Minderheitengeschlecht hat Berücksichtigung zu finden!
Minderheitengeschlecht hat Berücksichtigung zu finden!


Das Betriebsverfassungsgesetz stellt sicher, dass auch das Geschlecht, das im Betrieb in der Minderheit ist, Anspruch auf eine angemessene Berücksichtigung bei der Vergabe von Sitzen im Betriebsrat hat.

Garantierte Sitze im Betriebsrat

So bestimmt das Gesetz, dass das „ … Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, … mindestens entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein …“ muss

Ermittlung der Anzahl garantierter Sitze für das Minderheitengeschlecht

In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, wie viele Sitze mindestens an das Minderheitengeschlecht gehen müssen.

Dazu sind die Anzahl der Personen beider Geschlechter nebeneinander zu schreiben und nacheinander durch 1, durch 2, durch 3, durch 4 usw. zu teilen.

Hat ein Betrieb beispielsweise 30 Frauen und 20 Männer, ergibt sich

 

Frauen Männer   
:13020
:21510
:3106,6


Jetzt sind so viele Höchstzahlen zu ermitteln wie Betriebsrät*innen zu wählen sind. Das sind in unserem Beispiel drei. Die drei Höchstzahlen sind also

Frauen Männer   
:13020
:21510
:3106,6



Das Minderheitengeschlecht hat Anspruch auf mindestens so viele Sitze im Betriebsrat, wie Höchstzahlen auf dieses Geschlecht entfallen. Da hier eine der Höchstzahlen auf die Männer entfällt, muss mindestens ein Mann einen Sitz im Betriebsrat bekommen.

Die weiteren Schritte hängen davon ab, ob die Wahl des Betriebsrates nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeits- oder nach dem der Mehrheitswahl erfolgt ist.

Vergleiche dazu:

Betriebsratswahl 2018  Teil 1:  Wahlgrundsätze 

Schutz des Minderheitengeschlechts bei Mehrheitswahl

Der Wahlgrundsatz der Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl ist anzuwenden, wenn der Betrieb regelmäßig zwischen fünf und 50 Mitarbeiter*innen beschäftigt. Bei einer Betriebsgröße von 51 bis 100 Arbeitnehmer*innen kommt es dann zu einer Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl, wenn der Wahlvorstand dies mit dem Arbeitgeber vereinbart.

Außerdem findet eine Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl statt, wenn eigentlich eine Wahl nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen zu erfolgen hätte, aber nur eine gültige Liste beim Wahlvorstand eingereicht ist.

Bei der Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl stehen die Kandidat*innen in alphabetischer Reihenfolge auf dem Stimmzettel. Die Wähler*innen haben so viele Stimmen wie Betriebsratssitze zu vergeben sind. 

Steht fest, wer wie viele Stimmen bekommen hat, erfolgt die Verteilung der Sitze in 3 Schritten.

Schritt 1

(Allein) innerhalb des Minderheitengeschlechts sind die Kandidat*innen in der Reihenfolge der erhaltenen Stimmen untereinander zu schreiben.

Schritt 2

Die Sitze, die dem Minderheitengeschlecht zwingend zustehen, sind mit den jeweils Bestplatzierten dieser Rangfolge zu besetzen.

Schritt 3

Die verbleibenden Sitze erhalten die Kandidat*innen auf dem Stimmzettel, die das beste Ergebnis bekommen haben. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle. 

Beispiel

Bei einem Betrieb sind regelmäßig 30 Frauen und 20 Männer beschäftigt. Damit steht den Männern mindestens ein Sitz im Betriebsrat zu.

Das Wahlergebnis lautete
Frau A19 Stimmen
Herr B3 Stimmen
Frau C12 Stimmen
Herr D1 Stimme
Frau E13 Stimmen



Schritt 1

Herr B3 Stimmen
Herr D1 Stimme



Schritt 2

Den Männern steht mindestens ein Sitz zu. Diesen Sitz bekommt Herr B, weil er das beste Ergebnis bei den Männern erreicht hat.

