Der Betriebsrat ist auch bei Fragen rund um den Gesundheitsschutz zu beteiligen. Copyright by animaflora/Fotolia
Der Betriebsrat ist auch bei Fragen rund um den Gesundheitsschutz zu beteiligen. Copyright by animaflora/Fotolia

Dem Arbeitgeber wird in vielen einzelnen gesetzlichen Regelungen vorgeschrieben, welche Maßnahmen er im Betrieb zum Arbeits- und Gesundheitsschutz ergreifen muss. Diese Vorschriften hat er einzuhalten. Muss er nur eine in der Regelung festgelegte bestimmte Maßnahme durchführen, besteht kein Raum für Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. 

 

Viele dieser Vorschriften geben aber auch nur einen Rahmen vor. Wie die konkrete Gestaltung auszusehen hat, entscheidet der Arbeitgeber dann im Einzelnen für seinen Betrieb. Hat der Arbeitgeber Handlungsspielraum, kann er Maßnahmen oder betriebliche Regelungen nicht einseitig treffen, sondern muss den Betriebsrat beteiligen.

 

Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim Gesundheits- und Arbeitsschutz besteht 

  • wenn der Arbeitgeber im Arbeits- und Gesundheitsschutz aufgrund einer gesetzlichen Regelung handeln muss,
  • diese Regelung aber nicht zwingend vorgibt, welche betrieblichen Maßnahmen zu ergreifen sind,
  • der Arbeitgeber also Gestaltungsmöglichkeiten hat, wie der Arbeits- und Gesundheitsschutz erreicht werden soll und
  • es sich nicht nur um eine Einzelmaßnahme handelt.

Bei keiner Einigung  - Einigungsstelle anrufen

Ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen und können sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf keine Regelung einigen, kann von beiden die Einigungsstelle angerufen werden. Diese muss dann gegebenenfalls durch Beschluss entscheiden.

 

Ohne Beachtung der Mitbestimmung des Betriebsrates kann der Arbeitgeber seine Maßnahmen nicht einseitig durchsetzen. Tut er es doch, müssen Arbeitnehmer*innen die Anordnungen nicht befolgen. Der Betriebsrat kann sein Mitbestimmungsrecht außerdem beim Arbeitsgericht durchsetzen.

 

Mitbestimmungsrecht besteht bei der Gefährdungsbeurteilung

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht bei der sogenannten Gefährdungsbeurteilung. Sie ist ein zentrales Element des Gesundheitsschutzes im Betrieb.

 

Darunter versteht man die Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitsplätze oder Tätigkeiten daraufhin zu beurteilen, welchen gesundheitlichen Risiken Beschäftigte dort ausgesetzt sind. Denn nur dann, wenn Gefahren bekannt sind, können dagegen auch Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Die Gefährdungsbeurteilung ist eine Verpflichtung, die sich aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt.

 

Für die Art, wie diese Beurteilungen durchgeführt werden, sind unterschiedliche Möglichkeiten vorhanden. Das Gesetz gibt sie nicht zwingend vor. Der Arbeitgeber hat also Handlungsspielräume, welche Arbeitsplätze mit welchen Methoden, auf welche Gefahrenursachen hin und in welcher Zeit untersucht werden sollen. Über diese Möglichkeiten darf der Arbeitgeber nicht allein entscheiden, sondern muss den Betriebsrat vorab beteiligen (BAG 30.9.2014, 1 ABR 106/12).

 

Kommt zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat keine Vereinbarung zustande, entscheidet die Einigungsstelle. Sie muss die Angelegenheit dann abschließend lösen. Es dürfen wesentliche Aspekte der Gefährdungsbeurteilung nicht fehlen, sonst ist der Spruch der Einigungsstelle unwirksam (BAG 11.2.2014, 1 ABR 72/12).

