Ohne die Schwerbehindertenvertretung läuft nichts. Copyright by  kamasigns/Adobe Stock
Ohne die Schwerbehindertenvertretung läuft nichts. Copyright by kamasigns/Adobe Stock

Der Kläger ist als Straßenwärter bei einem Landkreis beschäftigt. Er ist zwar nicht Schwerbehinderter, aber mit einem Grad der Behinderung von 40 einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Bewerber erhielt den Zuschlag

Als sein Arbeitgeber die Stelle eines Kolonnenführers ausschrieb, bewarb er sich darauf. Der Kläger nahm an einem Bewerbungsgespräch teil – aber allein. Der Arbeitgeber hatte die Schwerbehindertenvertretung weder von der Bewerbung des Klägers informiert, noch zu diesem Gespräch geladen. Er wusste aber, dass der Kläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist.

Obwohl der Kläger alle Fragen korrekt beantwortete, erhielt er nach einiger Zeit von seinem Arbeitgeber eine Absage. Außerdem erfuhr er, dass ein anderer Bewerber, der nicht behindert ist, die Stelle als Kolonnenführer erhalten hatte.

Das wollte sich der Kläger, der für die Stelle ebenso geeignet war wie sein Mitbewerber, nicht gefallen lassen. Er sah in dem Verhalten seines Arbeitgebers einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot und verlangte von ihm deshalb eine Entschädigung.

Das lehnte der Arbeitgeber ab. Daher zog der Kläger mithilfe der DGB Rechtsschutz GmbH Dresden vor das Arbeitsgericht. Und er bekam Recht.

Schwerbehindertenvertretung hat Recht auf Einsicht in die Bewerbungsunterlagen und auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen

Das Arbeitsgericht Dresden wies darauf hin, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Die Schwerbehindertenvertretung habe die gesetzliche Pflicht, einen Schwerbehinderten oder gleichgestellten behinderten Menschen vor Benachteiligungen zu schützen. Das gelte nicht nur bei Einstellungen, sondern auch dann, wenn sich der/die betroffene Arbeitnehmer/in auf eine Beförderungsstelle bewirbt.

Die Schwerbehindertenvertretung habe in diesem Fall nicht nur das Recht, die Bewerbungsunterlagen einzusehen, sondern könne auch an den Bewerbungsgesprächen mit dem/der Schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Mitarbeiter teilnehmen. Sie dürfe auch an den Bewerbergesprächen mit den nicht behinderten Bewerbern teilzunehmen, da sie nur so die Möglichkeit habe, die Bewerber zu vergleichen.

Wenn dies alles, so das Arbeitsgericht, wie in diesem Verfahren nicht geschehen sei, sei der Arbeitgeber seinem gesetzlichen Auftrag, für den Schwerbehinderten Chancengleichheit zu bieten, nicht nachgekommen. Es liege zumindest ein Indiz dafür vor, dass der Kläger wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde.

Arbeitgeber trägt Beweislast, dass eine Benachteiligung nicht vorliegt

Dem beklagten Landkreis half es auch nicht, darauf hinzuweisen, dass der andere Bewerber seiner Meinung nach besser als Kläger geeignet war. Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließe eine Benachteiligung nicht aus, so das  eindeutige Urteil des Arbeitsgerichts.

Denn die gesetzliche Regelung sieht vor, dass der Arbeitgeber auch dann eine Entschädigung zahlen muss, wenn der/die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Auf diese Weise soll das Recht des schwerbehinderten Menschen auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren geschützt werden.

Ergebnis: Der behinderte Kläger hat zwar nicht den Arbeitsplatz bekommen, den er wollte. Er kann sich aber immerhin über eine Entschädigung von fast 10.000 € freuen.

Das sagen wir dazu:

Es ist sehr erfreulich, dass das Arbeitsgericht Dresden die Position der Schwerbehindertenvertretung und damit auch der Schwerbehinderten) durch seine Entscheidung gestärkt hat. Bei vielen Arbeitgebern hat sich die Erkenntnis noch nicht durchgesetzt, dass die Schwerbehindertenvertretungen  über die Chancengleichheit von Schwerbehinderten zu wachen haben und daher auch zu Einstellungsgesprächen mit dem/der Schwerbehinderten einzuladen sind.

Wer – wie der beklagte Landkreis in diesem Verfahren -das nur als unnötige Förmelei ansieht, wird zu Recht zur Kasse gebeten.

Das gilt aber nur, wenn der Arbeitgeber über die Schwerbehinderung oder Gleichstellung informiert ist. Auch in diesem Verfahren hat sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt gestellt, von der Gleichstellung des Klägers nichts gewusst zu haben.

