Die Postbank Filialvertrieb AG und die Postbank Filial GmbH (Arbeitgeberin) führen für den Bereich Stuttgart mit insgesamt 86 Filialen, der sich räumlich über Teile von Baden-Württemberg und Bayern erstreckt, einen Gemeinschaftsbetrieb, in welchem ein örtlicher Betriebsrat gebildet ist. Zum Thema Gesundheitsschutz/Raumklima bildeten die Betriebspartner eine Einigungsstelle.

Einigungsstelle zur temperaturgerechten Kleidung

Diese Einigungsstelle entschied, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Kältebelastungen in den Arbeitsräumen von unter 17 Grad berechtigt sind, an die Dienstkleidung angepasste Pullover oder Westen zu tragen. Bei Raumtemperaturen über 30 Grad sollen die Mitarbeiter berechtigt sein, auf das Tragen von Krawatten zu verzichten.

Unternehmensweit besteht zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Unternehmensbekleidung, die die Mitarbeiter zum Tragen im Einzelnen vorgeschriebener Unternehmensbekleidung verpflichtet. Zu einer kompletten Unternehmensbekleidung gehört mindestens Hemd/Bluse sowie Hose/Rock und Krawatte.

Postbank will unternehmensweit einheitliche Kleiderordnung

Die Arbeitgeberin focht den Spruch der Einigungsstelle beim Arbeitsgericht an. Sie begehrte die Feststellung, dass die oben benannte Regelung zur Berechtigung zum Tragen von Pullovern und das Lockern der Krawatten unwirksam sei. Sie meinte, der Betriebsrat habe auch im Rahmen des Gesundheitsschutzes keine Regelungszuständigkeit über Unternehmensbekleidung. Diese stehe ausschließlich dem Gesamtbetriebsrat zu.

Das Arbeitsgericht entsprach dem Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 28.05.2015. Hiergegen legte der Betriebsrat Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ein. Der Gesamtbetriebsrat wurde am Verfahren beteiligt. 

Gesamtbetriebsvereinbarung hat keinen Vorrang

Die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht - LAG - hat die Entscheidung des Arbeitsgerichts aufgehoben und die Anträge der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Denn nach Auffassung des Gerichts haben sowohl der örtliche als auch der Gesamtbetriebsrat innerhalb ihrer Mitbestimmungsrechte gehandelt.

Das LAG geht davon aus, dass der Gesamtbetriebsrat für die Frage der einheitlichen Unternehmensbekleidung zuständig war. Es handelt sich um eine Frage der betrieblichen Ordnung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, die für das Unternehmen einheitlich geregelt werden muss.

Allerdings ist das LAG auch der Auffassung, dass der örtlichen Betriebsrat eine eigene Regelungszuständigkeit hat: Das Vorgehen bei zu hohen oder niedrigen Raumtemperaturen ist eine Frage des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, § 87 Abs. 1 Nr. 7 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG.

Beide Betriebsratsgremien haben Mitbestimmungsrechte

Das LAG sieht darin, anders als das Arbeitsgericht und die Bank, keinen Anwendungsfall des so genannten Grundsatzes der Zuständigkeitstrennung. Dieser würde dazu führen, dass im Unternehmen nur ein Gremium für einen Mitbestimmungstatbestand des BetrVG zuständig sein kann.

Vielmehr handelt sich um zwei verschiedene Mitbestimmungsrechte, die sich lediglich in dem kleinen Teilbereich »Arbeitsbekleidung« überschneiden. Solche Überschneidungen sind aber hinzunehmen, zumal der örtliche Betriebsrat die einheitliche Bekleidungsordnung im Unternehmen nicht in Frage stellt. 

Allerdings hat das LAG die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen, so dass auch noch eine höchstrichterliche Entscheidung der Krawattenfrage - hoffentlich bis zum Sommer - möglich ist.

Anmerkung

Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in sozialen Angelegenheiten sind in § 87 BetrVG abschließend aufgezählt. Dies bedeutet, was dort nicht erwähnt wurde, kann nur Gegenstand einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein.


Im vorliegenden Fall musste zunächst die Zuständigkeit geklärt werden. Liegt diese beim örtlichen Betriebsrat oder beim Gesamtbetriebsrat (GBR)? § 50 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG - sagt dazu, dass der GBR zuständig ist, für die Behandlung von Angelegenheiten, die das ganze Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die örtlichen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.

Für Dienstkleidung ist der Gesamtbetriebsrat zuständig

Zur einheitlichen Dienstkleidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) bezüglich des Bodenpersonals an verschiedenen Flughäfen entschieden, dass es sich um die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates handelt (BAG v. 17.01.2012 - 1 ABR 45/10). 

Zweck der Bekleidungsvorschrift in diesem Fall war, das Bodenpersonal gegenüber Fluggästen und dem Personal anderer Fluggesellschaften zu unterscheiden. Mithin ist in derartigen Fällen der Bereich Kleidung Sache des Gesamtbetriebsrates.

Über Gesundheitsschutz muss vor Ort entschieden werden

Was ist nun aber mit dem Gesundheitsschutz aus § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG? Dann ist grundsätzlich der örtliche Betriebsrat zuständig. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um unternehmenseinheitlich ausgestattete Arbeitsplätze handelt (BAG 08.06.2004, 1 ABR 4/03). Bei Hitze, Kälte, Lärm sind die örtlichen Gegebenheiten ausschlaggebend. Diese können an den jeweiligen Standorten komplett unterschiedlich sein.

Der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ist zuzustimmen. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG diese bestätigt. Auch wenn der Wunsch des Arbeitgebers nach einer einheitlichen Außendarstellung nachvollziehbar ist, so doch nicht um jeden Preis. Die Vorgabe, auch bei Kälte nur in Hemd und Bluse und bei Hitze nur mit Krawatte zu erscheinen, ist übertrieben.
(Dieser Artikel ist zuerst erschienen in: „AiB-Newsletter, Rechtsprechung für den Betriebsrat“ des Bund-Verlags, Ausgabe 20 vom 13. November 2015)

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