Schritt 3

Die restlichen beiden Sitze entfallen auf Frau A und auf Frau E, die 19 bzw. 13 Stimmen bekommen haben. Frau C geht trotz ihrer zwölf Stimmen wegen des Schutzes des Minderheitengeschlechts leer aus.

Schutz des Minderheitengeschlechts bei Verhältnismäßigkeitswahl

Nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeitswahl mit mehreren Listen ist zu wählen, wenn die Voraussetzungen für eine Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl nicht gegeben sind.

Dabei haben die Wähler*innen nur eine Stimme, die sie „ihrer“ Liste geben können.

Ermittlung der Anzahl garantierter Sitze für das Minderheitengeschlecht

Hier ist genauso vorzugehen wie bei einer Mehrheits- oder Persönlichkeitswahl.

Schutz des Minderheitengeschlechts bei Verhältnismäßigkeitswahl

Zunächst ist die Sitzverteilung auf die kandidierenden Listen ohne besondere Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts vorzunehmen. Dazu sind die Stimmenzahlen der Listen nebeneinander zu schreiben und jeweils durch 1, durch 2, durch 3, durch 4 usw. zu teilen. Danach erhält jede Liste für jede Höchstzahl, die auf diese Liste entfällt, einen Sitz im Betriebsrat.

Ergibt diese Verteilung, dass das Minderheitengeschlecht so viele Sitze bekommt, wie ihm mindestens zustehen, ist die Sitzverteilung beendet.

Wenn das Minderheitengeschlecht (noch) nicht ausreichend vertreten ist

Wenn die Sitzverteilung ohne besondere Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts dazu führte, dass es nicht die Mindestanzahl der ihm mindestens zustehenden Sitze bekäme, ist in zwei Schritten vorzugehen.

Schritt 1

Es ist die niedrigste Höchstzahl aller Listen zu suchen, die einem Mitglied des Mehrheitsgeschlechts einen Sitz im Betriebsrat brächte.

Schritt 2

Diesen Sitz bekommt nicht das Mitglied des Mehrheitsgeschlechts, sondern das erste Mitglied des Minderheitengeschlechts, das auf der gleichen Liste hinter ihm steht.

Beispiel

In einem Betrieb sind regelmäßig 100 Männer und 50 Frauen beschäftigt. Daraus folgt, dass sieben Betriebsrät*innen zu wählen sind. Davon müssen zwingend zwei Sitze an die Frauen gehen.

 

Auf Liste 1 kandidieren

Auf Liste 2 kandidieren

Herr AFrau H
Herr BHerr I
Herr CHerr J
Herr DFrau K
Herr EFrau L
Frau FFrau M
Frau GHerr N

Liste 1 bekommt 80 Stimmen.     

Liste 2 bekommt 70 Stimmen.

 

Schritt 1

Die Sitzverteilung ohne besondere Berücksichtigung des Minderheitengeschlechts ist nach den Höchstzahlen zu ermitteln, die auf die Listen entfallen. 

Liste 1Liste 2
:18070
:24035
:32723,3
:42017,5
:51614

Gewählt wären also die ersten vier Personen von Liste 1 sowie die ersten drei Personen von Liste 2. Dabei handelte es um sechs Männer, nämlich die Herren A, B, C, D, I und J sowie um Frau H.

Da den Frauen aber mindestens drei Sitze zustehen, ist es erforderlich, dieses Ergebnis zugunsten des Minderheitengeschlechts zu korrigieren.

Schritt 2

Die niedrigste Höchstzahl, die einem Mann einen Sitz brächte, hat mit 20 Herr D von Liste 1. Seinen Platz bekommt Frau F, die auf Liste 1 als erste Frau hinter ihm steht. Herr D geht leer aus.

Sonderfall

Ein Sonderfall tritt ein, wenn auf der Liste mit der niedrigsten Höchstzahl kein Mitglied des Minderheitengeschlechts hinter der Person steht, auf die diese niedrigste Höchstzahl entfällt.

Wäre Liste 1 beispielsweise eine reine Männerliste, gäbe es keine Frau, die sich auf dieser Liste hinter Herrn D befinden könnte.

In diesem Fall stünde der Sitz statt Herrn D von Liste 1 der Frau L von Liste 2 zu.