Bewerberin erhält Entschädigung wegen Diskriminierung, weil Ablehnungsgründe sich nicht aus Ausschreibung ergaben.
Bewerberin erhält Entschädigung wegen Diskriminierung, weil Ablehnungsgründe sich nicht aus Ausschreibung ergaben.

Das Arbeitsgericht Oldenburg hat ein katholisches Krankenhaus verurteilt, einer konfessionslosen Bewerberin eine Entschädigung wegen Diskriminierung zu zahlen.
 

„Positive Einstellung“ zu den Glaubenszielen erwartet

 
Die Klägerin hatte sich bei dem Krankenhaus, das als Stiftung organisiert war, auf eine Stelle als Personalsachbearbeiterin beworben. In der Stellenausschreibung war eine „positive Einstellung zu den Grundlagen/Zielen eines katholischen Trägers“ verlangt worden.
 
Die katholische Stiftung lud die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch ein und entschloss sich anschließend, sie als Personalsachbearbeiterin einzustellen. Die Frage der Religion war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht angesprochen worden.
 
Hierzu kam es erst in einem weiteren Gespräch, in dem der Geschäftsführer der Beklagten sich nach der Konfession erkundigte. Als die Klägerin antwortete, sie sein „konfessionslos und auch nicht getauft“, wurde ihr mitgeteilt, dass sie dann nicht eingestellt werden könne.
 
Daraufhin verklagte die Bewerberin die Stiftung auf Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn und auf eine Entschädigung wegen Diskriminierung.
 

Diskriminierung wegen der Religion oder Selbstbestimmungsrecht der Kirche?

 
Sie sei diskriminiert worden, weil sie aufgrund der fehlenden Religionszugehörigkeit nicht eingestellt worden sei. Dabei seien bei der Beklagten auch Mitarbeiter tätig, die eine andere als die katholische oder auch überhaupt keine Konfessionszugehörigkeit hätten.
 
Die Beklagte berief sich dagegen auf ihr Selbstbestimmungsrecht als konfessioneller Träger. Als solcher stehe es ihr zu, Bewerber wegen der Religion abzulehnen. Die geforderte positive Einstellung habe sich aus der Bewerbung nicht ergeben.
 
Das Arbeitsgericht Oldenburg hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung und Lohnausfall zu zahlen. Das Gericht war davon überzeugt, dass die Klägerin nur deshalb nicht eingestellt worden ist, weil sie nicht getauft war.
 

Grundordnung fordert nur Nähe zur Kirche

 
Von dem Kriterium der Taufe habe die Beklagte ihre Entscheidung jedoch nicht abhängig machen dürfen, auch wenn sie sich auf das kirchliche Selbstverwaltungsrecht berufen könne.
 
Von diesem Selbstbestimmungsrecht habe die katholische Kirche in Form der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ Gebrauch gemacht. Die Grundordnung sehe die Konfessionszugehörigkeit nur bei solchen Arbeitnehmern vor, die pastorale, katechetische, erzieherische oder leitende Aufgaben zu erfüllen haben.
 
Bei allen anderen Mitarbeitern genüge es, wenn sie die ihnen übertragenen Aufgaben „im Sinne der Kirche“ erfüllten. Die Formulierung der Ausschreibung stütze sich erkennbar auf diese Vorgaben. Es stand für das Gericht außer Frage, dass die genannte „positive Einstellung“ auch bei konfessionslosen Bewerbern vorliegen könne.
 

Abweichen von eigenen Vorgaben unzulässig

 
Deshalb könne sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die „positive Einstellung“ sich nur aus der Taufe ergeben könne. Ein solches Grundverständnis führe die selbst gewählte Differenzierung der Grundordnung ad absurdum.
 
Wenn die Beklagte also in der Ausschreibung, entsprechend den Vorgaben der Grundordnung, eine „positive Einstellung“ fordere, so könne sie von dieser selbst gesteckten Vorgabe nicht zu Lasten der Bewerberin abweichen.
 
Dieser Verstoß gegen die selbstgestellten Anforderungen sei auch gerichtlich überprüfbar und nicht seinerseits durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirche gedeckt. Den staatlichen Gerichten stehe jedenfalls eine Missbrauchskontrolle zu.
 

Entgangener Lohn und Entschädigung

 
Das Arbeitsgericht sprach der Klägerin zum einen Schadensersatz in Form von entgangenem Entgelt zu. Zwischen den Parteien bestand insofern Einigkeit, dass vom geplanten Beginn des Arbeitsverhältnisses bis zu dessen Ende ein Anspruch in Höhe von drei Monatsgehältern entstanden wäre.
 
Zum anderen erhält die Klägerin eine Entschädigung wegen Diskriminierung. Die Beklagte habe sich bewusst über ihre eigenen Grundlagen hinweg gesetzt und die Klägerin damit schwer benachteiligt. Hierfür sah das Gericht einen Betrag von weiteren drei Monatsgehältern als angemessen an.
 
Insgesamt wurde der Klägerin ein Betrag in Höhe von 7.756,67 € brutto zugesprochen.
 

Anmerkung zum Tendenzschutz

 
Selbstbestimmungsrecht heißt nicht Narrenfreiheit: Das Grundgesetz hat bestimmte Arbeitgeber aufgrund ihrer besonderen Stellung mit eigenen Freiheiten ausgestattet. Hierzu zählen die Kirchen, aber auch die Hochschulen als Träger der Wissenschaftsfreiheit und die Gewerkschaften als Träger der Koalitionsfreiheit.
 
Wer unter den sogenannten Tendenzschutz fällt, kann von seinen Mitarbeitern eine gesteigerte Loyalität verlangen, weil dies für die Ausübung der Arbeit unerlässlich ist. Aber auch diese Freiheit hat Grenzen.
 
Dazu gehört, dass man sich im Rahmen der selbst gesteckten Grenzen bewegt: Wer für die Besetzung einer Stelle nur eine Form von Nähe zu den Grundprinzipien verlangt und keine „Mitgliedschaft“, der kann sich später auch bei der Ablehnung darauf berufen, dass die „Mitgliedschaft“ nicht vorgelegen habe.
 
Dies gilt im Übrigen genauso für andere Arbeitgeber: Wer eine Qualifikation nicht fordert, kann eine Ablehnung nicht darauf stützen, dass sie nicht vorliegt. Eine solche Absage kann eine Vermutung für eine Diskriminierung begründen.


Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 10.02.2016



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Rechtliche Grundlagen

§ 9 AGG

§ 9 AGG
Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung
(1) Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung im Hinblick auf ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.
(2) Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung berührt nicht das Recht der in Absatz 1 genannten Religionsgemeinschaften, der ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder der Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.