Eine von den Betriebsparteien als "Regelungsabrede" geschlossene Vereinbarung, die nur für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer gelten soll, stellt auch im rechtlichen Sinne regelmäßig keine Betriebsvereinbarung dar und verstößt damit nicht gegen das BetrVG.

Die Beteiligte zu 1) ist eine bei der Beteiligten zu 2) vertretene Gewerkschaft. Die Beteiligte zu 2) ist Arbeitgeberin mit mehreren Betrieben. Zwischen den Beteiligten wurde eine Vielzahl von Tarifverträgen geschlossen, die grundsätzlich in allen Betrieben der Arbeitgeberin gelten.

Mit dem im Betrieb Q. bestehenden Betriebsrat schloss die Arbeitgeberin eine "Regelungsabrede Arbeitszeit" ab. § 1 Abs. 3 der "Regelungsabrede" regelt den persönlichen Geltungsbereich wie folgt:
"Diese Regelungsabrede gilt für alle Mitarbeiter von Q. im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG, die nicht tarifgebunden sind und in deren Arbeitsverträgen ausdrücklich Bezug auf diese Regelungsabrede genommen wird."

Die Regelungsabrede enthält einige Regelungen hinsichtlich der Arbeitszeit, die in erheblichem Umfang von den zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Tarifverträgen abweichen. So sind die Mitarbeiter grundsätzlich berechtigt, den Beginn und das Ende der individuellen täglichen Arbeitszeit und die Verteilung der individuellen Wochenarbeitstage eigenverantwortlich zu bestimmen (Arbeitszeitsouveränität).

Demgegenüber sieht der zwischen den Beteiligten abgeschlossene Manteltarifvertrag vor, dass Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geregelt werden.

Die Gewerkschaft verlangt im Klagewege, dass die Arbeitgeberin die Durchführung der "Regelungsabrede" unterlässt. Da die im Betrieb geltenden Tarifverträge bereits ausführliche Regelungen zur Arbeitszeit enthielten, sei für eine Betriebsvereinbarung mit ähnlichem Inhalt kein Raum. Zwar gelte die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nur für Betriebsvereinbarungen und nicht für Regelungsabreden, die gesetzeskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass es sich dabei aufgrund des gewollten kollektiven Charakters der Regelung um eine Betriebsvereinbarung handele.

Die streitige "Regelungsabrede Arbeitszeitausführung" verstößt nicht gegen § 77 Abs. 3 BetrVG, entschied das ArbG Bonn. Denn sie ist keine Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 BetrVG.

Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG betrifft nicht Regelungsabreden und vertragliche Einheitsregelungen, sondern nur Betriebsvereinbarungen. Soweit die Gewerkschaft reklamiert, durch Auslegung ergebe sich, dass die Regelungsabrede Arbeitszeit eine Betriebsvereinbarung im Sinne von § 77 BetrVG darstelle, so teilt die Kammer diese Auffassung ausdrücklich nicht.

Die Regelungsabrede Arbeitszeit schließt ihre normative Wirkung nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG ausdrücklich aus. Eine verpflichtende Wirkung der Bestimmungen der Regelungsabrede soll nach § 1 Abs. 3 nur durch einen arbeitsvertraglichen Bezug auf diese Regelungsabrede entstehen. Da die entscheidenden Differenzierungsmerkmale zwischen der Betriebsvereinbarung einerseits deren normative Wirkung auf alle im Geltungsbereich genannten Arbeitsverhältnisse und der Regelungsabrede andererseits deren rein schuldrechtliche Verpflichtung der Vertragsparteien sind, kann die hier zu beurteilende "Regelungsabrede Arbeitszeit" nur als Regelungsabrede, nicht aber als Betriebsvereinbarung angesehen werden.

Die Regelungsabrede stellt auch keinen Eingriff in die Koalitionsfreiheit dar, diese ist weder unmittelbar noch mittelbar beeinträchtigt. Zwar kann die Koalitionsfreiheit einer Gewerkschaft durch eine betriebseinheitliche Regelung, welche tarifwidrige Arbeitsbedingungen schaffen will, beeinträchtigt werden. Eine Einschränkung oder Behinderung der Koalitionsfreiheit liegt vielmehr auch in Abreden oder Maßnahmen, die zwar nicht die Entstehung oder den rechtlichen Bestand einer Tarifvertrages betreffen, aber darauf gerichtet sind, dessen Wirkung zu vereiteln oder leerlaufen zu lassen.

