Ein Betriebsratsmitglied ist vor allen Kündigungen mit Ausnahme der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund geschützt. Eine außerordentliche Verdachtskündigung kann nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden.

Der Fall:

Der Arbeitnehmer war im Betrieb der Arbeitgeberin seit 1995 als Lagerarbeiter und Staplerfahrer beschäftigt. Er war Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats. Er war bereits 2004 und 2007 abgemahnt worden, weil er seine Arbeit unter Alkoholeinfluss angetreten hatte.  

Nachdem am 22.4.2009 bei dem Arbeitnehmer zwei Atemkontrollen positiv ausgefallen waren und Alkohol nachgewiesen wurde, wurde er am 28.4.2009 wegen des Vorfalls fristlos gekündigt. Am 30.4.2009 sprach der Arbeitgeber noch eine fristlose Verdachtskündigung wegen des gleichen Sachverhalts aus. Der Betriebsrat stimmte beiden Kündigungen zu.

Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage, der das ArbG Rostock in erster Instanz stattgab. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern stellte in der Berufung fest, dass das festgestellte Fehlverhalten des Klägers keine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB aus wichtigem Grund rechtfertigt.

Anschließend deutete das LAG die außerordentliche Verdachtskündigung vom 30.4. nach § 140 BGB in eine  ordentliche verhaltensbedingte Kündigung mit Auslauffrist um und entschied, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.9. beendet worden sei (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 2.11.2010 - 5 Sa 105/10). Dieser stehe auch § 15 Abs. 1 KSchG nicht entgegen, da der Betriebsrat mit seiner Zustimmung zugleich auch sein Einverständnis zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers erteilt habe.

Die Entscheidung:

Das BAG hob das Urteil des LAG auf und erklärte alle gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam. Entgegen der Auffassung des LAG ist es rechtlich nicht möglich, die außerordentliche Verdachtskündung eines Betriebsratsmitglieds nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung umzudeuten.

Gegenüber dem Kläger als Betriebsratsmitglied war gemäß § 15 KSchG sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslauffrist ausgeschlossen. Die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds ist nur als außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB erlaubt. Das bedeutet, dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein. Daran fehlte es in diesem Fall aber selbst nach Auffassung des LAG.

Zwar habe das BAG früher entschieden, dass das Arbeitsverhältnis eines unkündbaren Arbeitnehmers wegen seines Verhaltens in einer außerordentlichen »Kündigung mit Auslauffrist« beendet werden kann.  Die dem zugrunde liegenden Erwägungen lassen sich aber nicht auf die nach § 15 KSchG geschützten Mandatsträger übertragen.

Durch den Sonderkündigungsschutz soll vermieden werden, dass die geschützten Personen ihr (Betriebsrats-)Mandat nicht angemessen wahrnehmen. Zugleich soll die Zusammensetzung des betreffenden Gremiums und damit die Kontinuität der Betriebsratsarbeit gewahrt bleiben. Dies erfordert auch mit Blick auf Gründe im Verhalten des Mandatsträgers den vollen Schutz nach § 15 Abs.  KSchG.

Bedeutung auf die Praxis:

§ 15 Absatz1 Satz 1 KSchG bestimmt, dass die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nur zulässig ist, wenn ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Absatz 1 BGB vorliegt. Die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist muss daher ausgeschlossen sein.
Die Arbeitsgerichte haben grundsätzlich die Möglichkeit, eine außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umzudeuten. Dies aber nur bei Arbeitnehmern, die keine Mandatsträger sind. Wäre dies anders, würde die Grenze zwischen dem kündbaren und dem nicht kündbaren Arbeitnehmer verwischt werden. Das Betriebsratsmitglied soll aus Rücksicht auf seine besondere Stellung einer ordentlichen Kündigung nicht ausgesetzt sein. Dabei ist insbesondere auf die Zusammenarbeit des betroffenen Gremiums und die Konstanz der Betriebsratsarbeit abzustellen. Dies geht nur, wenn der umfassende Schutz aus § 15 Absatz 1 Satz KSchG gewährleistet ist.
Auch ein Vergleich mit einer Kündigung nach § 15 Absätze 4 und 5 KSchG führt zu keinem anderen Ergebnis. In einem solchen Fall geht es um innerbetriebliche Kündigungsgründe, die alle Arbeitnehmer gleichermaßen treffen und eben nicht um verhaltensbedingte Kündigungsründe, die sich auf eine einzelne Person beziehen.
Nicht einmal der Vergleich mit einem nach einem Tarifvertrag unkündbaren Arbeitnehmer führt aus den oben genannten Gründen zu einem anderen Ergebnis. Erster ist nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 15.11.2001, 2 AZR 605/00).
Es bleibt dabei: der Mandatsträger muss den vollen Schutz des Gesetzes genießen.

 


DGB Rechtsschutz GmbH, Margit Körlings


Das Urteil des BAG vom 21.06.2012, Az: 2 AZR 343/11