Die Pflicht zur Ausschreibung von Arbeitsplätzen hängt nicht davon ab, ob und für welche Zeit der Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll, da der Normzweck von §93a BetrVG auch darin liegt, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren.


Welcher Sachverhalt lag dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts zu Grunde?


Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Ausschreibung
von Arbeitsplätzen, die vorübergehend mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen.

Für den Betrieb der Arbeitgeberin gilt die Betriebsvereinbarung "Stellenausschreibungen". Deren Ziffer 2 lautet: "Jeder neue oder freiwerdende Arbeits- und Ausbildungsplatz ist innerhalb des Betriebs auszuschreiben. …"

Im Jahr 2010 stellte die Arbeitgeberin für drei Monate eine Vielzahl von Leiharbeitnehmern befristet ein, um die Produktion zu sichern. Die entsprechenden Stellen hatte sie zuvor nicht innerbetrieblich ausgeschrieben. Aus diesem Grund verweigerte der Betriebsrat in zahlreichen Fällen die von der Arbeitgeberin beantragte Zustimmung zur Einstellung. Er meint, ihm stehe ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zu, denn die Arbeitgeberin habe gegen die Betriebsvereinbarung verstoßen, indem sie Leiharbeitnehmer ohne vorherige interne Stellenausschreibung eingestellt hat. Ein Unterlassungsanspruch folge zudem aus § 23 Abs. 3 BetrVG. Die unterbliebene Ausschreibung der mit den Leiharbeitnehmern besetzten Arbeitsplätze sei ein grober Verstoß im Sinne dieser Vorschrift.

Wie hat das Landesarbeitsgericht entschieden?


Das LAG Schleswig-Holstein gab dem Betriebsrat Recht.

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Pflicht zur Ausschreibung jedoch nicht bereits aus der Betriebsvereinbarung "Stellenausschreibung". Bei dieser handelt es sich um eine freiwillige Betriebsvereinbarung (§ 88 BetrVG), die nicht die Ausschreibungspflicht, sondern das einzuhaltende Ausschreibungsverfahren regelt. Die Betriebsvereinbarung greift somit nur die durch das Ausschreibungsverlangen begründete Pflicht zur Stellenausschreibung auf.

Der Betriebsrat kann aber nach § 93 BetrVG verlangen, dass die Arbeitgeberin sämtliche Arbeitsplätze ausschreibt, die sie mit Leiharbeitnehmern – wenn auch nur kurzfristig – zu besetzen beabsichtigt.

Mit Beschluss vom 01.02.2011 hat das Bundesarbeitsgerichts entschieden (1 ABR 79/09), dass die Ausschreibungspflicht nach § 93 BetrVG auch für Arbeitsplätze besteht, die der Arbeitgeber dauerhaft mit Leiharbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt. Die Frage, ob der Betriebsrat nach § 93 BetrVG gleichermaßen die Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangen kann, die nur kurzzeitig mit Leiharbeitnehmern besetzt werden sollen, musste der Senat in dem genannten Beschluss nicht entscheiden. Die Beschwerdekammer bejaht aber die Frage.

Denn die Dauer des Einsatzes des Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb ist nicht entscheidend. Maßgebend ist, dass zu den nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustimmungspflichtigen Einstellungen auch der Einsatz von Leiharbeitnehmern im Entleiherbetrieb gehört. Ob eine mitbestimmungspflichtige Einstellung vorliegt, hängt nicht davon ab, dass sie für kürzere oder längere Zeit erfolgen soll.

Die Beschwerdekammer sieht (auch) im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion von § 93 BetrVG als nicht gegeben an. Die Pflicht zur Ausschreibung hängt nicht davon ab, ob und für welche Zeit der Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll.

Der Normzweck des § 93 BetrVG liegt u. a. darin, den innerbetrieblichen Arbeitsmarkt zu aktivieren. Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin kann dieses Ziel auch erreicht werden, wenn Stellen innerbetrieblich ausgeschrieben werden, die die Arbeitgeberin (nur) vorübergehend mit Leiharbeitnehmern besetzen will.

Aber selbst wenn mit der Arbeitgeberin davon ausgegangen wird, dass bei nur kurzfristigem Einsatz von Leiharbeitnehmern sich der innerbetriebliche Stellenmarkt durch die innerbetriebliche Ausschreibung kaum aktivieren lässt, bleibt das daneben von § 93BetrVG verfolgte Normziel einer erhöhten Transparenz von innerbetrieblichen Vorgängen unberührt. Aus Sicht der Belegschaft spielt es keine Rolle, wie lange die Person im Betrieb verweilt und ob sie arbeitsvertraglich an den Arbeitgeber gebunden ist oder den Arbeitsplatz als Leiharbeitnehmer besetzt.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Das Gericht hat exakt zwischen der Betriebsvereinbarung „Stellenausschreibung“ und der Ausschreibungspflicht aus § 93 BetrVG unterschieden.
Während die Betriebsvereinbarung nur das Procedere widerspiegelt, handelt es sich bei dem Verlangen des Betriebsrates nach Ausschreibung um eine Pflicht, der der Arbeitgeber nachkommen muss. Letzteres ergibt, nachdem der Betriebsrat die Ausschreibung verlangt hat aus der gesetzlichen Vorschrift und nicht aus der freiwilligen Betriebsvereinbarung.
Eine Unterscheidung dahingehend, ob es sich um eine befristete oder unbefristete Stelle, einen Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsplatz handelt bzw. ob dieser mit Leiharbeitnehmern besetzt werden soll, sieht das Gesetz nicht vor. Wo soll die Grenze sein? Soll die Besetzung eines Teilzeitarbeitsplatzes mit 10 Stunden in der Woche zustimmungsfrei sein oder schon mit 5 Stunden in der Woche? Welche Dauer darf  eine vorübergehende Besetzung haben? 1 Tag oder 1 Monat? Dies würde der Systematik des Betriebsverfassungsrechtes widersprechen. Der Betriebsrat muss nach § 99 BetrVG bei der Einstellung beteiligt werden, dann muss er auch bei jeder Ausschreibung gehört werden.
Der Sinn und Zweck der Ausschreibung von Stellen ist der innerbetriebliche Arbeitsmarkt. Ohne Ausschreibung wäre ein solcher undenkbar.
Den Betriebsräten ist daher nur zu empfehlen, für jede Stelle, unabhängig von Dauer, Arbeitszeit die Ausschreibung zu verlangen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesarbeitsgericht den Beschluss des Landesarbeitsgerichtes bestätigt.