Auch Betriebsräte möchten an der beruflichen Fortentwicklung teilhaben. Sie haben deshalb einen Anspruch auf Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer. Copyright by Adobe Stock/kuroji
Auch Betriebsräte möchten an der beruflichen Fortentwicklung teilhaben. Sie haben deshalb einen Anspruch auf Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer. Copyright by Adobe Stock/kuroji

Die Klägerin, nennen wir sie Isolde, arbeitete fast 20 Jahre im Betrieb ihres Arbeitgebers. Ursprünglich hatte dieser sie als Bürokauffrau eingestellt. Die Beschäftigten wählten sie kurz darauf in den Betriebsrat. Dort wurde sie später Vorsitzende und der Arbeitgeber stellte sie von der Arbeit frei. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete Isolde nur noch als Bürohilfskraft in der Produktionsplanung. Sie behielt zwar ihre Vergütung, der Arbeitgeber erhöhte diese jedoch über viele Jahre hinweg nicht.
 

Der Arbeitgeber verweigerte Isolde die Auskunft

Isolde hatte allerdings die Vermutung, dass unter anderem zwei Beschäftigte des Unternehmens, die sie selbst vor ihrer Freistellung noch eingearbeitet hatte, inzwischen mehr bekommen als sie selbst. Sie fragte daraufhin beim Arbeitgeber an, erhielt aber keine Auskunft.
 
Isolde meinte, dass der Arbeitgeber den beiden außerdem weitere Zulagen zahlte. Da sie als Betriebsratsmitglied nicht benachteiligt werden dürfe, müsse ihr Arbeitgeber ihr Auskunft darüber erteilen, wieviel Geld diese beiden Kollegen erhalten. Erst wenn sie deren Vergütung kenne, könne sie ihren eigenen Vergütungsanspruch ausrechnen, um ihn dann gegebenenfalls einklagen zu können.
 

Anne-Sibyll Gebhardt aus Ludwigshafen klagte den Anspruch von Isolde ein

Isolde wandte sich deshalb an Anne-Sibyll Gebhardt vom DGB Rechtsschutzbüro Ludwigshafen. Diese klagte Isoldes Anspruch auf Erteilung einer Auskunft beim Arbeitsgericht Mainz ein. Isolde bekam dort nun Recht.
 
Das Arbeitsgericht stützte sich in seinem Urteil auf eine Vorschrift des Betriebsverfassungsgesetzes, nach der das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrates nicht unter demjenigen vergleichbarer Arbeitnehmer*innen liegen darf. Der Arbeitgeber müsse bei der Vergütung die betriebsübliche berufliche Entwicklung berücksichtigen. Das verpflichte den Arbeitgeber, das Arbeitsentgelt des Betriebsratsmitglieds laufend an das Entgelt vergleichbarer Arbeitnehmer anzupassen.
 

Es kommt auf den Zeitpunkt der Wahl an

Maßgeblich für den Vergleich sei der Zeitpunkt, in dem das Betriebsratsmitgliedes erstmalig gewählt worden ist. Das sei die Zeit, in dem sich das Betriebsratsmitglied noch ohne das Amt ausschließlich seiner beruflichen Tätigkeit widmete.
 
Bezogen auf Isolde müsse der Arbeitgeber deshalb eine fiktive Betrachtung anstellen, welches Gehalt diese heute bezöge, wäre sie nicht vor vielen Jahren in den Betriebsrat gewählt worden. Isolde könne sich dabei auf die von ihr genannten Kollegen beziehen.
 
Isolde habe nämlich zum Zeitpunkt ihrer Wahl als Bürokauffrau gearbeitet. Die beiden von ihr genannten Kollegen seien ein Industriekaufmann und ein Chemikant gewesen. Beide hätten Ausbildungen abgeschlossen, die nicht von vorneherein höherwertigen seien als derjenige von Isolde.
 

Isoldes Leistungsvermögen entsprach demjenigen der Kollegen

Isolde habe beide eingearbeitet. Das rechtfertige den Schluss, dass diese auch nach ihrem tatsächlichen Leistungsvermögen den beiden Kollegen gleichzustellen sei.
 
In dieser Situation hätte der Arbeitgeber die Pflicht gehabt, darzulegen, inwiefern eine andere Berufserfahrung dazu geführt haben könnte, dass Isolde im Verhältnis zu den beiden genannten Kollegen nur über eine geringere Qualifikation verfüge.
 

Betriebsratsmitglieder dürfen finanziell nicht benachteiligt werden

Das Betriebsverfassungsgesetz wolle verhindern, dass ein Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder finanziell benachteilige. Auch in Unternehmen, die an sich gegenüber Betriebsräten positiv eingestellt seien und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit diesem pflegten, drohe eine solche Benachteiligung.
 
Die zeitliche Inanspruchnahme durch das Ehrenamt des Betriebsrates könne nämlich dazu führen, dass Betriebsratsmitglieder die Möglichkeiten einer beruflichen Weiterentwicklung nicht ausschöpften. Deshalb stelle das Gesetz auch maßgeblich auf die Weiterentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer ab.
 

Der Arbeitgeber muss die betriebsübliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer beachten

Das Betriebsratsmitglied müsse aber keineswegs selbst im Einzelnen darlegen, wie seine berufliche Entwicklung verlaufen wäre, wenn es nicht in den Betriebsrat gewählt worden wäre. Es komme vielmehr darauf an, welche Arbeitnehmer mit den Betriebsratsmitglied vergleichbar sind. Der Arbeitgeber müsse ebenso die betriebsübliche Entwicklung beachten.
 