Allerdings konnte ihm das Gegenteil nachgewiesen werden. Es empfiehlt sich daher immer, den Arbeitgeber am besten schriftlich zu informieren

Entschädigung wegen Diskriminierung eines Schwerbehinderten - DGB Rechtsschutz GmbH

Schwerbehindertenvertretung muss ordnungsgemäß beteiligt werden - DGB Rechtsschutz GmbH

Ohne Schwerbehindertenvertretung geht nichts mehr - DGB Rechtsschutz GmbH

Rechtliche Grundlagen

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 15 Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.


Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB IX)
§ 178 Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung
(1) Die Schwerbehindertenvertretung fördert die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Sie erfüllt ihre Aufgaben insbesondere dadurch, dass sie

1.
darüber wacht, dass die zugunsten schwerbehinderter Menschen geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und Verwaltungsanordnungen durchgeführt, insbesondere auch die dem Arbeitgeber nach den §§ 154, 155 und 164 bis 167 obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden,
2.
Maßnahmen, die den schwerbehinderten Menschen dienen, insbesondere auch präventive Maßnahmen, bei den zuständigen Stellen beantragt,
3.
Anregungen und Beschwerden von schwerbehinderten Menschen entgegennimmt und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlung mit dem Arbeitgeber auf eine Erledigung hinwirkt; sie unterrichtet die schwerbehinderten Menschen über den Stand und das Ergebnis der Verhandlungen.

Die Schwerbehindertenvertretung unterstützt Beschäftigte auch bei Anträgen an die nach § 152 Absatz 1 zuständigen Behörden auf Feststellung einer Behinderung, ihres Grades und einer Schwerbehinderung sowie bei Anträgen auf Gleichstellung an die Agentur für Arbeit. In Betrieben und Dienststellen mit in der Regel mehr als 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann sie nach Unterrichtung des Arbeitgebers das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranziehen. Ab jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen kann jeweils auch das mit der nächsthöheren Stimmenzahl gewählte Mitglied herangezogen werden. Die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben schließt die Abstimmung untereinander ein.
(2) Der Arbeitgeber hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden. Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung nach Satz 1 ausspricht, ist unwirksam. Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht auf Beteiligung am Verfahren nach § 164 Absatz 1 und beim Vorliegen von Vermittlungsvorschlägen der Bundesagentur für Arbeit nach § 164 Absatz 1 oder von Bewerbungen schwerbehinderter Menschen das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.
(3) Der schwerbehinderte Mensch hat das Recht, bei Einsicht in die über ihn geführte Personalakte oder ihn betreffende Daten des Arbeitgebers die Schwerbehindertenvertretung hinzuzuziehen. Die Schwerbehindertenvertretung bewahrt über den Inhalt der Daten Stillschweigen, soweit sie der schwerbehinderte Mensch nicht von dieser Verpflichtung entbunden hat.
(4) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, an allen Sitzungen des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates und deren Ausschüssen sowie des Arbeitsschutzausschusses beratend teilzunehmen; sie kann beantragen, Angelegenheiten, die einzelne oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe besonders betreffen, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechts über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend. Durch die Aussetzung wird eine Frist nicht verlängert. In den Fällen des § 21e Absatz 1 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes ist die Schwerbehindertenvertretung, außer in Eilfällen, auf Antrag einer betroffenen schwerbehinderten Richterin oder eines schwerbehinderten Richters vor dem Präsidium des Gerichtes zu hören.
(5) Die Schwerbehindertenvertretung wird zu Besprechungen nach § 74 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, § 66 Absatz 1 des Bundespersonalvertretungsgesetzes sowie den entsprechenden Vorschriften des sonstigen Personalvertretungsrechts zwischen dem Arbeitgeber und den in Absatz 4 genannten Vertretungen hinzugezogen.
(6) Die Schwerbehindertenvertretung hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderjahr eine Versammlung schwerbehinderter Menschen im Betrieb oder in der Dienststelle durchzuführen. Die für Betriebs- und Personalversammlungen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.
(7) Sind in einer Angelegenheit sowohl die Schwerbehindertenvertretung der Richter und Richterinnen als auch die Schwerbehindertenvertretung der übrigen Bediensteten beteiligt, so handeln sie gemeinsam.
(8) Die Schwerbehindertenvertretung kann an Betriebs- und Personalversammlungen in Betrieben und Dienststellen teilnehmen, für die sie als Schwerbehindertenvertretung zuständig ist, und hat dort ein Rederecht, auch wenn die Mitglieder der Schwerbehindertenvertretung nicht Angehörige des Betriebes oder der Dienststelle sind