 

Gefährdungsbeurteilung ist ein kontinuierlicher Prozess

Die zwingend durchzuführende Gefährdungsbeurteilung vollzieht sich in mehreren Stufen, auf denen immer auch der Betriebsrat zu beteiligen ist:

  • Gefährdungen sind in bestimmten Bereichen bzw. auf bestimmten Arbeitsplätzen zu ermitteln
  • Die Risiken müssen bewertet werden
  • Die zur Beseitigung der Gefahrenquellen notwendigen Maßnahmen müssen festgelegt werden
  • Die Art der Kontrolle muss bestimmt werden

Gefährdungen sind auch Stressfaktoren am Arbeitsplatz

Anerkannt ist, dass zu den Risikofaktoren, die zu arbeitsbedingten Erkrankungen führen können, auch Stressbelastungen am Arbeitsplatz gehören. Risiken sind etwa hoher Zeitdruck, Schichtarbeit, Überstunden, geringer Handlungsspielraum, häufige Arbeitsunterbrechungen oder auch mangelnde Anerkennung.

 

Bei diesen Einflüssen besteht das Risiko, dass psychische Erkrankungen, aber auch Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems oder Wirbelsäulenerkrankungen entstehen können.

 

Mitbestimmung des Betriebsrats kann sich auch auf Personalbemessung beziehen

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats im Bereich Gefährdungsbeurteilung erfasst auch die zu ergreifenden Maßnahmen des Arbeitgebers. Ist daher als Gefährdung am Arbeitsplatz eine besondere Stressbelastung, etwa durch hohen Zeitdruck oder viele Überstunden, festgestellt, kann sich daraus ergeben, dass der Betriebsrat auch beim Umfang des einzusetzenden Personals im entsprechenden, besonders belasteten betrieblichen Bereich zu beteiligen ist.

 

Der Betriebsrat bestimmt dann indirekt auch über die Personalbemessung mit, obwohl ansonsten im Betriebsverfassungsgesetz nur ein Beratungsrecht des Betriebsrats im Bereich Personalplanung enthalten ist. 

 

Landesarbeitsgericht Kiel ist anderer Auffassung

Das Landesarbeitsgericht Kiel hat in einem aktuellen Beschluss (vom 7.5.2018, 6 TaBV 21/17) allerdings anders entschieden. Seiner Auffassung nach durfte die Einigungsstelle nicht über eine bestimmte Zahl von Pflegekräften in einer Klinik entscheiden, um die Beschäftigten vor Überlastung zu schützen. 

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann sein, dass über den Fall noch das Bundesarbeitsgericht entscheiden muss.

 

Mitbestimmung besteht auch, wenn der Arbeitgeber die Beurteilung einer Fremdfirma überträgt

Auch dann, wenn der Arbeitgeber eine Dienstleistungsfirma mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beauftragt, entfällt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht. Der Betriebsrat hat auch dann das Recht, Art und konkrete Maßnahmen mit zu regeln. Sein Mitbestimmungsrecht darf durch die Übertragung auf einen Dienstleister nicht ausgeschlossen werden. Der Arbeitgeber ist vielmehr verpflichtet, seine Verträge mit der Fremdfirma so zu gestalten, dass der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht weiterhin wahrnehmen kann.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass allerdings die Entscheidung des Arbeitgebers, welchen Personen oder Firmen er die Gefährdungsbeurteilung übertragen will, nicht mitbestimmungspflichtig ist (BAG 18.8.2009, 1 ABR 43/08). Hierbei handele es sich nur um eine personelle Einzelmaßnahme, die vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht erfasst werde.

 

Mitbestimmungsrecht bei der Beschäftigtenunterweisung

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, Arbeitnehmer*innen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu belehren. Er muss ihnen Erläuterungen und Anweisungen geben.

 

Auch hier bestehen unterschiedliche Möglichkeiten, wie die Unterweisung im Betrieb konkret durchgeführt wird, etwa über Art, Umfang und Inhalt. Deshalb hat der Betriebsrat auch hier zwingend bei der Umsetzung mitzubestimmen.