Isolde habe im Verfahren beschrieben, dass der Arbeitgeber ihre beiden Kollegen in die nächsthöhere Entgeltgruppe heraufgruppiert habe, ohne dass sie die Stelle gewechselt hätten.
 
Sie habe in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass dies betriebsübliche sei. Das sei ausreichend. Mehr müsse sie im Verfahren nicht vortragen.
 

Der Arbeitgeber bestritt die Zahlung von Zulagen nicht

In dieser Situation wäre es gegebenenfalls Sache des Arbeitgebers gewesen, darauf hinzuweisen, dass die berufliche Entwicklung der benannten Mitarbeiter doch nicht betriebsüblich gewesen ist. Gleiches gelte für die Zulagen, die Isolde im Verfahren angesprochen habe. Der Arbeitgeber habe nicht bestritten, solche Zulagen zu zahlen.
 
Deshalb habe Isolde nicht nur den Anspruch darauf, zu erfahren, in welche exakte Vergütungsgruppe ihre Kollegen eingruppiert seien. Der Arbeitgeber müsse sie außerdem darüber informieren, ob und gegebenenfalls welche Zulagen er zusätzlich zahle.
 

Der Arbeitgeber schloss sich dem Urteil des Arbeitsgerichts an

Ausgehend davon könne Isolde dann ihren gesamten Vergütungsanspruch berechnen. Ihr Arbeitgeber müsse ihr den offenen Betrag nachzahlen und sie für die Zukunft auch entsprechend eingruppieren.
 
Genau das ist zwischenzeitlich geschehen. Der Arbeitgeber hat Isolde die notwendigen Auskünfte erteilt und zwischenzeitlich das ausstehende Geld auch angewiesen. Schön, wenn so etwas möglich ist, ohne die Betriebsräten durch den Weg der Instanzen zu zwingen.
 
Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 23. September 2020

BAG, Urteil vom 22. Januar 2020

Das sagen wir dazu:

Auch wenn Betriebsrat und Arbeitgeber vertrauensvoll zusammenarbeiten: die Vergütung im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Teilhabe an der beruflichen Fortentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer macht durchaus Schwierigkeiten. Die konkreten Zahlen sind Betriebsräten meist nicht bekannt. Arbeitgebern fällt es im Hinblick auf datenschutzrechtliche Bestimmungen schwer, Zahlungen an vergleichbare Arbeitnehmer offenzulegen.

Bundesarbeitsgericht betätigt Auskunftsanspruch

Auch das Bundesarbeitsgericht hat sich damit kürzlich befasst. In seinem Urteil vom Januar 2020 stellte es ausdrücklich einen Anspruch von Betriebsratsmitgliedern fest, Auskunft über die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer zu erhalten.

Es bekräftigte dabei, dass der Arbeitgeber die Vergütung zum Zeitpunkt der Übernahme des Mandats heranziehen muss. Auf das Datum der Freistellung kommt es demzufolge nicht an. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann den Arbeitgeber nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auch unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen.

Einfaches Bestreiten durch den Arbeitgeber genügt nicht

Das ist gut so. Auch das Arbeitsgericht Mainz hat sich erfreulich klar und deutlich mit der Beweislast der Betriebsrätin im Verfahren befasst. Betriebsratsmitglieder werden zwar regelmäßig im Falle von Höhergruppierungen beteiligt, ihnen sind jedoch keineswegs alle Zahlungen an die Beschäftigten im Detail bekannt.

Um jedweder finanziellen Benachteiligung von Betriebsräten entgegenzuwirken, muss deshalb klar sein, dass es kein großes taktisches Geplänkel geben darf. Haben Betriebsräte Hinweise auf eine Benachteiligung, müssen Arbeitgeber für Auskünfte zur Verfügung stehen und dürfen die Behauptungen der Betriebsräte nicht einfach nur bestreiten.

Rechtliche Grundlagen

§ 37 IV BetrVG

(1) Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt.
(2) Mitglieder des Betriebsrats sind von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
(3) Zum Ausgleich für Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist, hat das Betriebsratsmitglied Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Betriebsbedingte Gründe liegen auch vor, wenn die Betriebsratstätigkeit wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten der Betriebsratsmitglieder nicht innerhalb der persönlichen Arbeitszeit erfolgen kann. Die Arbeitsbefreiung ist vor Ablauf eines Monats zu gewähren; ist dies aus betriebsbedingten Gründen nicht möglich, so ist die aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten.
(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.
(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.
(6) Die Absätze 2 und 3 gelten entsprechend für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, soweit diese Kenntnisse vermitteln, die für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind. Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Der Betriebsrat hat bei der Festlegung der zeitlichen Lage der Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen. Er hat dem Arbeitgeber die Teilnahme und die zeitliche Lage der Schulungs- und Bildungsveranstaltungen rechtzeitig bekannt zu geben. Hält der Arbeitgeber die betrieblichen Notwendigkeiten für nicht ausreichend berücksichtigt, so kann er die Einigungsstelle anrufen. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
(7) Unbeschadet der Vorschrift des Absatzes 6 hat jedes Mitglied des Betriebsrats während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung für insgesamt drei Wochen zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die von der zuständigen obersten Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände als geeignet anerkannt sind. Der Anspruch nach Satz 1 erhöht sich für Arbeitnehmer, die erstmals das Amt eines Betriebsratsmitglieds übernehmen und auch nicht zuvor Jugend- und Auszubildendenvertreter waren, auf vier Wochen. Absatz 6 Satz 2 bis 6 findet Anwendung.