1. Nach § 37 Abs. 3 S. 1 BetrVG hat ein Betriebsratsmitglied Anspruch auf Freizeitausgleich für Betriebsratstätigkeiten, die außerhalb der normalen Arbeitszeit stattfinden müssen.
2. Der Arbeitgeber muss aber nicht wie beim Urlaub (§ 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG) die Wünsche des Arbeitnehmers zur zeitlichen Lage berücksichtigen, sondern kann die Befreiung von der Arbeitszeit»nach billigem Ermessen« (§ 106 S 1 GewO, 315 Abs 3 BGB) festlegen.
3. Auch ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Krankheit entsteht nicht, wenn der Arbeitnehmer zur fraglichen Zeit schon von der Arbeitsverpflichtung freigestellt war.

Welcher Sachverhalt lag dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Die Parteien streiten über eine Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto des Klägers wegen außerhalb der Arbeitszeit geleisteter Betriebsratstätigkeit und über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Beklagte betreibt den Personennahverkehr in B. Der Kläger ist bei ihr seit April 1991 als Busfahrer zuletzt zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.536,00 Euro bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich 38,5 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) Anwendung. Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitzender der Kläger im Jahr 2009 war.

Im ersten Quartal 2009 erledigte der Kläger im Umfang von 77,16 Stunden außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben. Hierfür begehrte er einen Ausgleich durch Arbeitsbefreiung zum einen in der Zeit vom 25. bis 28. März 2009 und zum anderen am 10., 12. und 15. Juni 2009. Die Parteien verständigten sich auf eine Freistellung vom 25. bis 28. März 2009 sowie an den - von der Beklagten vorgeschlagenen - Tagen 7. und 8. April 2009. Mit dem weiteren Vorschlag der Beklagten, den Kläger in den Osterferien am 14., 16., 17. und 18. April 2009 freizustellen, erklärte sich dieser nicht einverstanden. Nach seiner eigenen Angabe wurde ihm „nichtsdestotrotz ... mitgeteilt, er sei an diesen Tagen nicht zur Arbeit eingeteilt“. Die Beklagte benötigt während der Osterferien neun Fahrer weniger.

Der Kläger bot am 14. und 16. April 2009 persönlich sowie unter dem 15. April 2009 schriftlich seine Arbeitskraft für die „Freistellungstage“ an. Die Beklagte beschäftigte den Kläger nicht und dokumentierte auf seinem von ihr geführten Arbeitszeitkonto als „Ausgleichszeit für Betriebsratstätigkeiten“


am 14. April 2009    6:30 Stunden,
am 16. April 2009    8:44 Stunden,
am 17. April 2009    8:44 Stunden und
am 18. April 2009    8:04 Stunden.

Am 11. und 12. Februar 2009 wollte der Kläger an einer Sitzung des Konzernbetriebsrats teilnehmen. Für Freitag, den 13. Februar 2009 war nach dem monatlich aufgestellten Dienstplan ursprünglich sein Arbeitseinsatz für fünf Stunden und eine Minute vorgesehen. Vom 9. Februar bis 13. Februar 2009 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Nach einer am 5. Februar 2009 von der Beklagten vorgenommenen Änderung des Dienstplans wies dieser für den 13. Februar 2009 eine Arbeitsbefreiung des Klägers aus. Feststellungen dazu, ob und wann der Kläger von der Dienstplanänderung Kenntnis erlangte, sind nicht getroffen.