 

Mitbestimmung bei Ausgleich für Nachtarbeit

Das Arbeitszeitgesetz überlässt es dem Arbeitgeber, ob er Belastungen aufgrund von Nachtarbeit durch freie Tage oder einen angemessenen Entgeltzuschlag ausgleicht. Dieser gesetzlich geregelte Ausgleich dient auch dem Gesundheitsschutz, da die Zusatzkosten dazu führen sollen, dass Nachtarbeit für den Arbeitgeber weniger attraktiv ist.

 

Da der Arbeitgeber demnach wählen kann, ob er freie Tage oder Zuschläge gewährt, ist der Betriebsrat an dieser Entscheidung des Arbeitgebers zwingend vorab zu beteiligen.

 

Allerdings entfällt das Mitbestimmungsrecht bei einer schon bestehenden tariflichen Regelung zur Nachtarbeit, an die der Arbeitgeber gebunden ist. Bestimmt bereits der Tarifvertrag, in welcher Form Nachtarbeit auszugleichen ist, besteht kein betrieblicher Handlungsspielraum mehr (BAG 17.1.2012, 1 ABR 62/10).

 

Mitbestimmung bei der Verwendung von Schutzkleidung

Ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, seinen Arbeitnehmer*innen persönliche Schutzausrüstungen für ihre Tätigkeit zur Verfügung zu stellen, dient das der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz. Steht es dem Arbeitgeber gesetzlich frei, welche geeignete und passende Schutzausrüstung er auswählt, ist der Betriebsrat an dieser Entscheidung zu beteiligen (BAG 7.6.2016, 1 ABR 25/14).

 

Betriebsrat des Entleiher-Betriebes ist zuständig

Für die Auswahl passender Schutzkleidung, die Leiharbeitnehmer*innen verwenden müssen, hat der Betriebsrat des Einsatzbetriebes mitzubestimmen. Der Betriebsrat des Verleihers, also der Arbeitgeber der Leiharbeiter, hat dagegen kein Mitbestimmungsrecht.

 

Der Grund dafür: Leiharbeitnehmer*innen sind im Einsatzbetrieb tätig und in die dortige Betriebsorganisation eingegliedert. Dieser Betrieb hat allein die Macht, über den Einsatz geeigneter Schutzausrüstung zu entscheiden. Der Verleiher, also der Arbeitgeber, kann dagegen in die betriebliche Organisation des Einsatzbetriebes nicht eingreifen. Er kann nur überwachen, ob die Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden. 

 

Ausnahmsweise besteht auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates im Verleiher-Betrieb, wenn dieser die Pflicht übernommen hat, seine Leiharbeiter mit der notwendigen Schutzausrüstung auszustatten (BAG 7.6.2016, 1 ABR 25/14).

 

Mitbestimmung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement

Sind Arbeitnehmer*innen innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) durchzuführen. Darin soll geklärt werden, welche Möglichkeiten bestehen, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und mit welchen Leistungen und Hilfen zukünftigen Fehlzeiten vorgebeugt werden kann.

 

Generelle Regelungen dazu, wie das BEM organisatorisch gestaltet werden soll, sind mitbestimmungspflichtig. Dazu gehören etwa Regelungen über die Rolle der Werks- oder Betriebsärzte, darüber, wie das Verfahren eingeleitet werden soll, oder in welcher Form und mit welchem Inhalt die Betroffenen über das BEM aufgeklärt werden sollen. 

 

Mitbestimmung beim betrieblichen Eingliederungsmanagement eingeschränkt

Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings entschieden, dass der Betriebsrat in folgenden Fällen kein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat (BAG 22.3.2016, 1 ABR 14/14):

  • Wenn Aufgaben und Entscheidungen zum BEM auf ein dauerhaft gebildetes gemeinsames Gremium von Arbeitgeber und Betriebsrat übertragen werden sollen. Eine solche Vereinbarung kann nur Inhalt einer freiwilligen Betriebsvereinbarung sein;
  • Wenn ein BEM nur mit Beteiligung des Betriebsrates durchgeführt werden soll. Dies ist unzulässig, da Betroffenen das Recht zusteht, an einem BEM auch ohne Betriebsrat teilzunehmen;
  • Wenn der Arbeitgeber verpflichtet werden soll, alle Beschäftigten im Betrieb über das BEM zu informieren; denn das Gesetz sieht nur für bestimmte Beschäftigte das BEM vor;
  • Wenn der Betriebsrat auch bei der Umsetzung der im BEM vereinbarten Maßnahmen beteiligt werden soll.


