Das LAG erkennt einen Qualitätsunterschied zwischen Präsenzschulung und Webinar an.
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Das LAG erkennt einen Qualitätsunterschied zwischen Präsenzschulung und Webinar an. Copyright: @adobe Stock – Fokussiert

Arbeitgeberin ist hier eine Luftverkehrsgesellschaft. Bei ihr besteht eine Personalvertretung (PV Kabine), für deren Rechte das Betriebsverfassungsrecht gilt.

 

Die PV Kabine beschloss, zwei ihrer Mitglieder für eine Woche im August 2021 zur Schulung "Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam zu entsenden. Die Mitglieder wohnen im Rheinland, konnten aber per Flugzeug der Arbeitgeberin auf nicht von Kunden gebuchten Plätzen reisen.

 

Arbeitgeberin weigert sich, die Kosten zu tragen

 

Es verblieben Übernachtungs- und Verpflegungskosten von rund 1.300 €, die die Arbeitgeberin nicht tragen wollte. Die beiden Mitglieder der PV Kabine hätten an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt teilnehmen können, hieß es. Außerdem hätte es im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare gegeben.

 

PV Kabine musste sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen

 

Die PV Kabine hingegen wollte sich nicht auf ein Webinar verweisen lassen. Das musste sie auch nicht, entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG).

 

Arbeitgeber haben die Kosten zu tragen, die anlässlich der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 6 BetrVG entstanden sind. Voraussetzung ist, dass das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Das LAG bejahte hier die Erforderlichkeit.

 

PV Kabine hat bei der Seminarauswahl einen Spielraum, um die Qualität zu bewerten

 

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit habe die Personalvertretung zwar die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulung verbundenen finanziellen Belastungen der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings sei ihr bei der Seminarauswahl ein Beurteilungsspielraum zuzugestehen, so das LAG.

Nur, wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Ansicht der PV Kabine innerhalb dieses Beurteilungsspielraums als qualitativ gleichwertig anzusehen seien, komme es in Betracht, die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin auf die Kosten des preiswerteren Seminars zu beschränken.

 

Inhaltgleiches Webinar mit einer Präsenzveranstaltung qualitativ vergleichbar?

 

Die PV Kabine war der Meinung, dass der Lerneffekt im Rahmen einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar. Diese Einschätzung sei nicht zu beanstanden, sagt das LAG und halte sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums, der der Personalvertretung zustehe.

Ein Austausch und eine Diskussion über bestimmte Themen seien bei einem Webinar in weitaus schlechterem Maße möglich als bei einer Präsenzveranstaltung. Insoweit stelle sich das Webinar eher als "Frontalunterricht“ dar, was wohl auch daran liegen dürfe, dass die Hemmschwelle, sich online an Diskussionen zu beteiligen, weitaus höher sei, als bei einem Präsenzseminar.

 

Die PV Kabine durfte also die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für erforderlich halten und die Arbeitgeberin muss diese tragen.

Das sagen wir dazu:

Nicht selten müssen Arbeitnehmervertretungen um Kosten für Seminare streiten, da die Arbeitgeber die Erforderlichkeit der Fortbildung anzweifeln. Es müssten doch nicht gleich alle Mitglieder geschult werden, heißt es, oder das Thema sei so speziell, dass es nicht zum Basiswissen gehöre. In diesem Verfahren ging es nicht um die Inhalte, denn Betriebsverfassungsrecht gehört natürlich zu den Grundlagen. Die Arbeitgeberin wollte die PV Kabine dazu drängen, sich das Wissen online anzueignen. Ein Webinar ist günstiger als ein Seminar vor Ort und es fallen keine Kosten für die Übernachtung an. Doch die Kosten spielen zwar eine Rolle, sind aber nicht das A und O.

 

Es ist gut, dass es Angebote für Online-Veranstaltungen gibt, sei es wegen dem Corona-Virus oder auch aus Kostengründen. Viele Arbeitnehmer*innen nehmen gerne die Möglichkeit wahr, sich von zu Hause oder vom Arbeitsplatz aus fortbilden zu lassen. Allerdings wäre es verheerend, wenn Arbeitgeber ihre Betriebsräte immer dann auf ein Webinar verweisen könnten, wenn es zu dem Thema auch ein solches gibt. Denn es ist lebensnah, wenn das LAG einen Qualitätsunterschied zwischen Präsenzschulung und Webinar anerkennt.

 

Sozusagen als Notnagel hatte die Arbeitgeberin auf ortsnähere Seminare verwiesen. Dieses Argument konnte schon gar nicht ziehen, da die beiden Mitglieder der PV Kabine ja in Flugzeugen der Fluggesellschaft kostenlos gereist sind. 

Rechtliche Grundlagen

§ 37 Betriebsverfassungsgesetz

Ehrenamtliche Tätigkeit, Arbeitsversäumnis
(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
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(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
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