Die Arbeitgeberin betreibt einen Gastronomiebetrieb, in dem regelmäßig Musik- und Tanzveranstaltungen stattfinden. Im Betrieb sind regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer/innen beschäftigt. Bei den Beschäftigten der Arbeitgeberin handelt es sich zum weitaus überwiegenden Teil um geringfügig beschäftigte Teilzeitkräfte, insbesondere Schüler und Studenten. Im Betrieb der Arbeitgeberin gab es bislang keinen Betriebsrat.
Disko-Mitarbeiter wollen Betriebsrat gründen
Am 19.10.2010 luden drei Arbeitnehmer mit einem Aushang an zwei Stellen im Betrieb zu einer Betriebsversammlung ein. Die Versammlung sollte am 31.10.2010 um 19.45 Uhr in den Betriebsräumlichkeiten stattfinden. Ziel der Versammlung war, über eine Betriebsratswahl zu sprechen und einen Wahlvorstand zu bestellen.
Mit einer E-Mail vom gleichen Tag bat die Arbeitgeberin die Initiatoren, den Termin der Betriebsversammlung zu verschieben, da er in die Vorbereitungsphase der Halloween-Party fiel.
Nachdem einer der Unterzeichner des Aushangs der Arbeitgeberin mitgeteilt hatte, die Änderung des Termins für die Betriebsversammlung müsse zunächst abgestimmt werden, teilten die Initiatoren der Arbeitgeberin mit, dass der Termin für die Betriebsversammlung vom 31.10.2010 auf 18.00 Uhr vorverlegt worden sei.
Terminverschiebung wegen Halloween-Party
In den schriftlichen Aushängen wurde daraufhin handschriftlich die Uhrzeit geändert. Wie deutlich die Änderung vorgenommen worden ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Parallel zu den beiden Aushängen der Einladung baten die Initiatoren einen Mitarbeiter, das Einladungsschreiben per E-Mail an alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu versenden, soweit dieser über E-Mail-Adressen verfügte.
Dieser Bitte kam der Mitarbeiter R1 sowohl für die ursprüngliche Einladung vom 19.10.2010 als auch für die in der Uhrzeit geänderte Einladung nach, soweit er über E-Mail-Adressen verfügte. Ob alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin von der für den 31.10.2010 geplanten Betriebsversammlung und der geänderten Uhrzeit Kenntnis nehmen konnten, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Mitarbeiter wurden per Aushang und per E-Mail informiert
Die E-Mails waren nach Angaben der Arbeitgeberin an 56 Adressen gegangen.Ob alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin von der für den 31.10.2010 geplanten Betriebsversammlung und der geänderten Uhrzeit Kenntnis nehmen konnten, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Betriebsversammlung wurde am 31.10.2010 abgehalten. Zu Beginn der Betriebsversammlung waren 43 Personen erschienen. Eine Teilnehmerin war nicht Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin, sondern freie Mitarbeiterin.
Am 11. und 12.03.2011 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin ein siebenköpfiger Betriebsrat gewählt. 16 Tage später beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht Bielefeld, die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl festzustellen. Das ArbG Bielefeld gab dem Anfechtungsantrag statt und erklärte die Betriebsratswahl für unwirksam.
Betriebsratswahl ist unwirksam
Das LAG Hamm bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Betriebsratswahl sei anfechtbar, weil die Arbeitnehmer des Betriebs schon zu der Betriebsversammlung nicht ordnungsgemäß eingeladen worden waren.
Die Einladung zur Wahl des Wahlvorstandes auf einer Betriebsversammlung muss allen Arbeitnehmern so bekannt gemacht werden, dass sie von der Wahlversammlung, ihrem Ort und ihrer Zeit Kenntnis nehmen können. Dies kann durch einen Aushang und/oder mit der im Betrieb vorhandenen Informations- und Kommunikationstechnik geschehen.
Keine ordnungsgemäße Einladung
Bei allen Varianten der Einladung müssen die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, von der Einladung Kenntnis zu nehmen. In einem Betrieb mit einer Betriebsstätte und einer täglichen persönlichen Regelarbeitszeit aller Arbeitnehmer ist die Einhaltung einer Einladungsfrist von einer Woche dafür in der Regel ausreichend.
Zwar haben die Initiatoren für die Betriebsversammlung vom 31.10.2010 die Einladung durch sichtbare Aushänge an zwei Stellen im Betrieb vorgenommen. Zusätzlich ist etwa die Hälfte der Mitarbeiter der Arbeitgeberin durch E-Mail über die am 31.10.2011 stattfindende Betriebsversammlung informiert worden.
