Im Gleichgewicht ist das Verhältnis von Betriebsrat und Arbeitgeber nicht immer. © Adobe Stock lucid_dream
Im Gleichgewicht ist das Verhältnis von Betriebsrat und Arbeitgeber nicht immer. © Adobe Stock lucid_dream

Betriebsräte haben darüber zu wachen, dass Arbeitgeber Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen einhalten. Missstände dürfen sie ansprechen, durchaus auch in der Öffentlichkeit. Naturgemäß gefällt das dem Chef oft nicht.

 

Arbeitgeber dürfen Betriebsratsmitgliedern nur aus wichtigem Grund kündigen

 

Nehmen die kritischen Äußerung eines Betriebsratsmitglieds in den Augen des Chefs überhand und sieht er sich deshalb außerstande, mit diesem weiterhin vertrauensvoll im Sinne der Betriebsverfassung zusammenzuarbeiten, ist der Entschluss, zu kündigen, oft nicht fern.

 

Betriebsratsmitglieder genießen jedoch den besonderen Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes. Ihnen kann der Arbeitgeber nur mit Zustimmung des Betriebsrats kündigen. Stimmt der Betriebsrat nicht zu, muss der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung zu ersetzen.

 

Zulässig ist dabei nur eine fristlose Kündigung, für die ein wichtiger Grund vorliegen muss.

 

Der Betriebsratsvorsitzende hatte sich in einer Zeitschrift geäußert

 

In dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hamm stritt sich ein Arbeitgeber mit seinem Betriebsrat um die Zustimmung zur Kündigung seines ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden. Dieser hatte sich in einer Gewerkschaftszeitung über den früheren Geschäftsführer des Unternehmens geäußert. Zwar der Vorsitzender inzwischen nur noch einfaches Mitglied des Betriebsrates. Auch in der Geschäftsführung des Unternehmens hatten sich die Zuständigkeiten geändert. Der Arbeitgeber wollte es dennoch wissen.

 

Die Gewerkschaftszeitung weise auf eine Äußerung des damaligen Betriebsratsvorsitzenden hin, wonach sein Chef einmal die Hand gegen ihn erhoben habe, untermauert der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss. Handgreiflich geworden sei er letztlich zwar nicht, es sei aber sicher kein Zufall, dass der Betriebsrat bei dieser Firma selten eine Amtszeit in ein und derselben Besetzung bestehe, heiße es dort weiter. Die Betriebsräte erführen Druck und Benachteiligungen.

 

Der Arbeitgeber sieht sich zu Unrecht angegriffen

 

Im Prozess bestritt der Arbeitgeber die Vorwürfe. Der frühere Geschäftsführer habe nicht die Hand gegen den damaligen Betriebsratsvorsitzenden erhoben. Die Äußerung in der Zeitschrift stelle eine üble Nachrede dar. 

 

Das Arbeitsgericht wies den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zurück. Nun sollte das Landesarbeitsgericht entscheiden. Doch auch hier scheiterte der Arbeitgeber. Der frühere Betriebsratsvorsitzende, vertreten durch das DGB Rechtsschutzbüro Münster, konnte seinen Arbeitsplatz behalten.

 

Eine fristlose Kündigung oder ein Ausschlussverfahren sind möglich

 

In seinem Beschluss führt das Landesarbeitsgericht Hamm aus, es gebe zwei Möglichkeiten, gegen das Betriebsratsmitglied vorzugehen. Habe das Betriebsratsmitglied Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt und sei deshalb eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus Sicht des Arbeitgebers unzumutbar, dürfe er fristlos kündigen. Habe das Betriebsratsmitglied eine Amtspflicht verletzt, komme nur ein Verfahren auf Ausschluss aus dem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz in Betracht.

 

An die Berechtigung zur fristlosen Kündigung sei ein strenger Maßstab anzulegen. Ein*e nicht dem Betriebsrat angehörige*r Arbeitnehmer*in sei nämlich nicht den gleichen Konfliktsituationen ausgesetzt wie ein Betriebsratsmitglied, das im Rahmen seiner Amtstätigkeit zugleich Arbeitsvertragspflichten verletze. Der Arbeitgeber müsse prüfen, ob sich die Pflichtverletzung noch in der Zukunft belastend auswirke. Aus der Vertragsverletzung müsse der Arbeitgeber außerdem schließen können, dass der*die Arbeitnehmer*in auch zukünftig den Arbeitsvertrag in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen werde.

