Das gerichtliche Entlassungsbegehren des Betriebsrates rechtfertigt die betriebsbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin.
Das gerichtliche Entlassungsbegehren des Betriebsrates rechtfertigt die betriebsbedingte Kündigung einer Arbeitnehmerin.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es ein dringendes betriebliches Erfordernis darstellt, wenn ein Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats rechtskräftig aufgegeben worden ist, eine Arbeitnehmerin zu entlassen.

Kündigung auf Veranlassung des Betriebsrates

Ein Arbeitgeber will einen Beschäftigten loswerden und der Betriebsrat stellt sich vor ihn: So die klassische Rollenverteilung. Doch es gibt durchaus Fälle, in denen der Betriebsrat ein Interesse hat, einzelne Arbeitnehmer aus dem Unternehmen zu entfernen.

Das Gesetz gibt ihm für diesen Fall sogar ein rechtliches Instrument an die Hand, das wohl den wenigsten Arbeitsrechtlern geläufig ist und zudem es bislang auch noch keine Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gab.

Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung eines Mitarbeiters verlangen, wenn dieser den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich stört, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigung.

Weigert sich der Arbeitgeber, so kann das Arbeitsgericht ihn verurteilen, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen. Wenn er der gerichtlichen Entscheidung nicht nachkommt, so droht ein Zwangsgeld von bis zu 250 Euro für jeden Tag der Zuwiderhandlung.

Gericht gibt Arbeitgeber auf, Arbeitnehmerin zu kündigen

Im vorliegenden Fall hatte der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragt, der Arbeitgeber solle eine langjährige Sachbearbeiterin entlassen oder sie wenigstens versetzen. Die Sachbearbeiterin hatte mehrfach Kolleginnen und Kollegen bedroht und auch körperlich attackiert.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Sachbearbeiterin ihren Kollegen, der in der vereinbarten Lüftungszeit ein Fenster geöffnet hatte, in aggressivem Tonfall aufgefordert hat, das Fenster zu schließen. Als der Kollege dieser Aufforderung nicht nachkam, hat sie ihn mit voller Kraft am Handgelenk gepackt und ihn schließlich vom Fenster weggerissen, um ihrerseits das Fenster zu schließen.

Einer anderen Kollegin, mit der sie sich ebenfalls um die Fensteröffnung gestritten hat, hat sie in diesem Zusammenhang entgegnet, diese "solle bloß aufpassen", sonst passiere "etwas"; man werde sich "draußen noch mal begegnen" und dass sie sich "bloß vorsehen" solle.

Das Gericht gab daher dem Antrag des Betriebsrats statt und verpflichtete den Arbeitgeber, die Mitarbeiterin zu entlassen. Diese war am Verfahren selbst beteiligt gewesen und hatte die Möglichkeit erhalten, ihre Sicht der Dinge zu schildern.

Bundesarbeitsgericht: Entlassungsverlangen stellt betriebliches Erfordernis dar

Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine Kündigung aus, gegen die sich die Arbeitnehmerin mit der Kündigungsschutzklage wehrte. Ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht sahen eine ordentliche Kündigung als wirksam an.

Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klägerin keinen Erfolg: Aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts, wonach die Beklagte die Klägerin zu entlassen hatte, liege ein dringendes betriebliches Erfordernis für die ordentliche Kündigung vor.

Dies insbesondere, weil die Klägerin selbst schon Beteiligte in diesem Verfahren gewesen sei. Das Arbeitsgericht habe schon in diesem Verfahren festgestellt, dass die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung vorlägen.

Pressemitteilung des Bundesarbeitsgericht zum Urteil 28. März 2017 - 2 AZR 551/16

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Das sagen wir dazu:

Es scheint auf den ersten Blick paradox, dass ein Betriebsrat sich für die Entlassung einer Mitarbeiterin einsetzt. Ist er doch Vertretungsorgan der Beschäftigten und wird auch von diesen gewählt.

Aber der Betriebsrat muss nicht nur den einzelnen Mitarbeiter im Blick haben, sondern die gesamte Belegschaft. Er hat nicht nur die Aufgabe, die Mitarbeiter vor Belastungen durch den Arbeitgeber zu schützen, sondern auch vor Belästigungen durch notorische Störenfriede.

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich erstmalig mit dieser Vorschrift auseinander zu setzen, was dafür spricht, dass derartige Verfahren auch für Betriebsräte die absolute Ausnahme darstellen.

Am Ergebnis kann letztlich kein Zweifel bestehen: Wenn das eine Arbeitsgericht (im Beschlussverfahren) dem Arbeitgeber unter Androhung von Zwangsgeld aufgibt, einen Mitarbeiter zu kündigen, so kann ihm nicht ein anderes Arbeitsgericht (im Kündigungsschutzverfahren) dies verbieten. Jedenfalls nicht mit der Begründung, es liege kein Kündigungsgrund vor.

Ob man im durchgesetzten Entlassungsbegehren nun einen betrieblichen Grund sieht (wie das Bundesarbeitsgericht) oder auf die Präjudizwirkung des Beschlussverfahrens abstellt (wie das LAG Düsseldorf) ist im Ergebnis also nicht entscheidend. 

Stellt man auf das Entlassungsgebot ab, das strukturell einem Beschäftigungsverbot ähnelt, so käme auch eine personenbedingte Kündigung in Frage. Und mit Blick auf die zu Grunde liegenden Verfehlungen vielleicht sogar eher eine verhaltensbedingte Kündigung.

Das Ergebnis ist auch für Betriebsräte wichtig: Haben sie ein Entlassungsbegehren erfolgreich durchgesetzt, so kann dies nicht durch das Kündigungsschutzverfahren konterkariert werden.

Rechtliche Grundlagen

Betriebsverfassungsgesetz § 104 Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer

Betriebsverfassungsgesetz
§ 104 Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer

Hat ein Arbeitnehmer durch gesetzwidriges Verhalten oder durch grobe Verletzung der in § 75 Abs. 1 enthaltenen Grundsätze, insbesondere durch rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen, den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört, so kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung verlangen. Gibt das Arbeitsgericht einem Antrag des Betriebsrats statt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Entlassung oder Versetzung durchzuführen, und führt der Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung zuwider nicht durch, so ist auf Antrag des Betriebsrats vom Arbeitsgericht zu erkennen, dass er zur Vornahme der Entlassung oder Versetzung durch Zwangsgeld anzuhalten sei. Das Höchstmaß des Zwangsgeldes beträgt für jeden Tag der Zuwiderhandlung 250 Euro.