Geltendes Tarifrecht wird allerdings nur dann verdrängt, wenn der betreffende Tarifvertrag im Anwendungsbereich der fraglichen betrieblichen Regelungen normativ gilt. Soweit diese Voraussetzung fehlt, besteht nämlich kein Geltungsanspruch des Tarifvertrages, und der Arbeitgeber ist frei, mit seinen Arbeitnehmern andere Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz hindert ihn hieran nicht.

Die Koalitionsfreiheit ist bereits deswegen nicht unmittelbar betroffen, da die "Regelungsabrede" nicht für tarifgebundene Mitarbeiter gilt. Eine Kollision zwischen der betrieblichen Regelungsabrede und den zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Tarifverträgen ist daher ausgeschlossen. Diese gelten nach § 4 Abs. 1 TVG nur für die bei der Beklagten beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer.

Auch mittelbar ist die Koalitionsfreiheit nicht tangiert. Soweit anerkannt ist, dass der Arbeitgeber für tarifliche Außenseiter schlechtere Arbeitsbedingungen vorsehen kann, so verbietet weder die verfassungsmäßige Koalitionsfreiheit noch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Arbeitgeber günstigere Arbeitsbedingungen vereinbart

Dabei ist einzuräumen, dass es die Interessen der Gewerkschaft beeinträchtigt, wenn Arbeitnehmer anhand der vermeintlich günstigeren Regelungen zur Arbeitszeit in der Regelungsabrede ihre Gewerkschaftszugehörigkeit verschweigen und die Anwendbarkeit der Regelungsabrede arbeitsvertraglich vereinbaren. Diese Beeinträchtigung ist aber in dem dargestellten geringfügigen Umfang hinzunehmen. Es ist nicht auch nur ansatzweise erkennbar, dass die Regelungsabrede zu einer Erosion des gewerkschaftlichen Organisationsgrads im Betrieb Q. geführt hat oder führen wird.

Soweit gewerkschaftliche organisierte Arbeitnehmer ein gesteigertes Interesse an vermehrter Arbeitszeitsouveränität entwickeln, kann dies künftig in den zwischen den Beteiligten abzuschließenden Haustarifverträgen berücksichtigt werden.

Carsten Schuld:

Das Urteil des ArbG Bonn ist nach des Autoren rechtlich falsch und sollte Betriebsparteien, insbesondere Betriebsräten, nicht als Beispiel dienen.  Das ArbG Bonn wertet im streitigen Fall die Vereinbarung zur Arbeitszeit der tariflich nicht gebundenen Arbeitnehmer als Regelungsabrede. Es begründet dies damit, dass die Vereinbarung keine normative Wirkung entfalte. Die konkrete Regelung der Arbeitszeit müsse erst noch in den einzelnen Arbeitsverträgen umgesetzt werden.

Diese Unterscheidung ist für die Praxis untauglich. Das Bundesarbeitsgericht hat in anderen Fällen durchaus anerkannt, dass eine betriebliche Absprache auch dann tarifvertragswidrig sein kann, wenn sie erst einzelvertraglich umgesetzt werden muss. Dies ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Vereinbarung dazu dienen soll, möglichst viele Beschäftigte zu erfassen und eine andere Regelung zu schaffen als die tarifliche. Auch den Eingriff in die Koalitionsfreiheit verneint das ArbG Bonn zu Unrecht. Die Vereinbarung konkurrierender Normen, ganz besonders, wenn sie günstiger als die tariflichen sind, beeinträchtigt das Bemühen der Gewerkschaften, für Alle gleiche und gerechte Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Die Diskussion um die Tarifwidrigkeit solcher Abreden ist aber sehr theoretisch und soll hier nicht weiter ausgebreitet werden. Es muss aber davor gewarnt werden, in Entscheidungen wie dem Beschluss des ArbG Bonn ein Hintertürchen zu sehen. Durch die Bezeichnung „Regelungsabrede“ sind Arbeitgeber und Betriebsräte nicht davon befreit, den Tarifvorbehalt beachten zu müssen. Wenn eine tarifvertragswidrige Vereinbarung getroffen wird, droht ihr die Unwirksamkeit: Nachteilig betroffene Arbeitnehmer könnten dagegen klagen und Ärger mit der Gewerkschaft droht auch noch.