Das habe aber nicht ausgereicht um sicherzustellen, dass alle Arbeitnehmer von der vorverlegten Betriebsversammlung erfahren. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Betriebes der Arbeitgeberin, in dem eine Vielzahl von Mitarbeitern ihre Leistungen lediglich im 14-tägigen Arbeitsrhythmus erbringen.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 22/2015 vom 30.10.2015.
Links:
Das sagen wir dazu:
Nicht entmutigen lassen!
Eins vorweg, eine hundertprozentig den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Betriebsratswahl ist selten. Dies sollte aber niemanden entmutigen, Betriebsratswahlen durchzuführen. Nur gravierende Fehler führen zur Nichtigkeit der Wahl mit der Wirkung, dass von Anfang an kein rechtsgültiger Betriebsrat bestanden hat.
Wird die Wahl angefochten, bleibt der Betriebsrat bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichtes über die Anfechtung im Amt. Sämtliche seiner gefassten Beschlüsse behalten ihre Gültigkeit.
Die BR-Wahl beim Diskobetreiber war anfechtbar
Ein Anfechtungsgrund liegt vor, wenn gegen wesentlichen Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und durch den Verstoß das Wahlergebnis geändert oder beeinflusst worden ist.
Im vorliegenden Fall war nicht einmal sichergestellt, dass alle Beschäftigen von der geänderten Uhrzeit Kenntnis erlangt haben und dies bei ca. 50 % der Mitarbeiter.
Insoweit muss davon ausgegangen werden, dass bereits die Bestellung des Wahlvorstandes anders hätte ausfallen können. Daher muss dem Gericht Recht gegeben werden, dass ein Anfechtungsgrund vorliegt.
Bestellung des Wahlvorstands ist erster Knackpunkt
Es gibt Arbeitgeber, die Betriebsräte verhindern wollen. Sie verweisen häufig darauf, dass eine Betriebsversammlung zur Bestellung des Wahlvorstandes den Betriebsablauf dermaßen stören würde, so dass es zu Produktionsausfällen kommt, diese einhergehend mit einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung.
Daher meinen diese Arbeitgeber, dass man Teilbetriebsversammlungen abhalten könne, um einen Wahlvorstand zu bestellen.
Betriebsversammlung und Wahlversammlung
Die Arbeitgeber verkennen dabei die Besonderheit einer Betriebsversammlung in Ausgestaltung einer Wahlversammlung. Richtig ist zwar, dass die §§ 42 ff. BetrVG auch auf die Wahlversammlung Anwendung finden.
Ziel einer Betriebsversammlung ist die Information der Belegschaft durch den Betriebsrat und den Arbeitgeber, sowie die Diskussion der Belegschaft.
Dagegen besteht der Zweck einer Wahlversammlung nach § 17 BetrVG darin, den Arbeitnehmern in einem betriebsratslosen Betrieb die Wahl eines Wahlvorstandes in einer einheitlichen Wahl zu ermöglichen. Dieses Ziel kann nicht wirksam durch Teilbetriebsversammlungen erreicht werden. Man hätte dann ggfls. mehrere Wahlvorstände.
Rechtzeitige Abstimmung von Ort und Zeit ist sinnvoll
Wie eingangs gesagt, niemand sollte sich entmutigen oder einschüchtern lassen, eine Betriebsratswahl in Angriff zu nehmen.
Dieser Fall zeigt, dass eine Abstimmung mit dem Arbeitgeber im Hinblick auf Zeit und gegebenenfalls Ort sinnvoll sein kann. Dann kann sich der Arbeitgeber später kaum darauf berufen, dass die Zeit ungünstig ist oder der Versammlungsraum dringend für betriebliche Zwecke benötigt wird.
Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da der Arbeitgeber spätestens mit dem Aushang Kenntnis von der Einleitung einer Betriebsratswahl erlangt. Hier muss niemand Angst haben. Insbesondere sollte sich niemand unter Druck setzen lassen.
Rechtliche Grundlagen
§ 17 BetrVG
[...]
(2) Besteht weder ein Gesamtbetriebsrat noch ein Konzernbetriebsrat, so wird in einer Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer ein Wahlvorstand gewählt; § 16 Abs. 1 gilt entsprechend. Gleiches gilt, wenn der Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat die Bestellung des Wahlvorstands nach Absatz 1 unterlässt.
(3) Zu dieser Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstands machen.
Das sagen wir dazu