Müssen Betriebsratsmitglieder Fahrgemeinschaften bilden? Copyright by Adobe Stock/Syda Productions
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Im Oktober 2015 nahmen zwei Betriebsratsmitglieder an einer Betriebsratsschulung teil. Beide fuhren mit ihren privaten Pkw um zum Schulungsort. Die Arbeitgeberin hielt es für zumutbar, dass die Betriebsratsmitglieder eine Fahrgemeinschaft bilden, zumal sie nur ca. 1,2 Kilometer voneinander entfernt wohnen. Sie erstattete jeweils nur die Hälfte der geltend gemachten Reisekosten. Ein Betriebsratsmitglied war damit nicht einverstanden und verklagte die Arbeitgeberin auf Erstattung der vollen Reisekosten. Weder das Arbeitsgericht Kassel, noch das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen erkannten einen Anspruch auf volle Reisekostenerstattung an. Gegen die Entscheidung des LAG legte der Kläger Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein.

Anspruch auf volle Reisekostenerstattung?

Auch das BAG kam zum gleichen Ergebnis wie die Vorinstanzen. Grundsätzlich, so die BAG-Richter*innen, seien Kosten anlässlich einer Schulungsteilnahme erstattungsfähig. Voraussetzung hierfür aber sei, dass für die Reise zur Schulung das kostengünstigste zumutbare Verkehrsmittel einzusetzen sei. Unter Zugrundlegung dieses Grundsatzes bestehe für das klagende Betriebsratsmitglied kein Anspruch auf volle Reisekostenerstattung.
 

BAG: Pflicht zur Bildung einer Fahrgemeinschaft bei Nutzung des privaten Pkw

In seiner Entscheidung führt das BAG aus, dass ein Betriebsratsmitglied nicht verpflichtet sei, seinen privaten Pkw zu nutzen. Entschließt er sich aber dazu und wird die Reise von mehreren Betriebsratsmitgliedern durchgeführt, müssen sie grundsätzlich eine Fahrgemeinschaft bilden. Von einer Ausnahme könne nur ausgegangen werden, wenn die Bildung einer Fahrgemeinschaft unzumutbar sei. Hierauf aber habe sich das Betriebsratsmitglied nicht berufen.
 

Unzumutbarkeit wegen Unfall-, Verletzungs- und Haftungsrisiken des Straßenverkehrs

Den Einwand des Klägers, dass die Bildung einer Fahrgemeinschaft wegen der allgemeinen Unfall-, Verletzungs- und Haftungsrisiken des Straßenverkehrs unzumutbar sei, ließ das BAG nicht gelten. Denn, so das Gericht, diesen Risiken setze sich ein Betriebsratsmitglied bereits dadurch aus, dass es sich für die Fahrt mit dem Pkw entscheide. Im Übrigen sei das Betriebsratsmitglied gegen diese Risiken versichert.

Auch weitere Unzumutbarkeitsgründe vermochten das BAG nicht zu überzeugen. Die Bildung einer Fahrgemeinschaft sei auch nicht deshalb unzumutbar, weil die Überprüfung der Verkehrssicherheit von privaten und unternehmerisch genutzten Fahrzeugen unterschiedlich ausgestaltet sei. Durch den gelegentlichen Einsatz des Privatfahrzeugs eines Arbeitnehmers für eine Fahrt im Geschäftsbereich des Arbeitgebers werde dies nicht zu einem unternehmerisch genutzten Fahrzeug. Mithin sei auch nicht von einer erhöhten Überprüfungspflicht auszugehen. Bei einer Fahrt zum Schulungsort im Rahmen einer Fahrgemeinschaft handele es sich nicht um eine professionelle Fahrgastbeförderung im Sinne der „Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr“. Mithin die Anforderungen an die persönliche Eignung des Fahrzeugführers, die bei der professionellen Fahrgastbeförderung gestellt werden, für Fahrten von Betriebsratsmitgliedern in Privatfahrzeugen zu Schulungsveranstaltungen, keine Anwendung finden.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 24.10.2018 - Az: 7 ABR 23/17 -

Rechtliche Grundlagen

§ 48 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung)

(1) Einer zusätzlichen Erlaubnis (Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung) bedarf, wer einen Krankenkraftwagen führt, wenn in dem Fahrzeug entgeltlich oder geschäftsmäßig Fahrgäste befördert werden, oder wer ein Kraftfahrzeug führt, wenn in dem Fahrzeug Fahrgäste befördert werden und für diese Beförderung eine Genehmigung nach dem Personenbeförderungsgesetz erforderlich ist.
(2) Der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedarf es nicht für

1.
Krankenkraftwagen der Bundeswehr, der Bundespolizei, der Polizei sowie der Truppe und des zivilen Gefolges der anderen Vertragsstaaten des Nordatlantikpaktes,
2.
Krankenkraftwagen des Katastrophenschutzes, wenn sie für dessen Zweck verwendet werden,
3.
Krankenkraftwagen der Feuerwehren und der nach Landesrecht anerkannten Rettungsdienste,
4.
Kraftfahrzeuge, mit Ausnahme von Taxen, wenn der Kraftfahrzeugführer im Besitz der Klasse D oder D1 ist.