 

Der Mann hatte sich als Betriebsrat geäußert

 

Davon ging das Landesarbeitsgericht bei dem Betroffenen nicht aus. Er habe sich erkennbar als Vorsitzender des Betriebsrates geäußert und nicht in seiner Stellung als Arbeitnehmer. Dem Mann sei es um Betriebsratsarbeit und deren Behinderung gegangen.

 

Auf die Äußerung hätte der Arbeitgeber also höchstens mit einem Ausschlussverfahren nach dem Betriebsverfassungsgesetz reagieren können. Dabei hätte nach einem Verlust des Mandats mit einer fortbestehenden Interessenkollision gerechnet werden müssen und es müsse zu erwarten gewesen sein, dass der Mann seine Pflichten auch dann nicht wieder ordnungsgemäß erfüllt hätte. Davon sei hier nicht auszugehen.

 

Das Betriebsverfassungsgesetz schütz Betriebsratsmitglieder vor Benachteiligung

 

Auch eine Kündigung hielt das Landesarbeitsgericht nicht für zulässig. Die Äußerungen des Mannes rechtfertigten im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot des Betriebsverfassungsgesetzes keine sofortige Beendigung des bereits seit 26 Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses. Es sei nicht zu erwarten, dass der Mann sich zukünftig vergleichbar äußern würde. Da er nicht mehr Betriebsratsvorsitzender sei, würde er im Namen des Betriebsrats nach außen hin auch keine Erklärungen mehr abgeben.

 

Das Geschehen könne sich mithin nicht mehr wiederholen. 

 

Bedauerlich, dass sich die Fronten doch so verhärtet hatten, dass auch nach einer Änderung der Gesamtsituation von Seiten des Arbeitgebers am Entschluss zur Kündigung festgehalten worden war.

 

Alexander Palme vom DGB Rechtsschutzbüro Münster vertrat den ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht. Er meint dazu:

 

„Dieser Fall zeigt anschaulich, mit welchen Problemen manche Betriebsräte in ihrer täglichen Praxis zu kämpfen haben. Dies betrifft (…) auch den (…) beteiligten Kollegen, der seit Jahren für die Rechte der Betriebsräte und Arbeitnehmer*innen im Unternehmen einsteht. Dabei gab es immer wieder Probleme, insbesondere mit dem jetzt nicht mehr im Unternehmen tätigen ehemaligen Chef. Das Urteil selbst halte ich für besonders hervorhebenswert, da es ausgezeichnet zwischen der Sanktionierung von Betriebsratsarbeit einerseits und den Verstößen gegen arbeitsvertraglichen Pflichten andererseits differenziert. Für den Kollegen selbst ging es dabei zu keinem Zeitpunkt um eine lukrative Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die durchaus möglich gewesen wäre, sondern darum, für seine Recht als Betriebsrat einzustehen. Heute teilte mir der Kollege mit, dass sich die Situation zwischenzeitlich beruhigt habe. Mit dem Wechsel in der Unternehmensführung sei auch ein entspannteres Verhältnis zu ihm persönlich, als auch zum derzeit aktiven Betriebsrat einhergegangen.“

 

Diese erfreuliche Wendung ist in der Tat erwähnenswert. Gut, wenn es so bleibt.

 

 

Dass es Betriebsträte oft schwer haben, zeigt auch dieser Bericht:

 

Auf Kündigung folgt Kündigung folgt Kündigung…Never Ending Story? 

 

 

 

Hier lesen Sie das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm im Volltext

 

 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 626 BGB; § 23 BetrVG

§ 626 BGB
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.


§ 23 BetrVG
(1) Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.
(2) Wird der Betriebsrat aufgelöst, so setzt das Arbeitsgericht unverzüglich einen Wahlvorstand für die Neuwahl ein. § 16 Abs. 2 gilt entsprechend.
(3) Der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen, die Vornahme einer Handlung zu dulden oder eine Handlung vorzunehmen. Handelt der Arbeitgeber der ihm durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegten Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er auf Antrag vom Arbeitsgericht wegen einer jeden Zuwiderhandlung nach vorheriger Androhung zu einem Ordnungsgeld zu verurteilen. Führt der Arbeitgeber die ihm durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung auferlegte Handlung nicht durch, so ist auf Antrag vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Antragsberechtigt sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Das Höchstmaß des Ordnungsgeldes und Zwangsgeldes beträgt 10.000 Euro.