Nach erfolgloser Geltendmachung der Korrektur des Arbeitszeitkontos sowie der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 13. Februar 2009 iHv. 63,70 Euro brutto und weiteren 7,40 Euro Zulagen mit Schreiben vom 15. April 2009 hat der Kläger mit seiner beim Arbeitsgericht erhobenen Klage diese Forderungen weiterverfolgt. Er hat die Ansicht vertreten, er sei am 14. April 2009 sowie in der Zeit vom 16. bis 18. April 2009 nicht wirksam von der Arbeit freigestellt gewesen. Die Beklagte habe keine Freistellung erklärt; außerdem dürfe sie die zeitliche Lage der Arbeitsbefreiung für außerhalb der persönlichen Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit nicht einseitig bestimmen. Sie müsse vielmehr die Wünsche des Betriebsratsmitglieds berücksichtigen, sofern diesen keine betriebsbedingten Gründe entgegenstünden. Für den 13. Februar 2009 habe die Beklagte den Freizeitausgleich wegen Betriebsratstätigkeit ebenfalls zu Unrecht einseitig festgelegt.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, auf sein Zeitarbeitskonto für den 14. April 2009 6:30 Stunden, für den 16. April 2009 8:44 Stunden, für den 17. April 2009 8:44 Stunden und für den 18. April 2009 8:04 Stunden gutzuschreiben sowie an ihn 63,70 Euro brutto und 7,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21. April 2009 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei - in den von ihr eingehaltenen Grenzen billigen Ermessens - berechtigt, die zeitliche Lage der Arbeitsbefreiung zu bestimmen. Für den 13. Februar 2009 bestehe kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsunfähigkeit. Sie habe sich mit dem Kläger darauf geeinigt, dass er an diesem Tag „Mehrarbeitsstunden“ für zuvor in seiner Freizeit erbrachte Betriebsratstätigkeit „abfeiere“. Für die Zeit, die sie den Kläger ohnehin von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt habe, könne nicht nochmals Entgeltfortzahlung wegen einer Erkrankung verlangt werden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Der Siebte Senat des BAG schloss sich der Meinung der Vorinstanzen an und erklärte die Revision des Klägers für unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf die verlangte Zeitgutschrift noch auf die begehrte Entgeltzahlung.

Zunächst hat der Kläger nach Ansicht des Senats hat keinen Anspruch auf die begehrten Zeitgutschriften und die Berichtigung des Arbeitszeitkontos.

Die Arbeitgeberin hat dem Kläger durch seine Freistellung am 14., 16., 17. und 18.4.2009 bereits bezahlte Ausgleichszeit für die 77,16 Stunden Betriebsratstätigkeit gewährt. Daher sind die Ansprüche des Klägers auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 37 Abs. 3 BetrVG bereits erfüllt und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

Um den Ausgleichsanspruch zu erfüllen, muss der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied von seiner vertraglich bestehenden Pflicht, Arbeitsleistungen zu erbringen, ohne Minderung der Vergütung freistellen und so im Ergebnis dessen Sollarbeitszeit reduzieren. Für die Festlegung dieser Zeit bedarf es nach Ansicht des BAG keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied, sondern nur einer Erklärung des Arbeitgebers, dass er für den angegebenen Zeitraum auf die Arbeitsleistung verzichtet. Es handelt sich um eine einseitige Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit im Sinne von § 106 Satz 1 GewO.

Entgegen der Auffassung des Klägers musste die Beklagte bei der Arbeitsbefreiung seine Wünsche nicht entsprechend § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG bevorzugt berücksichtigen, sondern seine Weisung nur im Rahmen billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO in Verbindung mit § 315 Abs. 3 BGB) halten. Das schließt der Siebte Senat trotz anderer Stimmen in der Fachliteratur (vgl. z. B. DKKW/-Wedde, BetrVG,  13. Aufl.2012,  § 37 Rn. 79) daraus, dass § 37 Abs. 3 S. 1, S.3 Halbs. 1 BetrVG keine Vorgabe für die zeitliche Festlegung des Freizeitausgleichs enthält, die § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG entspricht.

Sinn und Zweck des Freizeitausgleichsanspruchs von § 37 Abs. 3 Satz 1, Satz 3 Halbs. 1 BetrVG sprechen aus Sicht des Siebten Senats vielmehr dafür, dass dem Betriebsratsmitglied ein möglichst zeitnaher und im Zusammenhang mit der Erledigung der Betriebsratsaufgaben stehender Ausgleich seines aus betriebsbedingten Gründen erbrachten Freizeitopfers gewährt werden soll. Dieser Ausgleich entspricht eher dem zeitnahen Freizeitausgleich nach Mehrarbeit als der Gewährung von Erholungsurlaub.

Damit ist nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber ein von dem Betriebsratsmitglied geäußertes Anliegen der zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung nach § 37 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Halbs. 1 BetrVG bei der Freistellung berücksichtigen muss. Dies ist aber nur ein Aspekt der nach billigem Ermessen iSv. § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB festzulegenden zeitlichen Lage der Arbeitsbefreiung zur Erfüllung des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG.

Die Grenzen billigen Ermessens, die der Arbeitgeber bei seiner Weisung einhalten muss (§ 106 S. 1 GewO, § 315 Abs. 3 BGB), sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung die beiderseitigen Interessen, also auch die Freizeitwünsche des Arbeitnehmers abgewogen hat. Die Beklagte durfte ihrem Interesse an einer Freistellung des Klägers in den Osterferien Vorrang einräumen, weil in dieser Zeit ohnehin ein reduzierter Bedarf an Fahrern bestand. Der bevorzugten Berücksichtigung der Wünsche des Klägers, die Freistellung am 10., 12. und 15.6.2009 zu gewähren, stand der Zweck der Arbeitsbefreiung - der zeitnahe Ausgleich der Betriebsratstätigkeit - entgegen.

Auch der Klage auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den 13.2.2009 haben die Vorinstanzen nach Ansicht des Siebten Senats zu Recht nicht entsprochen. Denn der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt voraus, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer schon wegen seiner vor Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit wirksam erfolgten Freistellung nicht gearbeitet hätte.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Das BAG hatte zu entscheiden, ob bei einem Freizeitausgleich nach § 37 Abs. BetrVG wie beim Urlaub in erster Linie den Wünschen des Arbeitnehmers bzgl. der Lage des Freizeitausgleichs zu entsprechen ist.
Ein Vergleich der Vorschriften § 37 Abs. 3 BetrVG und § 7 Abs. 1 BUrlbG führte dazu, dass dem nicht so ist.
Zunächst einmal bedarf es keiner Einigung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzgl. der Freistellung. Dies ergibt sich aus der Formulierung „ist….zu gewähren“. Damit kann der Arbeitgeber  nach billigem Ermessen bestimmen, wann der Freizeitausgleich zu nehmen ist. Dies ergibt sich § 315 BGB und § 106 GewO. Es sei denn es ist konkret vereinbart, an welchen Wochentagen, von wann bis wann gearbeitet werden muss.
Die Worte „….ist dies aus betriebsbedingten Gründen…“führt ebenfalls nicht zwangsläufig dazu, dass es auf die Wünsche des Arbeitnehmers ankommt. Es handelt sich nach Ansicht des Gerichts nicht um eine nähere Bestimmung und Ausgestaltung des Zeitpunkts der Freistellung. Auch § 7 Abs. 1 BUrlbG steht dem nicht entgegen. Urlaubsanspruch und Anspruch auf Arbeitsbefreiung haben unterschiedliche Intentionen. Der Freizeitausgleich ist möglichst zeitnah zu gewähren. Schließlich fehlt in § 37 Abs. 3 BetrVG das Wort zusammenhängend aus § 7 Abs. 1 BUrlbG.
Aber die Grenzen billigen Ermessens sind zu beachten. Die wesentlichen Umstände des Einzelfalls und die beiderseitigen Interessen müssen berücksichtigt werden.
An dieser Stelle sollte der Arbeitnehmer sein Verhandlungsgeschick spielen lassen und eine Konfrontation vermeiden.
Eine weitere Frage wurde bzgl. der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geklärt. Das BAG hat klargestellt, das ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nicht besteht, wenn die Arbeitsunfähigkeit nicht alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung war. Hier war der Arbeitnehmer bereits vor der Erkrankung freigestellt. Damit hätte er an besagtem Tag nicht arbeiten müssen Eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann daher nicht beansprucht werden.

 


Margit Körlings

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.02.2012, 7 AZR 774/10