Volle Übernahme der Schulungskosten bei nur teilweiser Erforderlichkeit?
Volle Übernahme der Schulungskosten bei nur teilweiser Erforderlichkeit?

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind Betriebsräte,,... ohne Minderung des Arbeitsentgelts

... "unter anderem dann von der Arbeitspflicht zu befreien, wenn sie Schulungsveranstaltungen besuchen, die,... für die Arbeit des Betriebsrats erforderlich sind." Aber wie sieht es aus, wenn lediglich einzelne Teile einer Schulung diese Voraussetzung erfüllen?

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 28.09.2016 beschäftigt.

Sachverhalt

Ein Betriebsrat arbeitet in einem Betrieb, der ein Integrationsteam gebildet hat. Dieses Team ist für das Betriebliche Eingliederungsmanagement zuständig. Der Betriebsrat ist Mitglied des Teams und nahm an allen vier Modulen der Schulungsveranstaltung „Professionelles Betriebliches Eingliederungsmanagement" teil. Aus im Urteil nicht näher erläuterten Gründen klagte der Betriebsrat nur das Arbeitsentgelt für die ersten beiden Module ein. Dies war nötig, weil der Arbeitgeber die Schulung insgesamt nicht für erforderlich hielt und eine Entgeltzahlung ablehnte.

Entscheidungen der lnstanzgerichte

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) sprach das Arbeitsentgelt zu. Es war der Auffassung, dass zumindest die beiden ersten Schulungsmodule erforderlich waren. Auf die Erforderlichkeit der beiden anderen
Module komme es nicht an, weil der Betriebsrat dafür kein Arbeitsentgelt verlangt habe.

Urteil des Bundesarbeitsgerichtes

Das Urteil beschäftigt sich mit zwei Fragestellungen:

 

  • Waren die beiden ersten Schulungsmodule erforderlich?
  • Besteht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit einzelner Schulungsmodule?

Erforderlichkeit der beiden ersten Schulungsmodule

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) kam zu dem Ergebnis, dass die beiden ersten Module erforderlich waren. Zum einen sei es im vorliegenden Fall nach dem BetrVG zulässig, den Komplex „Betriebliches Eingliederungsmanagement" auf ein Integrationsteam zu übertragen, das Arbeitgeber und Betriebsrat gemeinsam bilden. Zum anderen sei nicht erforderlich, dass die Durchführung eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements aktuell bevorsteht. Allein die Tatsache, dass der Betriebsrat dem Integrationsteam angehört, reicht für die Erforderlichkeit der Schulung aus.

Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit einzelner Schulungsmodule

Im Gegensatz zum LAG vertritt das BAG die Auffassung, die Erforderlichkeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung sei ,, ... grundsätzlich einheitlich zu bewerten." Eine ,, ... Aufteilung einer Schulung in einen... erforderlichen und einen nicht erforderlichen Teil ... " komme deshalb grundsätzlich nicht in Betracht. Es sei deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob bei der (Gesamt-)Schulung,, ... die erforderlichen Themen mit mehr als 50% überwiegen".

Ausnahme von diesem Grundsatz

Etwas anderes gelte - so das Bundesarbeitsgericht - nur, wenn

  • die einzelnen Schulungsthemen zeitlich so klar voneinander abgegrenzt sind, dass ein zeitweiser Besuch der Schulungsveranstaltung möglich und sinnvoll ist, und
  • der erforderliche Teil gesondert gebucht werden kann.

Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht

Weil das Berufungsgericht sich nicht die Frage gestellt hat, ob die einzelnen Module gesondert buchbar waren, hat das BAG den Fall nicht selbst entschieden, sondern zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) muss jetzt die Parteien zu dieser Frage vortragen lassen. Sollte sich herausstellen, dass nur eine Gesamtbuchung möglich war, ist zu klären, ob mehr als 50% der (Gesamt-)Schulung erforderlich war. Wenn diese Frage(n) beantwortet ist/sind, kann das LAG den Fall neu entscheiden.
Hier geht es zum Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 28.09.2016, 7 AZR 699/14

 

Dies ist Teil 2 von 2 zum Thema Schulungen von Betriebsräten

Direkt zu Teil 1 mit dem Titel "Kosten für Schulungen von Betriebsräten" gehts hier

Das sagen wir dazu:

Die vorgestellte Entscheidung kann für Betriebsräte unter Umständen sehr hilfreich sein.

 

Verweigert der Arbeitgeber die gesamte Zahlung von Arbeitsentgelt mit der zutreffenden Behauptung, Teile einer Schulung seien nicht erforderlich, kann sich der Betriebsrat auf das Urteil berufen und hat zwei Möglichkeiten zur Argumentation. Er kann entweder darauf abstellen, dass die Schulung nur im Gesamtpaket buchbar ist und der erforderliche Teil über 50% ausmacht. Oder der Betriebsrat legt dar, dass und warum einzelne Teile erforderlich sind, und dass diese Teile zeitlich abgrenzbar und gesondert buchbar sind.

 

Im ersten Fall muss der Arbeitgeber Entgelt für die Dauer der gesamten Schulung, im zweiten zumindest für die erforderlichen Teile bezahlen. Ganz ohne Entgeltzahlung kommt er nur davon, wenn allein die Gesamtschulung buchbar ist und dabei der erforderliche Anteil unter 50% liegt.