Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat mitteilen, welche Arbeitnehmer für ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) in Betracht kommen, damit der Betriebsrat seine Überwachungsaufgabe erfüllen kann.

Welcher Sachverhalt lag dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde?


Der Arbeitgeber ist auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrttechnik tätig. In seinem Betrieb besteht eine Betriebsvereinbarung über die Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM). Das BEM ist ein Verfahren nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX). Darin soll geklärt werden, wie Arbeitnehmern, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt sind, die Arbeitsfähigkeit und der Arbeitsplatz erhalten werden können.

In der Betriebsvereinbarung verpflichtete sich der Arbeitgeber, dem Betriebsrat in jedem Quartal ein Verzeichnis der Mitarbeiter zu geben, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Der Arbeitgeber will dem Betriebsrat die Namen dieser Arbeitnehmer nur mit deren Einverständnis mitteilen. Er berief sich auf die eigene Verpflichtung zum Datenschutz nach deutschem und europäischem Recht. Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, ihm die Namen weiterzugeben. Er beantragte beim Arbeitsgericht, den Arbeitgeber zu verpflichten, sich an das vereinbarte Verfahren zu halten.

Wie hat das Bundesarbeitsgericht entschieden?


Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Namen der Beschäftigten, für die ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) in Frage kommt, gemäß der Betriebsvereinbarung mitzuteilen, entschied das BAG. Er kann dies nicht unter Berufung auf den Datenschutz verweigern oder von der vorherigen Zustimmung der Beschäftigten im Einzelfall abhängig machen.

Rechtliche Grundlage für das BEM ist § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber verpflichtet, dieses Verfahren allen Beschäftigten anzubieten, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sind. Der Betriebsrat hat nach § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX darüber zu wachen, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht nachkommt. Dazu muss er den in Frage kommenden Personenkreis kennen. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist nicht von der vorherigen Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer abhängig, betont das BAG. Der Angabe der Namen stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.

Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis:

Die Entscheidung des BAG ist zutreffend und für die Interessenvertreter auf Arbeitnehmerseite zu begrüßen. Sie ist richtig, weil sie der Intention des Gesetzgebers entspricht. So heißt es in § 84 SGB XI, dass Betriebs- oder Personalrat darüber wachen sollen, dass der Arbeitgeber die ihm obliegenden Verpflichtungen erfüllt. Diese Überwachung ist nur dann effektiv möglich, wenn der Betriebsrat auf die wesentlichen Informationen zugreifen kann.
Die Interessenvertretung kann nur dann überprüfen, ob der Arbeitgeber seine Pflicht zur Durchführung eines BEM erfüllt, wenn sie Kenntnis über sämtliche Kollegen hat, bei denen die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Im vorliegenden Betrieb gab es sogar eine Betriebsvereinbarung, die einen entsprechenden Auskunftsanspruch des Betriebsrats enthielt. Das BAG hat die Betriebsvereinbarung aber gar nicht als entscheidend angesehen. Schon aus den gesetzlichen Bestimmungen des § 84 SGB XI  ergibt sich demnach der Auskunftsanspruch des Betriebsrates.

Auf die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter kommt es zutreffender Weise nicht an. Der Eingriff in datenschutzrechtlich relevante Informationen ist begrenzt. Die Interessenvertretung erhält lediglich eine Mitteilung über die Namen der Mitarbeiter und die Anzahl der Fehlzeiten. Weitergehende Informationen zu den Erkrankungen der Kollegen erhält der Betriebsrat nicht.

Auch europäische Vorschriften stehen dem Auskunftsbegehren nicht entgegen.

Es ist daher durchaus empfehlenswert, den Arbeitgeber durch regelmäßige Anfragen zu den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Belegschaft an seine sozialrechtliche Verpflichtung zur Durchführung von BEM zu erinnern.
Auch dem Abschluss einer Betriebsvereinbarung wie im Ausgangsfall mit einer automatischen quartalsweisen Mitteilungspflicht des Arbeitgebers steht nun selbstverständlich nichts mehr im Wege.

Pressemitteilung des BAG zum Beschluss vom 07.02.2012, Az: 1 ABR 46/10