Was, wenn einer diesen Würfel nicht will? Copyright by Adobe Stock/Wolfilser
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Diese Problematik stellte sich bei einem Verein der 2. Fußball-Bundesliga.

Die Akteure

Der Fußballklub führt mit mehreren Arbeitgeberinnen einen Gemeinschaftsbetrieb. Dieser Betrieb hat einen elfköpfigen Betriebsrat.

Das Handeln der Akteure

Der Betriebsrat fasste den Beschluss, ein bestimmtes Mitglied für 20 Wochenstunden für Betriebsratstätigkeiten freizustellen. Der Gemeinschaftsbetrieb sprach sich gegen diese Freistellung aus, weil mit dem Mitglied intensive Gespräche wegen eines Aufhebungsvertrages liefen. Außerdem sei diese Person insbesondere für die Vorbereitung von Betriebsversammlungen, die Öffentlichkeitsarbeit sowie das Führen eines Fristenkalenders persönlich nicht geeignet.
Eine Einigung mit dem Betriebsrat war nicht möglich. Deshalb verlangte der Gemeinschaftsbetrieb die Einrichtung einer Einigungsstelle. Gleichzeitig schlug er den Richter am Arbeitsgericht Dr. B. als ihren Vorsitzenden vor.

Diesen Vorschlag lehnte der Betriebsrat ab, weil er Herrn Dr. B. nicht kenne. Stattdessen schlug der Betriebsrat die Richterin am Arbeitsgericht, Frau C. als Vorsitzende vor.
 
Der Gemeinschaftsbetrieb beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, Herrn
Dr. B. als Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen.
 

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Gemeinschaftsbetriebes statt. Hinsichtlich der Unparteilichkeit und Eignung des Herrn Dr. B. gebe es keine Bedenken. Das Argument, der Betriebsrat kenne Herrn Dr. B. nicht, führe zu keinem anderen Ergebnis. Man könne der Bestellung eines Vorsitzenden nicht allein mit dem Argument der Unbekanntheit begegnen.
Gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichtes legte der Betriebsrat Beschwerde beim Landesarbeitsgericht Hamburg ein.

Unterschiedliche Auffassungen anderer Landesarbeitsgerichte

Mit der Problematik, von welcher Qualität Ablehnungsgründe für einen Vorsitzenden der Einigungsstelle sein müssen, haben sich bereits mehrere Landesarbeitsgerichte beschäftigt.
Anknüpfungspunkt bei allen Entscheidungen ist, dass der/die ins Auge gefasste Vorsitzende die Gewähr für eine neutrale Verhandlungsführung und Entscheidungsfindung aufgrund seiner/ihrer Unparteilichkeit bietet. Daran sind auch die Anforderungen an Ablehnungsgründe zu messen.
Beispielsweise das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg vertritt die Auffassung, dass nur schlüssig nachvollziehbare, stichhaltige Gründe für die Ablehnung eines*r Vorsitzenden ausreichen.
Demgegenüber ist etwa das Landesarbeitsgericht Düsseldorf der Meinung, dass jede Ablehnung der Person eines*r Vorsitzenden  - also auch ein schlichtes „Nein“  - ausreiche.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg

Die Richter*innen des Landesarbeitsgerichts Hamburg schlagen sich auf die Seite ihrer Düsseldorfer Kolleg*innen.

Gegen die Auffassung, dass nur gewichtige Gründe zulässig seien, spreche, dass es so zu einem „Windhundrennen“ komme. Derjenige, der zuerst den Einsetzungsantrag stelle, erhalte einen entscheidenden strategischen Vorteil für die Besetzung der Position. Lägen keine gewichtigen Gründe vor, wäre die vorgeschlagene Person zu benennen. Die eventuell von der anderen Betriebspartei erst später vorgeschlagene Person hätte von vornherein überhaupt keine Chance mehr.

Das Landesarbeitsgericht Hamburg führt ein weiteres Argument an. Für die erfolgreiche Arbeit eines*r Vorsitzenden ist unerlässlich, dass er das Vertrauen beider Betriebsparteien genießt. Diese Voraussetzung wäre aber erheblich gefährdet, wenn sich eine Partei zunächst bemüht, „stichhaltige“ Gründe gegen eine*n Vorsitzende ins Feld zu führen, und damit  - gegebenenfalls vor dem Arbeitsgericht  - scheitert.

Beide Probleme sind nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Hamburg nur zu lösen, wenn ein schlichtes „Nein“ ausreicht, um die Bestellung einer Person zum/zur Vorsitzenden zu verhindern.

Das Ergebnis

Der Betriebsrat lehnte den Vorschlag des Gemeinschaftsbetriebes von vorneherein ab. Der Gemeinschaftsbetrieb seinerseits wandte sich erst im Beschwerdeverfahren vor dem Landesarbeitsgericht gegen den Vorschlag des Betriebsrates. Damit haben zu diesem Zeitpunkt beide Parteien „Nein“ gesagt. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht Hamburg eine eigene Ermessensentscheidung getroffen und eine dritte Person zum Vorsitzenden der Einigungsstelle benannt.

Ausblick

Bislang haben sich ausschließlich Landesarbeitsgerichte mit dieser Frage beschäftigt. Ob und gegebenenfalls wann sich das Bundesarbeitsgericht dazu äußert, ist derzeit nicht absehbar.

Weitere Artikel zum Thema „Einigungsstelle“

Zusätzliche Informationen finden Sie unter:
Wer kann Vorsitzende*r einer Einigungsstelle werden?

Die Einigungsstelle

Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 27. November 2019 – 5 TaBV 11/19

LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. September 2017 – 12 TaBV 7/1