Die Verletzung des Neutralitätsgebotes und der Friedenspflicht durch den Betriebsrat begründet keinen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers. Dieser kann bei derartigen Pflichtverletzungen aber die Auflösung des Betriebsrats beantragen.

Eine tarifgebundene Arbeitgeberin befand sich 2009 im Arbeitskampf über den Abschluss eines neuen Entgelttarifvertrages für das Verbandsgebiet. Die Arbeitgeberin wurde drei Tage im Juli bestreikt. In dieser Zeit verfasste der Betriebsrat mehrere Rundbriefe, die er im Betrieb verteilte und auch per E-Mail an die Mitarbeiter verschickte.  

Die Arbeitgeberin ging gerichtlich gegen den Betriebsrat vor. Sie machte einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat geltend und warf ihm in mehreren Fällen die Verletzung der Neutralitäts- und der Friedenspflicht gemäß § 74 BetrVG vor. Die Arbeitgeberin scheiterte mit sämtlichen Unterlassungsanträgen, mit denen sie das Ziel verfolgte, dem Betriebsrat zu untersagen, sich in einer bestimmten Weise zu äußern.

Der Betriebsrat sollte es unterlassen, die Gewerkschaft ver.di durch Veröffentlichungen im Zusammenhang mit den Arbeitskampfmaßnahmen zu unterstützen und Kampfmaßnahmen zu kommentieren. Weiterhin sollte der Betriebsrat keine gewerkschaftlichen Arbeitskampfmaßnahmen mit innerbetrieblichen Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung in Verbindung bringen und sich in einer Weise kritisch über den Arbeitgeber äußern, die mit einer Diffamierung des Arbeitgebers verbunden ist.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf kam jedoch den hilfsweise gestellten Feststellungsanträgen teilweise nach.

Die Verletzung des parteipolitischen Neutralitätsgebotes durch den Betriebsrat begründe keinen Anspruch aus § 74 BetrVG, so das LAG, da dieser keine Regelung für einen Unterlassungsanspruch trifft. Damit unterscheide sich die Vorschrift von anderen Bestimmungen, die Unterlassungsansprüche normieren, wie § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB.

Allerdings begründe § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG für den Arbeitgeber das Recht, bei derartigen Pflichtverletzungen eine Auflösung des Betriebsrats zu beantragen. Der in der gleichen Norm geregelte Unterlassungsanspruch verbunden mit der Vollstreckung in Absatz 3, berechtigt den Betriebsrat gegenüber dem Arbeitgeber, nicht umgekehrt. Da der Betriebsrat vermögenslos ist, komme eine Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Ordnungsgeld nicht in Betracht.

Auch die Unterlassungsanträge gegen die einzelnen Betriebsratsmitglieder blieben erfolglos. Nach Ansicht des LAG ändere der Vortrag der Arbeitgeberin, die Mitglieder hätten sich von den Veröffentlichungen des Betriebsrats nicht distanziert, nichts an dieser Beurteilung. Der Betriebsrat entscheidet über sein Verhalten nach dem Mehrheitsprinzip gemäß § 33 BetrVG, und deshalb seien die Veröffentlichungen allein dem Gremium zuzurechnen.

Nach Auffassung der Beschwerdekammer verstößt der Betriebsrat jedoch mit der Äußerung seines Dankes an die Belegschaft wegen der Unterstützung des Streiks gegen die Friedenspflicht und das Neutralitätsgebot. Der Betriebsrat habe sich als Organ jeder Tätigkeit im Arbeitskampf zu enthalten. Er dürfe insbesondere keinen Streik unterstützen, oder die Belegschaft zu einer Beteiligung auffordern. Ein sachlicher Bericht über eine tarifliche Auseinandersetzung sei jedoch erlaubt. Nicht tragbar sei hingegen die Anmerkung im Anschluss an die Berichterstattung über die Urabstimmung: "PS.: Solltet ihr noch Fragen und Informationsbedarf haben, ruft uns einfach an. Vieles lässt sich so schnell klären". Dies könne nur so verstanden werden, dass der Betriebsrat die Gewerkschaft bei der konkreten Vorbereitung einer Maßnahme unterstütze.

Carsten Schuld:

Der Betriebsrat hat das Beschlussverfahren formal gewonnen.  Der Arbeitgeber hat keine Möglichkeit, einen Unterlassungsanspruch gegen den Betriebsrat durchzubringen.  Dies gilt auch, wenn das Neutralitätsgebot und die Friedenspflicht durch den Betriebsrat verletzt werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Betriebsrat in einem rechtsfreien Raum agiert.

Die betriebliche Mitbestimmung den Betriebsräten, den Arbeitskampf den Gewerkschaften. Der Betriebsrat als Organ muss sich im Arbeitskampf zurück halten. Dies gilt natürlich nicht für die einzelnen Betriebsratsmitglieder in ihrer Arbeitnehmereigenschaft. Die Unterstützung eines gewerkschaftlichen Streiks oder sogar die Organisation eines eigenen „wilden“ Streiks sind dem Betriebsrat untersagt. Er darf auch nicht die Belegschaft zur Teilnahme an einem gewerkschaftlich organisierten Streik aufrufen oder Maßnahmen zur Unterstützung ergreifen. Nur die Information der Belegschaft über tarifliche Auseinandersetzungen und den Stand der Verhandlungen kommt dem Betriebsrat zu, beispielsweise auf Betriebsversammlungen.

Der Betriebsrat hat  im vorliegenden Fall durchaus gegen seine Pflichten verstoßen. Ein Unterlassungsanspruch kommt aber aus formalen Gründen nicht in Betracht. § 23 Abs. 3 BetrVG gibt dem Betriebsrat normiere bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten einen Unterlassungsanspruch. Einen entsprechenden Anspruch des Arbeitgebers gibt es aber gerade nicht. Da der Betriebsrat vermögenslos ist und als Gremium handelt, können Unterlassungsansprüche gegenüber dem Betriebsrat auch weder durch Strafgelder noch durch Zwangshaft durchgesetzt werden.

Aber Achtung! Der Arbeitgeber hat ein noch schärferes Schwert: Bei groben Verstößen gegen das BetrVG kann der Arbeitgeber die Auflösung des Gremiums bei Gericht beantragen und gegebenenfalls auch durchsetzen.