Der Rauswurf eines Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ist nicht ganz einfach. © Adobe Stock: Prazis Images
Der Rauswurf eines Betriebsratsvorsitzenden aus dem Betriebsrat ist nicht ganz einfach. © Adobe Stock: Prazis Images

Gegen mehrere Abmahnungen klagte der Betriebsratsvorsitzende schon vor dem Arbeitsgericht. Robert Witt vom DGB Rechtsschutzbüro Oldenburg vertrat ihn in diesen Verfahren. Kammertermin zur Verhandlung darüber hatte das Arbeitsgericht für den 4. Mai angesetzt, nachdem im Februar ein Gütetermin gescheitert war. Für den Kammertermin meldete sich der Betroffene per E-Mail bei seinem Vorgesetzen und der Personalabteilung ab. Die E-Mails enthielten den Hinweis, er werde die Arbeit zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins verlassen bzw. unterbrechen. Im Zeiterfassungssystem stempelte er sich nicht aus.

 

Nach dem Gerichtstermin teilte er ebenfalls per Mail mit, dass er wieder zurück sei und seine Betriebsratsarbeit aufnehme.

 

§ 37 Abs. 2 BetrVG ermöglicht eine Befreiung von der Arbeit

 

In § 37 Abs. 2 BetrVG heißt es:

 

Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.

 

Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, der Mann habe seine Pflichten als Betriebsrat grob verletzt und sei aus dem Betriebsrat auszuschließen. Das beantragte er dann auch beim Arbeitsgericht.

 

Unter dem ausdrücklichen Vorwand von Betriebsratstätigkeit habe er zwei private Termine in einem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren wahrgenommen, das er als Kläger gegen den Arbeitgeber führe. Dies habe er als vergütungspflichtige Arbeitszeit erfasst, obwohl er in beiden Fällen keinen Anspruch als Betriebsratsmitglied auf bezahlte Befreiung von seiner Arbeitspflicht gehabt hätte. Die Individualrechtsstreitigkeit hätte er als Arbeitnehmer geführt. Trotzdem habe er sich bei seinen unmittelbaren Vorgesetzten unter Hinweis auf Betriebsratstätigkeit abgemeldet.

 

Dem Betriebsratsvorsitzenden warf der Arbeitgeber Täuschung vor

 

Mit diesem Verhalten habe der Mitarbeiter den Eindruck erweckt, er gehe in der besagten Zeit tatsächlich seiner Betriebsratstätigkeit nach. Dieser Eindruck sei durch den Inhalt einer der Mails noch verstärkt worden; denn er habe dort mitgeteilt, dass er sich nach der Mittagspause „weiterhin" seiner „Betriebsratsarbeit" widmen werde.

 

Dies sei nicht das erste Mal gewesen, dass der Mann den Arbeitgeber über seine vorgebliche Betriebsratstätigkeit habe täuschen wollen. Bereits im Februar sei es zu einem gleichgelagerten Vorfall gekommen. Er habe schon damals nicht zwischen BR-Arbeit und seinen privaten Gerichtsterminen am Arbeitsgericht Oldenburg differenziert. Vielmehr habe er jeweils seine volle Arbeitszeit an beiden Tagen erfasst, die die Grundlage für die Abrechnung und Zahlung seiner monatlichen Vergütung für seine Tätigkeit bilde.

 

Vertreten vom Rechtsschutzbüro Oldenburg bestritt der Mann eine Täuschungsabsicht.

 

Das Ausschlussverfahren regelt § 23 BetrVG

 

Nach § 23 Abs. 1 BetrVG hat unter anderem der Arbeitgeber die Möglichkeit, in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Verletzung der gesetzlichen Pflichten zu beantragen. Das kann zum Ausschluss des Betriebsratsmitglieds führen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsausübung des Betriebsratsmitglieds untragbar erscheint.

 

Ob ein Pflichtverstoß grob ist, beurteilt sich danach, ob die Pflichtverletzung objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist. Dies kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betrieblichen Gegebenheiten und des Anlasses der Pflichtverletzung beurteilt werden, entschied das Arbeitsgericht Oldenburg im Fall des Betriebsratsvorsitzenden.

 

Nur die aktuelle Wahlperiode zählt

 

Zum Ausschluss aus dem Betriebsrat könnten nur Pflichtverletzungen führen, die in der aktuellen Wahlperiode begangen wurden. Beim Betroffenen handele es sich aber um Vorwürfe betreffend den Monat Februar. Diese resultierten aus der vergangenen Wahlperiode.