Kein Mitbestimmungsrecht über die Teilnahmepflicht des Betriebsarztes im Arbeitsschutzausschuss

 

In Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten ist ein Arbeitsschutzausschuss zu bilden. Dieser muss mindestens einmal im Vierteljahr zusammentreten. Er besteht aus Arbeitgeber, zwei Betriebsratsmitgliedern, Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit.

 

Wenn der Arbeitgeber bestimmt, dass Betriebsarzt und Sicherheitsfachkraft nicht an allen Ausschusssitzungen teilnehmen müssen, widerspricht das dem Gesetz. Der Betriebsrat kann die Teilnahmepflicht allerdings nicht im Beschlussverfahren gegen den Arbeitgeber durchsetzen. Ihm steht kein Mitbestimmungsrecht zu, da der Arbeitgeber keinen Handlungsspielraum hat. Denn die Teilnahmepflicht ist gesetzlich vorgegeben.

 

Der Betriebsrat kann sich aber an die zuständige Arbeitsschutzbehörde wenden, damit diese dem Arbeitgeber gegenüber eine entsprechende Anordnung trifft. Hält der Arbeitgeber sich daran nicht, wird eine Geldbuße verhängt (BAG 8.12.2015, 1 ABR 83/13).

 

Das Gleiche gilt, wenn der Betriebsrat dem Arbeitgeber gegenüber die Bildung des Arbeitsschutzausschusses durchsetzen will. Da die Bildung unter den gesetzlichen Voraussetzungen im Arbeitssicherheitsgesetz zwingend vorgeschrieben ist, besteht kein betrieblicher Handlungsspielraum und damit auch kein Mitbestimmungsrecht (BAG 15.4.2014, 1 ABR 82/12).

 

Mitbestimmung beim Aufbau einer Organisationsstruktur zum Gesundheitsschutz

Im Arbeitsschutzgesetz ist der Arbeitgeber verpflichtet, für eine geeignete Organisation zu sorgen, durch die die Maßnahmen des Arbeitsschutzes umgesetzt werden. Diese ist abhängig von der Größe des Betriebes und der Art der Gesundheitsgefahren. Das Gesetz eröffnet also Handlungsspielräume. An dieser vom Arbeitgeber geschaffenen Organisation ist der Betriebsrat vorab zwingend zu beteiligen.

 

Wenn der Arbeitgeber den Arbeitsschutz so organisiert, dass er die Verantwortung dafür in bestimmten Bereichen an seine Meister überträgt, handelt es sich nicht nur um Einzelmaßnahmen. Der Arbeitsschutz wird vielmehr allgemein in die Führungsstruktur eingebaut (BAG 18.3.2014, 1 ABR 73/12).

 

Mitbestimmungsrecht bei Mitarbeiterbefragungen

In einem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte ein Universitätsklinikum (als Konzernobergesellschaft) eine Mitarbeiterbefragung durchgeführt. Es wurden unter anderem auch Fragen zu Arbeitsumgebung und Arbeitsbedingungen gestellt. Die Teilnahme war freiwillig und anonym. Der Betriebsrat einer Tochtergesellschaft (Herzzentrum) forderte, dass ohne seine Beteiligung Befragung und Auswertung zu unterbleiben hätten.

 

Er war mit seinem Antrag nicht erfolgreich. Zum einen deshalb nicht, weil  - wenn überhaupt  - das Mitbestimmungsrecht nur dem Konzern-Betriebsrat zusteht.

