Kandidat*innen bei der Wahl zum Betriebsrat sind bereits geschützt. Copyright by New Africa/Fotolia
Kandidat*innen bei der Wahl zum Betriebsrat sind bereits geschützt. Copyright by New Africa/Fotolia

Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich in seinem Beschluss vom 25. Januar 2019 mit dem Kündigungsschutz für Wahlbewerber beschäftigt. 

Arbeitgeberin möchte einem Wahlbewerber kündigen

Die Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen, das Obst, Gemüse und Blumen verlädt und verkauft. Im März 2018 wollte die Belegschaft erstmals einen Betriebsrat wählen.
Unter anderen stellte sich ein Arbeitnehmer, der als Kommissionierer tätig war, zur Wahl.

Kündigungsschutz für Betriebsräte

Möchte ein Arbeitgeber einem Mitglied des Betriebsrats kündigen, muss er zunächst die Zustimmung des Betriebsratsgremiums einholen. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.

Kündigungsschutz für Wahlbewerber

Bei einer erstmaligen Wahl eines Betriebsrats gibt es (zunächst) kein Gremium, dessen Zustimmung der Arbeitgeber einholen könnte. Deshalb besteht nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes die Möglichkeit, die Zustimmung zur Kündigung direkt beim Arbeitsgericht zu beantragen.

Arbeitgeber macht von dieser Möglichkeit Gebrauch

Der Arbeitgeber war der Ansicht, der Kommissionierer habe die Arbeit verweigert und einen Kollegen beleidigt. Deshalb wollte er vor Abschluss der Betriebsratswahl eine außerordentliche fristlose Kündigung aussprechen. Da es noch keinen Betriebsrat gab, beantragte er beim Arbeitsgericht die Zustimmung zur Kündigung.
Lediglich hilfsweise stellte er den Antrag, die Zustimmung des Betriebsrates zur Kündigung zu ersetzen.

Betriebsrat konstituiert sich

Während des Verfahrens, in dem es um die Zustimmungserteilung durch das Arbeitsgericht ging, wählten die Mitarbeiter einen Betriebsrat. Auch die konstituierende Sitzung des neu gewählten Betriebsrates fand statt, bevor das Zustimmungserteilungsverfahren abgeschlossen war.
Dessen ungeachtet hielt der Arbeitgeber an seinem Hauptantrag fest, das Arbeitsgericht solle die Zustimmung zur Kündigung erteilen.

Zulässigkeit des Antrags

Zunächst einmal  - so das Landesarbeitsgericht  - sei der Antrag des Arbeitgebers zulässig gewesen. Das habe sich aber spätestens mit der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Betriebsrates geändert. Ab diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsgericht nicht mehr befugt gewesen, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen. Denn wenn ein Betriebsrat existiert, muss er nach dem Betriebsverfassungsgesetz die Gelegenheit haben, darüber zu entscheiden, ob er der Kündigung zustimmt oder nicht. Das Arbeitsgericht könne nicht als „Ersatzbetriebsrat“ fungieren.
Das Festhalten des Arbeitgebers an seinem Hauptantrag auf Erteilung der Zustimmung durch das Arbeitsgericht führt also dazu, dass dieser Antrag in dem Moment unzulässig wird, in dem sich der neue Betriebsrat konstituiert.
Aus diesem Grund hat das Landesarbeitsgericht die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt.

Wenn ein Betriebsrat existiert, muss er zustimmen

Der Arbeitgeber hätte, statt an seinem Antrag auf Erteilung der Zustimmung festzuhalten, beim Betriebsrat die Zustimmung zur Kündigung einholen müssen.
Hätte der Betriebsrat zugestimmt, wäre das Verfahren zur Erteilung der Zustimmung erledigt gewesen. Hätte der Betriebsrat seine Zustimmung verweigert, hätte der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht beantragen können, die Zustimmung zu ersetzen.
Da der Arbeitgeber den Betriebsrat aber nicht um die Zustimmung zur Kündigung gebeten hatte, greift der Kündigungsschutz für den Kommissionierer.

Der Hilfsantrag

Auch sein Hilfsantrag, die Zustimmung des Betriebsrates zu ersetzen, rettet den Arbeitgeber nicht. Er kann dies nur dann verlangen, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung vorher verweigert hat. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrates aber gar nicht beantragt. Deshalb lag auch keine verweigerte Zustimmung des Betriebsrates vor, die das Arbeitsgericht hätte ersetzen können.
 
Hier finden Sie den vollständigen Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25.1.2019, 9 TaBV 117/18

Rechtliche Grundlagen

§ 15 Kündigungsschutzgesetz, § 103Betriebsverfassungsgesetz

Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
§ 15 Unzulässigkeit der Kündigung
(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung oder Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.


Betriebsverfassungsgesetz
§ 103 Außerordentliche Kündigung und Versetzung in besonderen Fällen
(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.