 

Ein fehlerhaftes Verhalten am 4. Mai könne das Gericht ebenfalls nicht ohne weiteres feststellen. Die in den E-Mails verwendeten Formulierungen ließen nicht allein den Schluss auf die vom Arbeitgeber vorgenommene Deutung zu. Selbst wenn zu dessen Gunsten unterstellt werde, die E-Mails hätten nur dergestalt verstanden werden können, dass sich der Betriebsratsvorsitzende für Betriebsratstätigkeit abmeldete, um in dieser Zeit privat einen Gerichtstermin wahrzunehmen, würde dieser Pflichtenverstoß noch nicht das Verlangen begründen, ihn aus dem Betriebsrat zu entfernen. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls könne dem Mann allenfalls Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

 

Die Unterbrechung der Arbeit war angezeigt

 

Mit seinen Mails habe der Betriebsratsvorsitzende lediglich eine Unterbrechung seiner Arbeit angezeigt. Zwar habe er die Signatur der Mails als Betriebsratsvorsitzender unglücklich gewählt. Insgesamt habe der Mann damit aber nicht zwangsläufig den Eindruck erwecken können, dass der arbeitsgerichtliche Termin eine betriebsratsbezogene Tätigkeit darstelle.

 

Aus den Erklärungswerten der E-Mails sei nicht zu schließen, der Kläger habe eine Täuschung des Arbeitgebers beabsichtigt bzw. billigend in Kauf genommen. Es sei schon nicht erkennbar, welche falschen Angaben er bewusst vorgespiegelt haben solle. Die Personalabteilung habe durch die an sie gerichteten E-Mails keiner Täuschung unterliegen können. Der Gerichtstermin sei ihr bekannt gewesen. Der Geschäftsführer habe auch eine persönliche Ladung zu dem Kammertermin erhalten.

 

Unklarheit ist keine Täuschung

 

Nach Auffassung der Kammer konnte dem Betriebsratsvorsitzenden daher allenfalls eine mehrdeutige bzw. unklare Formulierung seiner E-Mails vorgeworfen werden. Ein hieraus resultierendes Missverständnis auf Seiten des Arbeitgebers hätte sich durch einen einfachen Anruf des Arbeitgebers in der Personalabteilung vermeiden lassen. Die gewählte Vorgehensweise führe nicht zur Annahme eines groben Pflichtenverstoßes. Der Betroffene habe sein Verhalten von Beginn an nicht auf Heimlichkeit angelegt, sondern gegenüber seinem Vorgesetzten wie auch der Personalabteilung offen kommunizieren wollen, zu welchem Zweck er das Betriebsgelände verlässt.

 

Soweit dem Vorsitzenden vorgeworfen werde, er habe für den 4. Mai regulär gestempelt, seine Arbeitszeit also für den Tag voll in Ansatz gebracht und keine Abzüge wegen der Wahrnehmung seiner privaten Gerichtstermine gemacht, sei nicht erkennbar, dass es sich hierbei um die Verletzung einer gesetzlichen Pflicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz handele.

 

Die Pflicht die Arbeitszeit korrekt zu erfassen und zu dokumentieren sei grundsätzlich eine sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht, die nicht ohne weiteres einen Grund zur Amtsenthebung darstelle, sondern individualrechtlich zu sanktionieren sei.

 

Weiterer Ärger scheint vorprogrammiert

 

Der Arbeitgeber möchte wohl einfach keinen aktiven Betriebsrat im Unternehmen haben und überzieht seinen Vorsitzenden mit Kündigungen, Zustimmungsersetzungen, Hausverboten, Abmahnungen, Amtsenthebungsverfahren, Tatbestandsberichtigungen, Strafanzeigen. Er schreckt sogar vor Gewaltschutzsachen nicht zurück. So berichtet es uns Robert Witt aus dem Rechtsschutzbüro Oldenburg.

 

Verlorene Verfahren betreibt der Arbeitgeber vor dem Landesarbeitsgericht weiter. Die Staatsanwaltschaft soll mittlerweile aufgrund einer Anzeige der IG Metall wegen Behinderung der Betriebsratsarbeit gegen den Arbeitgeber ermitteln.

 

 

Bleibt zu hoffen, dass der Arbeitgeber irgendwann ein Einsehen dahingehend hat, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat auch für ihn vorteilhaft sein kann.

 

 

Das sagen wir dazu:

Die IG Metall ist mit dem Fall inzwischen an die Öffentlichkeit gegangen. Die Delegiertenversammlung der IG Metall Oldenburg und der IG Metall Wilhelmshaven setzte am 24. Juni 2023 ein geschlossenes Zeichen gegen Angriffe auf Betriebsräte (Union Busting) und das Verweigern von Tarifverträgen. Sie trat damit dem Union Busting beim Arbeitgeber des Klägers aus diesem Verfahren entschlossen entgegen.

 

Gemeinsam hatten die Delegierten rund 1.000 € gesammelt, um das Betriebsratsmitglied bei der Abwehr der andauernden Angriffe seines Arbeitgebers zu unterstützen. Ein starkes Zeichen für die Solidarität im Betrieb.

 

Lesen Sie hier die Medienmitteilung der IG Metall Oldenburg vom 24. Juni 2023

Rechtliche Grundlagen

§ 23 BetrVG

§ 23 Verletzung gesetzlicher Pflichten

Mindestens ein Viertel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, der Arbeitgeber oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft können beim Arbeitsgericht den Ausschluss eines Mitglieds aus dem Betriebsrat oder die Auflösung des Betriebsrats wegen grober Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten beantragen. Der Ausschluss eines Mitglieds kann auch vom Betriebsrat beantragt werden.