 

Zum anderen verneinten die Richter auch das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts. Zwar kann auch eine Beschäftigtenbefragung ein Mittel der Gefährdungsanalyse und damit als Teil der Gefährdungsbeurteilung mitbestimmungspflichtig sein. Im konkreten Fall sei dies jedoch nicht anzunehmen, da die Befragungen konzernweit, freiwillig und anonym durchgeführt wurden. Sie ließen deshalb keine Schlüsse auf konkrete Arbeitsplätze und Tätigkeiten im Betrieb zu (BAG 21.11.2017, 1 ABR 47/16).

 

Regelungen über Betriebsmittel, Lärm oder Lufttemperatur

In einem Textilunternehmen hatten sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zur umfassenden Erledigung aller Themen des Gesundheitsschutzes geeinigt. Das Bundesarbeitsgericht sah die Betriebsvereinbarung, die auf der Grundlage eines Spruchs der Einigungsstelle ergangen war, als nicht wirksam an.

 

Die Einigungsstelle hatte nämlich über einen ganzen „Strauß“ von Gesundheitsfragen und nicht über konkret zu regelnde Fragen und Konflikte entschieden. Der Betriebsrat konnte sich für sein Mitbestimmungsrecht nicht auf die allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers, erforderliche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu treffen, stützen. Denn vorher muss festgestellt werden, welche konkreten Gefährdungen im Betrieb auf welchen Arbeitsplätzen und Tätigkeiten vorliegen. Das kann sich durch eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung oder auch aufgrund von arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben. Erst dann können die notwendigen Schutzmaßnahmen überlegt und verhandelt werden. Es muss allerdings keine konkrete Gesundheitsgefahr festgestellt worden sein oder vorliegen. Eine festgestellte Gefährdung reicht aus.

 

Stehen konkrete Gefährdungen fest, steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht auch für die zu ergreifenden Maßnahmen zu, etwa in Bezug auf die vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden Arbeitsmittel, für Maßnahmen zum Lärmschutz oder zur Einhaltung der Lufttemperatur. Arbeitsmittel müssen beispielsweise so gestaltet und verwendet werden, dass Gefährdungen möglichst vermieden werden und sie z. B. ergonomischen Anforderungen entsprechen (BAG 28.3.2017, 1 ABR 25/15).

 

Regelungen über Unternehmensbekleidung

Eine Betriebsvereinbarung, die auf dem Spruch einer Einigungsstelle beruhte, sah für die Bekleidungsvorschriften in einer Bank folgendes vor:

 

Bei einer Raumtemperatur über 30 Grad darf auf das Tragen der Krawatte verzichtet werden; bei Kältebelastungen unter 17 Grad dürfen an die Dienstkleidung angepasste Westen oder Pullover getragen werden.

 

Handlungspflichten des Arbeitgebers bei übermäßiger Raumtemperatur ergeben sich aus der Arbeitsstättenverordnung nebst Anhängen. Danach muss die Arbeitsstätte so eingerichtet werden, dass Gefährdungen möglichst vermieden werden. Die Arbeitsräume müssen auch über eine gesundheitlich verträgliche Raumtemperatur verfügen.

 

Die Gesundheitsgefährdungen aus den bei der Bank festgestellten Raumtemperaturen ergab sich nicht aus einer Gefährdungsbeurteilung; eine solche war nicht durchgeführt worden. Es reichte nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts aber aus, dass sie sich aus arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen ergab.

 

Konkrete Schutzmaßnahmen waren nicht gesetzlich vorgegeben, so dass Handlungsspielraum verblieb, welche Maßnahmen, beispielsweise Lockerungen bei den Bekleidungsregeln, der Arbeitgeber ergreifen konnte. An der Entscheidung, welche gesundheitsschützenden Maßnahmen der Arbeitgeber trifft, ist der Betriebsrat zwingend zu beteiligen, also auch an gelockerten Bekleidungsregeln (BAG 18.7.2017, 1 ABR 59/15).

 

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Lesen Sie zu der zitierten Rechtsprechung auch unsere Beiträge: 

 

Rechtliche Grundlagen

§ 87 BetrVG Auszug

§ 87 Betriebsverfassungsgesetz Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.