Die Einigungsstelle ist nicht befugt, im Rahmen eines streitigen Spruchs Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats dergestalt zu erweitern, dass die Arbeitgeberin verpflichtet wird, zur Grundlage von Personalbeurteilungen Stellenbeschreibungen anzufertigen.

Welcher Sachverhalt lag dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts zu Grunde?

Die Antrag stellende Arbeitgeberin betreibt eine Rehabilitationsklinik, die zu einer Firmengruppe gehört. Antragsgegner ist der bei ihr gebildete Betriebsrat.

Nachdem es der Betriebsrat abgelehnt hatte, eine im Konzern bestehende Konzernbetriebsvereinbarung „Mitarbeitergespräche“ auch für den Betrieb der Arbeitgeberin zu übernehmen, kam es zu Verhandlungen über eine eigene Betriebsvereinbarung. Diese sollte auf Wunsch der Arbeitgeberin auch das Thema „Personalbeurteilung“ umfassen.

Nach erfolglosen Gesprächen wurde auf Antrag der Arbeitgeberin eine Einigungsstelle „Jahresmitarbeitergespräche und Personalbeurteilung“ eingesetzt. Nachdem die Einigungsbemühungen endgültig gescheitert waren, verkündete der Vorsitzende einen Spruch, der eine Betriebsvereinbarung „Mitarbeitergespräche und Personalbeurteilung“ zum Inhalt hatte. Hierin wurde die Arbeitgeberin verpflichtet, zur  Grundlage von Personalbeurteilungen Stellenbeschreibungen anzufertigen.

Die Arbeitgeberin meint, sie sei hierzu nicht verpflichtet; bereits nach den Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes gäbe es keine, auch noch mitbestimmungspflichtige Pflicht dahingehende.

Wie hat das Landesarbeitsgericht entschieden?


Das LAG Düsseldorf gab der Arbeitgeberin recht. Die Einigungsstelle hat die ihr zugewiesenen Kompetenzen überschritten, weil sie die Arbeitgeberin verpflichtet, Stellenbeschreibungen anzufertigen. Hierzu ist sie aber - auch und gerade nach den Rechtsgrundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes - gerade nicht verpflichtet. Darüber hinaus unterfällt die Anfertigung von Stellenbeschreibungen auch nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Ein derartiges Mitbestimmungsrecht ergibt sich zunächst nicht aus § 94 Abs. 2 BetrVG. Die dort angesprochenen allgemeinen Beurteilungsgrundsätze sind Regelungen, die die Bewertung des Verhaltens oder der Leistung eines Arbeitnehmers verobjektivieren und nach einheitlichen Kriterien ausrichten sollen. Ob sie dazu verwendet werden sollen oder ob eine Beurteilung auf anderen Kriterien aufbauen soll, ist dann zu entscheiden, wenn Beurteilungsgrundsätze vereinbart werden sollen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats schon bei der Erstellung der Funktionsbeschreibung als möglicher Grundlage einer Leistungsbeurteilung gewährt § 94 Abs. 2 BetrVG aber gerade nicht.

Ein derartiges Mitbestimmungsrecht folgt auch nicht aus § 95 BetrVG. Soweit in den Funktions- oder Stellenbeschreibungen auch Anforderungsprofile enthalten sein sollten, hat das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach entschieden, dass diese keine Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG sind und deshalb deren Erstellung nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegt.

Besteht hiernach kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Herstellung und/oder Ausgestaltung von Funktions- und Stellenbeschreibungen, so muss dies erst recht dann gelten, wenn es um die Entscheidung des Arbeitgebers geht, ob er überhaupt Stellenbeschreibungen anfertigen will.


Bettina Fraunhoffer LL.M.
Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:


Die Einigungsstelle ist eine Einrichtung des Mitbestimmungsrechts im Betrieb, mit der Streitigkeiten über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zeitnah und gerecht gelöst werden sollen. Nach § 76 Abs. 1 BetrVG kann zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat bei Bedarf eine Einigungsstelle gebildet werden. Auch aufgrund des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nach § 2 Abs. 1 BetrVG sind nach § 74 Abs. 2 BetrVG  innerbetriebliche Arbeitskampfe zwischen beiden Betriebspartnern untersagt. Es gibt jedoch die Möglichkeit erzwingbare und freiwillige Einigungsstellenverfahren durchzuführen (§ 76 Abs. 5 und 6 BetrVG) und so seine Forderung als Betriebsrat geltend zu machen und zum Abschluss eine Betriebsvereinbarung zu kommen. Das ist dann möglich, wenn es im BetrVG sinn- gemäß heißt “kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle”.
Dem Ergebnis der Einigungsstelle der sog. Einigungsstellenspruch, hier eine Betriebsvereinbarung, sind jedoch Grenzen gesetzt. So darf die Einigungsstelle die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht über die Rechte ausweiten, die ihm nach dem BetrVG zustehen. Dies hat auch das BAG schon im Rahmen von Prämienlohn 2011 und schon zuvor entschieden.
Es sollte daher darauf geachtet werden, ob man sich im Einigungsstellenverfahren noch im Rahmen des BetrVG bewegt. Natürlich nicht ausgeschlossen sind bei Streitigkeiten, die nicht dem zwingenden Mitbestimmungsrecht unterliegen, mit dem Arbeitgeber gem. § 88 BetrVG auf freiwilliger Basis eine einvernehmliche Regelung zu treffen, die, anders als durch Einigungsspruch,  dann auch die Rechte des Betriebsrats über den zugewiesenen BetrVG Bereich erweitern kann. Auch durch Tarifvertrag kann eine Erweiterung von Mitbestimmungsrechten erfolgt sein, so dass man oftmals ein Blick ins Tarifwerk neue Möglichkeiten eröffnet (Bsp.: Reisekostenordnung).

Beschluss des LAG Düsseldorf vom 23.05.2012, 5 TaBV 2/12