Fettleibigkeit allein rechtfertigt weder eine Kündigung, noch einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung.
Fettleibigkeit allein rechtfertigt weder eine Kündigung, noch einen Entschädigungsanspruch wegen Diskriminierung.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer stritten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung und einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung.

Entscheidend ist die Leistungsfähigkeit

Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte im Dezember 2015 folgenden Fall zu entscheiden: Der Arbeitnehmer war 1,94 m groß und wog rund 200 kg. Er arbeitet für den Arbeitgeber als Gärtner. Der Arbeitgeber hatte diesen ordentlich gekündigt.

Da der Arbeitnehmer nicht bereit sei, sein Körpergewicht auf Dauer nachhaltig zu reduzieren, sei er nicht in der Lage ein Vielzahl von notwendigen Tätigkeiten auszuüben, beispielsweise könne er einen Sprinter nicht mehr steuern, da der Abstand zwischen Lenkrad und der hintersten Einstellung des Fahrersitzes dem Arbeitnehmer eine Benutzung nicht ermögliche.

Auch seien die Leitern, die zur Pflanzenpflege bestiegen werden müsste, nur für eine Belastung bis maximal 150 kg gebaut. Der Arbeitnehmer sei nicht mehr im Bereich des privaten Gartenbaus einsetzbar, weil einige Kunden aufgrund der langsamen Arbeitsgeschwindigkeit des Arbeitnehmers Rechnungen gekürzt hätten.

Gericht: Kündigung unwirksam, aber keine Entschädigung

Der Arbeitnehmer wendete ein, seine Arbeitsleistung nach wie vor sehr gut zu erbringen, zudem sei er wegen seines Übergewichts als Schwerbehinderter anzusehen, ihm stände daher wegen der Benachteiligung aufgrund dieser Behinderung eine Entschädigung zu.

Nach Auffassung des Gerichts hat der Arbeitgeber nicht hinreichend nachgewiesen, dass der Arbeitnehmer nur noch vermindert leistungsfähig ist und damit der Kündigungsschutzklage stattgegeben, gerade weil der Arbeitnehmer vorgetragen hat genauso leistungsfähig zu sein wie andere.

Mit diesem Argument hat er sich allerdings zeitgleich seinen Entschädigungsanspruch „torpediert“. Zwar ist Adipositas nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs in Ausnahmefälle als Behinderung anzusehen, aber eben nur dann, wenn das Übergewicht langfristig eine Teilhabe am Berufsleben verhindert. Gerade dies hat der Gärtner ja - hinsichtlich des Kündigungsschutzbegehrens erfolgreich - widerlegt.

Rechtsstreit durch Vergleich beigelegt

Auch in der zweiten Instanz konnte sich weder der Arbeitgeber mit seiner Kündigung, noch der Arbeitnehmer mit seiner Entschädigung durchsetzen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf musste allerdings kein Urteil mehr fällen.

Die Parteien einigten sich vielmehr auf einen Vergleich, wonach sowohl die streitbefangene Kündigung, als auch der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch erledigt sind.

Außerdem verpflichtete sich der Kläger, weiterhin an seiner Gewichtsreduzierung zu arbeiten. Im Ergebnis blieb es damit bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Anmerkung:

Der Arbeitgeber ist mit seinem Kündigungsbegehren zu Recht gescheitert. Wer einen Arbeitnehmer aufgrund von Minderleistung kündigen will, muss dies sehr gut begründen können und darf sich nicht nur auf Vorurteile und Mutmaßungen stützen.

Es reicht zum Beispiel nicht zu behaupten, der Arbeitnehmer passe wegen des Übergewichts nicht mehr hinter das Lenkrad, sondern man muss konkret beweisen, dass er das Auto wirklich nicht mehr fahren und dadurch seine Arbeit nicht mehr erbringen kann.

Andererseits sollte jede/r Arbeitnehmer*in, die ein körperliches Gebrechen hat, sich vor einer Klage gegen eine Kündigung oder sonstige belastende Maßnahmen sehr genau überlegen, was sie/er von der/dem Arbeitgeber*in eigentlich will. Sonst kann es, wie hier, passieren, dass ein Anspruch aus demselben Grund verwehrt bleibt, aus dem ein anderer zugesprochen wird.

Hier das Urteil des Arbeitsgericht Düsseldorf vom 17.12.2015 – Az.: 7 Ca 4616/15 - im Volltext
Hier direkt zur Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27.07.2016: "Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Kündigung wegen Adipositas? Rechtsstreit durch Vergleich beigelegt"


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