(3) Die Erlaubnis ist durch einen Führerschein nach Muster 4 der Anlage 8 nachzuweisen (Führerschein zur Fahrgastbeförderung). Er ist bei der Fahrgastbeförderung neben der nach einem ab dem 1. Januar 1999 aufgrund der Fahrerlaubnis-Verordnung in der jeweils geltenden Fassung zu verwendenden Muster ausgestellten EU- oder EWR-Fahrerlaubnis mitzuführen und zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen.
(4) Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung ist zu erteilen, wenn der Bewerber

1.
die nach § 6 für das Führen des Fahrzeugs erforderliche EU- oder EWR-Fahrerlaubnis besitzt,
2.
das 21. Lebensjahr – bei Beschränkung der Fahrerlaubnis auf Krankenkraftwagen das 19. Lebensjahr – vollendet hat,
2a.
durch Vorlage eines nach Maßgabe des § 30 Absatz 5 Satz 1 des Bundeszentralregistergesetzes ausgestellten Führungszeugnisses und durch eine auf Kosten des Antragstellers eingeholte aktuelle Auskunft aus dem Fahreignungsregister nachweist, dass er die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird,
3.
seine geistige und körperliche Eignung gemäß § 11 Absatz 9 in Verbindung mit Anlage 5 nachweist,
4.
nachweist, dass er die Anforderungen an das Sehvermögen gemäß § 12 Absatz 6 in Verbindung mit Anlage 6 Nummer 2 erfüllt,
5.
nachweist, dass er eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis der Klasse B oder eine entsprechende Fahrerlaubnis aus einem in Anlage 11 aufgeführten Staat seit mindestens zwei Jahren – bei Beschränkung der Fahrerlaubnis auf Krankenkraftwagen seit mindestens einem Jahr – besitzt oder innerhalb der letzten fünf Jahre besessen hat,
6.
– falls die Erlaubnis für Krankenkraftwagen gelten soll – einen Nachweis über die Teilnahme an einer Schulung in Erster Hilfe nach § 19 beibringt und
7.
– falls die Erlaubnis für Taxen gelten soll – in einer Prüfung nachweist, dass er die erforderlichen Ortskenntnisse in dem Gebiet besitzt, in dem Beförderungspflicht besteht. Der Nachweis kann durch eine Bescheinigung einer geeigneten Stelle geführt werden, die die zuständige oberste Landesbehörde, die von ihr bestimmte Stelle oder die nach Landesrecht zuständige Stelle bestimmt. Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Ortskundeprüfung auch selbst durchführen.

(5) Die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung wird für eine Dauer von nicht mehr als fünf Jahren erteilt. Sie wird auf Antrag des Inhabers jeweils bis zu fünf Jahren verlängert, wenn

1.
er seine geistige und körperliche Eignung gemäß § 11 Absatz 9 in Verbindung mit Anlage 5 nachweist,
2.
er nachweist, dass er die Anforderungen an das Sehvermögen gemäß § 12 Absatz 6 in Verbindung mit Anlage 6 Nummer 2 erfüllt und
3.
er durch Vorlage der Unterlagen nach Absatz 4 Nummer 2a nachweist, dass er die Gewähr dafür bietet, dass er der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen gerecht wird.

(6) Wird ein Taxiführer in einem anderen Gebiet tätig als in demjenigen, für das er die erforderlichen Ortskenntnisse nachgewiesen hat, muss er diese Kenntnisse für das andere Gebiet nachweisen.
(7) Die §§ 21, 22 und 24 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 und 3 sind entsprechend anzuwenden. Die Verlängerung der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung kann nur dann über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus erfolgen, wenn der Antragsteller zusätzlich seine Eignung nach Maßgabe der Anlage 5 Nummer 2 nachweist.
(8) Der Halter eines Fahrzeugs darf die Fahrgastbeförderung nicht anordnen oder zulassen, wenn der Führer des Fahrzeugs die erforderliche Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung nicht besitzt oder die erforderlichen Ortskenntnisse nicht nachgewiesen hat.
(9) Begründen Tatsachen Zweifel an der körperlichen und geistigen Eignung des Fahrerlaubnisinhabers oder an der Gewähr der besonderen Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen des Inhabers einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung, finden die §§ 11 bis 14 entsprechende Anwendung. Auf Verlangen der Fahrerlaubnisbehörde hat der Inhaber der Erlaubnis seine Ortskenntnisse erneut nachzuweisen, wenn Tatsachen Zweifel begründen, ob er diese Kenntnisse noch besitzt. Bestehen Bedenken an der Gewähr für die besondere Verantwortung bei der Beförderung von Fahrgästen, kann von der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet werden.
(10) Die Erlaubnis ist von der Fahrerlaubnisbehörde zu entziehen, wenn eine der aus Absatz 4 ersichtlichen Voraussetzungen fehlt. Die Erlaubnis erlischt mit der Entziehung sowie mit der Entziehung der in Absatz 4 Nummer 1 genannten Fahrerlaubnis. § 47 Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden.