er berief sich insoweit auf § 15 Abs. 2 AGG. Mario Siebert erhielt auf die Beschwerde vom Landkreis keine Antwort.

 

Er machte daher die Entschädigung beim Arbeitsgericht geltend. Er wandte zusätzlich ein, dass der Landkreis den freien Arbeitsplatz nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechend der zuständigen Agentur für Arbeit gemeldet habe. Zudem habe er ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl ihm - entgegen der Annahme des Landkreises - die fachliche Eignung nicht offensichtlich gefehlt habe.

 

Allerdings wies das Gericht die Klage ab. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Mehr Erfolg hatte er jetzt beim Bundesarbeitsgericht (BAG).

 

Ein veröffentlichtes Stellenangebot ist keine Meldung an die Agentur für Arbeit

 

Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts habe der Landkreis Herrn Siebert wegen der Schwerbehinderung benachteiligt und schulde ihm deshalb eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Landkreis habe es entgegen § 165 Satz 1 SGB IX unterlassen, den ausgeschriebenen Arbeitsposten der zuständigen Agentur für Arbeit zu melden.

 

Dass der Kreis das Stellenangebot über die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht habe, stelle keine Meldung insoweit dar. Daher sei zu vermuten, dass der Landkreis Mario Siebert im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen der Schwerbehinderung nicht berücksichtigt und ihn damit wegen der Schwerbehinderung benachteiligt habe.

 

Es käme nicht mehr darauf an, ob weitere Verstöße gegen die zugunsten schwerbehinderter Menschen getroffenen Verfahrens- und/oder Förderpflichten vorgelegen hätten. Ebenso könne dahinstehen, ob die unterbliebene Beantwortung der Beschwerde des Klägers durch den Landkreis ein Indiz nach § 22 AGG für eine Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung sein konnte.

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts

Rechtliche Grundlagen

§§ 13, 15, 22 AGG, § 165 SGB IX

§ 13 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.

§ 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

§ 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

§ 165 SGB IX Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes freiwerdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Inklusionsvereinbarung nach § 166 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 166 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden.