Wird zu einer Betriebsratssitzung falsch eingeladen, ist es so, als sei der Tisch leer geblieben. Beschlüsse können rechtswirksam nicht getroffen werden. Copyright by Adobe Stock/nao5970
Wird zu einer Betriebsratssitzung falsch eingeladen, ist es so, als sei der Tisch leer geblieben. Beschlüsse können rechtswirksam nicht getroffen werden. Copyright by Adobe Stock/nao5970

Im Gesetz steht es ganz genau geschrieben: der Vorsitzende des Betriebsrates beruft die Sitzungen ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Für ein verhindertes Betriebsratsmitglied lädt er auch das Ersatzmitglied. Wer an der Sitzung nicht teilnehmen kann soll dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen.
 

In Baden-Württemberg hatte ein ganz einfaches Betriebsratsmitglied zur Sitzung eingelade

Nun ist aber der Vorsitzende selbst erkrankt. Sein Stellvertreter ist verhindert. Jetzt lädt ein ganz normales Betriebsratsmitglied ohne besondere Funktion über den E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden, dessen Zugangsdaten er kennt, sieben Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder zu einer Sitzung ein. Es soll dabei um Änderungen in der Eingruppierung von Arbeitnehmern gehen, wobei ein Betriebsübergang bevorsteht.
 
So geschehen in einem Unternehmen der Autoindustrie in Baden-Württemberg. Angesichts des anstehenden Betriebsübergangs bittet der „alte“ Arbeitgeber den Betriebsrat um Zustimmung zur Umgruppierung von Mitarbeitern, die er auch namentlich benennt. Ein entsprechendes Schreiben händigt er einem Mitglied des Betriebsrats aus.
 

Der Betriebsratsvorsitzende erscheint als „Gast“ in der Betriebsratssitzung

Die Sitzung findet statt. Der arbeitsunfähig erkrankte Vorsitzende des Betriebsrates nimmt als „Gast“ an der Sitzung teil. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzender ist nicht anwesend, weil er anderweitig verhindert ist. Der ansonsten vollständige Betriebsrat berät das Anliegen des Arbeitgebers und verweigert die Zustimmung zur Umgruppierung der Beschäftigten.
 
Das teilt der Betriebsrat anschließend auch dem Arbeitgeber mit. Unterschrieben hat der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, der an der Sitzung gar nicht teilgenommen hatte. Der Arbeitgeber unternimmt daraufhin nichts weiter. Die Umgruppierung will er aber wohl vornehmen.
 

Der Betriebsrat ruft das Arbeitsgericht an

Der Betriebsrat weist darauf hin, dass er seine Zustimmung verweigert habe. Dennoch geschieht von Seiten des Arbeitgebers nichts. Der Betriebsrat ruft daraufhin das Arbeitsgericht an. Er vertritt die Auffassung, der Arbeitgeber hätte seinerseits gerichtlich tätig werden müssen. Ohne Zustimmung des Betriebsrates dürfe die gewünschte Ein- bzw. Umgruppierung nicht erfolgen.
 
Das Arbeitsgericht solle den Arbeitgeber nun dazu verpflichten, seinerseits ein Verfahren beim Arbeitsgericht einzuleiten. Nur das Arbeitsgericht könne die Zustimmung des Betriebsrates ersetzen, wolle der Arbeitgeber an der gewünschten Maßnahme festhalten.
 

Das Bundesarbeitsgericht folgt der Rechtsauffassung des Arbeitgebers

Diese Notwendigkeit sah das Bundesarbeitsgericht in oberster Instanz nicht. Zwar könne man darüber streiten, wann der Antrag des Arbeitgebers beim Betriebsrat eingegangen sei, denn das Schreiben habe nicht der Vorsitzende oder dessen Stellvertreter erhalten.
 
Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzender habe die Antwort an den Arbeitgeber jedoch persönlich unterschrieben. Er habe dabei auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu der gewünschten Maßnahme eingegangen sei. Damit stehe fest, dass auch die zuständigen Personen im Betriebsrat Kenntnis von dem Antrag auf Zustimmung hatten. Mithin sei der Antrag des Arbeitgebers auch ordnungsgemäß zugegangen.
 

Der Vorsitzende des Betriebsrates war gehindert seine Amtspflichten wahrzunehmen

Dennoch habe keine ordnungsgemäße Sitzung stattgefunden. Könne der Betriebsratsvorsitzende aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht an einer Sitzung des Betriebsrates teilnehmen, sei er „verhindert“. Das sei hier der Fall. Die ärztlich festgestellte Arbeitsunfähigkeit habe ihn nämlich daran gehindert, seine Amtspflichten wahrzunehmen.
 
Die Arbeitsunfähigkeit eines Mitglieds des Betriebsrates stelle nicht notwendigerweise eine Verhinderung dar. Es könne nämlich Fälle geben, in denen der Arbeitnehmer zwar aufgrund seiner Krankheit außerstande sei, seine Arbeitspflichten zu erfüllen, das Betriebsratsamt demgegenüber jedoch durchaus wahrnehmen könne.
 

Freigestellte Betriebsratsmitglieder sind von der Pflicht zur vertraglichen Arbeitsleistung befreit

Das sei aber anders bei Betriebsratsmitgliedern, die von ihrer Arbeitsleistung vollständig freigestellt seien. Sie seien von ihrer Pflicht zur vertraglichen Arbeitsleistung befreit. Bei ihnen trete an diese Stelle die Verpflichtung, während der Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrates anwesend zu sein. Dort müssten sie sich für alle anfallende Betriebsratsarbeiten bereithalten.
 
Attestierte hier ein Arzt Arbeitsunfähigkeit, habe das zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied stets verhindert sei. Es könne nämlich krankheitsbedingt seine Amtspflichten nicht ausüben. Ob das Betriebsratsmitglied sich dazu subjektiv dennoch in der Lage sehe, spiele keine Rolle.
 
Hier sei der Betriebsratsvorsitzender an der Wahrnehmung seiner Amtspflichten gehindert gewesen. Sein Arzt habe ihm Arbeitsunfähigkeit attestiert. Daran ändere auch nichts, dass er in der Lage gewesen sei, an Erörterungen des Betriebsrats teilzunehmen. Eine Teilarbeitsunfähigkeit gebe es nämlich regelmäßig nicht.
 

Der Betriebsrat musste ohne den Vorsitzenden entscheiden

Der Betriebsrat habe mithin den Beschluss nur ohne den erkrankten Vorsitzenden fassen können. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende sei bei der Betriebsratssitzung ebenfalls verhindert und nicht anwesend gewesen.
 
Angesichts dessen habe der Betriebsrat die Zustimmung zu der vom Arbeitgeber beantragten Umgruppierung von Beschäftigten nicht wirksam verweigert. Es liege kein wirksamer Beschluss vor. Der Grund dafür liege vor allem schon darin, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß einberufen gewesen sei.
 
Eine ordnungsgemäße Sitzung setze voraus, dass der Vorsitzende und in seinem Verhinderungsfall sein Stellvertreter die Sitzung einberufe. Das sei hier nicht geschehen. Das hätten auch die anderen Betriebsratsmitglieder gewusst. Ihnen sei die Arbeitsunfähigkeit ihres Vorsitzenden bekannt gewesen.
 

Das Gericht konnte verschiedene Einzelfragen offenlassen

Ob im Falle der Abwesenheit des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrates eine Sitzung auch von einem anderen Mitglied des Betriebsrates herbeigeführt werden darf, hat das Gericht allerdings ausdrücklich nicht entschieden und offen gelassen.
 
Das würde teilweise rechtlich für zulässig erachtet, verlange jedoch eine dringende und unaufschiebbare Notwendigkeit zur Beratung. Es gebe auch Juristen, die eine Einladung rechtlich nicht für erforderlich hielten, wenn alle Betriebsratsmitglieder zusammentreten und einstimmig erklärten, mit Zeit und Ort der Sitzung einverstanden zu sein.
 

Ein Sonderfall lag in dem Betrieb nicht vor

Keine dieser beiden Situationen lägen jedoch vor, so dass das Bundesarbeitsgericht hierzu auch nicht zu entscheiden habe.
 
Aufgrund des formalen Fehlers musste der Arbeitgeber mithin beim Arbeitsgericht keinen Antrag stellen, die Zustimmung des Betriebsrates zur gewünschten Umgruppierung von Arbeitnehmern zu ersetzen. Trotz ausdrücklicher Verweigerung der Zustimmung durfte der Arbeitgeber sein Vorhaben umsetzen.

Hier geht es zum Urteil
 
Lesen Sie zu dem Thema auch:

Betriebsratsmitglied ist wegen Ämterhäufung nicht verhindert

Arbeitgeber darf Präsenzsitzung des Betriebsrates nicht verbieten

Rechtliche Grundlagen

§ 29 BetrVG

(1) Vor Ablauf einer Woche nach dem Wahltag hat der Wahlvorstand die Mitglieder des Betriebsrats zu der nach § 26 Abs. 1 vorgeschriebenen Wahl einzuberufen. Der Vorsitzende des Wahlvorstands leitet die Sitzung, bis der Betriebsrat aus seiner Mitte einen Wahlleiter bestellt hat.
(2) Die weiteren Sitzungen beruft der Vorsitzende des Betriebsrats ein. Er setzt die Tagesordnung fest und leitet die Verhandlung. Der Vorsitzende hat die Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Dies gilt auch für die Schwerbehindertenvertretung sowie für die Jugend- und Auszubildendenvertreter, soweit sie ein Recht auf Teilnahme an der Betriebsratssitzung haben. Kann ein Mitglied des Betriebsrats oder der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Sitzung nicht teilnehmen, so soll es dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Vorsitzenden mitteilen. Der Vorsitzende hat für ein verhindertes Betriebsratsmitglied oder für einen verhinderten Jugend- und Auszubildendenvertreter das Ersatzmitglied zu laden.
(3) Der Vorsitzende hat eine Sitzung einzuberufen und den Gegenstand, dessen Beratung beantragt ist, auf die Tagesordnung zu setzen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragt.
(4) Der Arbeitgeber nimmt an den Sitzungen, die auf sein Verlangen anberaumt sind, und an den Sitzungen, zu denen er ausdrücklich eingeladen ist, teil. Er kann einen Vertreter der Vereinigung der Arbeitgeber, der er angehört, hinzuziehen.