Ein Mangel an Programmierkenntnissen rechtfertigt bei einem Organisationsprogrammierer eine fristgemäße personenbedingte Kündigung. Der besondere Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG besteht nur solange, wie das Ersatzmitglied ein tatsächlich verhindertes Betriebsratsmitglied vertritt.

Welcher Sachverhalt lag dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Die Beklagte ist ein internationales Unternehmen für IT-Beratung und IT-Dienstleistungen mit rund 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist und hatte im Zeitraum 1999/2000 eine einjährige Qualifikation zum »Applikationsentwickler Client-Server« absolviert. Er wurde über Jahre bei Kunden des Unternehmens im Qualitätsmanagement eingesetzt und nahm an weiteren Schulungen teil, um auch im Bereich »Programmierung« eingesetzt werden zu können. Ab März 2007 sollte er im Programmierbereich seines Unternehmens arbeiten, konnte aber die ihm gestellten Aufgaben nicht lösen.

Im Juni 2007 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich wegen »Arbeitsverweigerung«. Dagegen erhob er Kündigungsschutzklage. Bei der Betriebsratswahl am 11.10.2007 wurde der Kläger zum ersten Ersatzmitglied gewählt. Wegen einer kritischen E-Mail an Kollegen, in der er die Kündigung auf seine Beteiligung an der Wahl zurückführte, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis am 23.10.2007 erneut außerordentlich. Am 04.04.2008 stellte ein IT-Gutachter fest, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um als Organisationsprogrammierer zu arbeiten.

Die Arbeitgeberin erklärte in der Folge weitere ordentliche bzw. außerordentliche Kündigungen, die sie mit mangelnder Qualifikation bzw. Fehlverhalten des Klägers begründete. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der 2007 ausgesprochenen Kündigungen rechtskräftig fest und verpflichtete die Arbeitgeberin, den Kläger bis zum Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Das BAG entschied, dass der Mangel an Programmierkenntnissen, der nur durch eine mehrjährige weitere Ausbildung behoben werden kann, die fristgemäße Kündigung eines Organisationsprogrammierers sozial rechtfertigt, auch wenn dieser Mangel in den ersten Jahren des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen gekommen ist (personenbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG). Daher wurde das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung vom 17.04.2008 mit Frist zum 30.09.2008 wirksam beendet.

Daran ändert auch der besondere Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nichts. Dieser besteht nur solange, wie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied des Betriebsrats vertreten wird. Das war allenfalls während einer Erkrankung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds im Zeitraum Februar und März 2008 der Fall, aber nicht zum Zeitpunkt der Kündigung zum 17.04.2008.

Der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG für ein Ersatzmitglied des Betriebsrats tritt nur ein, wenn es in der Vertretungszeit Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Allerdings war der Kläger in der fraglichen Zeit nicht zu Betriebsratssitzungen eingeladen worden. Aber selbst, wenn der Betriebsratsvorsitzende des Unternehmens die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert haben sollte, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Mit anliegender Entscheidung hat sich das BAG zur Frage des besonderen Kündigungsschutzes von Ersatzmitgliedern des Betriebsrates geäußert und seine Rechtsansicht hierzu wiederholt. Ersatzmitgliedern des Betriebsrates haben Kündigungsschutz, wenn sie zeitweilig ein ordentliches Mitglied des Betriebsrates vertreten, d.h. können nur mit wichtigem Grund gekündigt werden. Dieser Kündigungsschutz besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG für ein Jahr nach dem Ende der Tätigkeit als Ersatzmitglied. So hatte dies das BAG schon im Jahre 2009 (Az.: 2 AZR 487/08) u.a. entschieden. Dieser Schutz gilt aber nur, wenn das Ersatzmitglied auch vertretungsweise Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat, z.B. die Teilnahme an Betriebsratssitzungen. In diesem Zusammenhang muss man wissen, dass Ersatzmitglieder, wenn ein Betriebsrat verhindert ist, nach dem BAG (Az: 2 AZR 388/10) nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, wie z.B. die Teilnahme an Betriebsratssitzungen, vertreten, sondern nach § 25 BetrVG für die Dauer der Verhinderung automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls nachrücken. Dies auch dann, wenn die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied, nicht bekannt ist. Im Einzelfall sollte daher immer die Kündigung und deren Wirksamkeit von einem Fachmann geprüft werden.

Das Urteil des BAG vom 19.04.2012, 2 AZR 333/11