Der Fall:

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Die Arbeitgeberin unterhält in A einen Betrieb mit mehr als 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Arbeitnehmer war vom 01.10.bis 31.12.2009 in diesem Betrieb als Leiharbeitnehmer beschäftigt. Zum 01.01.2010 wurde er in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Am 16.03.2010 machte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben per Aushang im Betrieb bekannt.

Der Arbeitnehmer wollte ebenfalls kandidieren. Er reichte dem Wahlvorstand am 29.03.2010 als Listenvertreter eine aus sechs Wahlbewerbern bestehende Vorschlagsliste ein. Der Wahlvorstand wies die Vorschlagsliste am 30.03.2010 mit der Begründung zurück, der Arbeitnehmer sei nicht zum Betriebsrat wählbar, weil er noch nicht sechs Monate als Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sei. Die Wahl fand ohne die Liste des Arbeitnehmers statt, ihr Ergebnis wurde am 28.04.2010 bekannt gegeben.

Der Arbeitnehmer und seine fünf Mitbewerber auf der Liste fochten das Wahlergebnis vor dem Arbeitsgericht an. Das ArbG erklärte die Wahl für unwirksam, das Landesarbeitsgericht Köln wies die Beschwerde des Betriebsrats gegen diesen Beschluss zurück.

Die Entscheidung:

Das BAG wies die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurück und bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen. Die Betriebsratswahl im Betrieb A ist unwirksam. Der Wahlvorstand hat gegen die wesentliche Wahlvorschrift des § 8 Abs. 1 BetrVG verstoßen, indem er den Arbeitnehmer und seine Liste nicht zur Wahl zugelassen hat.

Entgegen der Auffassung des Wahlvorstandes und des Betriebsrats war der Arbeitnehmer nach § 8 Abs. 1 BetrVG zum Betriebsrat wählbar. Seine Beschäftigung als Leiharbeitnehmer ist als Betriebszugehörigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuerkennen. Die Wahl musste für nichtig erklärt werden, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass das Wahlergebnis bei Zulassung der Liste anders ausgegangen wäre (§ 19 Abs 1 BetrVG).

Das BAG betont, schon der Wortlaut des § 8 Abs. 1 BetrVG spreche dafür, auch Zeiten, die ein Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer im Betrieb verbracht hat, auf die Sechsmonatsfrist anzurechnen. Dass Leiharbeitnehmer während ihres Einsatzes im Entleiherbetrieb wählbar wären, verbiete § 14 Abs. 2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), auch in Fällen nicht gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung. Hingegen seien Zeiten, in denen der Arbeitnehmer unmittelbar vorher einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder Konzerns angehört hat, anrechenbar.

Das BAG hatte bisher noch nicht darüber entschieden, ob Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb auf die in § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorausgesetzte sechsmonatige Dauer der Betriebszugehörigkeit anzurechnen sind, wenn der Arbeitnehmer im unmittelbaren Anschluss an die Überlassung ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet.

Der Siebte Senat des BAG bejaht diese Frage aber nun in seiner Entscheidung. § 8 Abs. 1 BetrVG sei dem Wortlaut nach nicht eng auszulegen. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, der mutmaßliche Wille des Gesetzgebers und die überwiegende Meinung der Fachliteratur sprechen nach Ansicht des BAG dafür, Leiheinsätze vor der Übernahme in ein Arbeitsverhältnis auf den Zeitraum anzurechnen.

Folgen für die Praxis: Bettina Fraunhoffer LL.M.

Beschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer im entleihenden Betrieb sind auf die in § 8 Abs. 1 S 1 BetrVG vorausgesetzte sechsmonatige Dauer der Betriebszugehörigkeit anzurechnen, so dass dieser Arbeitnehmer als Betriebsrat kandidieren kann. Für den Wahlvorstand und die Betriebsratswahl ist damit ein neuer Punkt festgesetzt worden, den es zu beachten gibt. Die Hürde, dass die Wahl nicht anfechtbar ist, ist nicht gering. Man muss nunmehr auch beachten und als Wahlvorstand abprüfen, ob jemand zuvor als Leiharbeitnehmer im Betrieb beschäftigt war. Der Betriebsrat sollte daher immer sich auch laufend die Informationen der Leiharbeitnehmer, die  im Betrieb eingesetzt sind, vom Arbeitgeber geben lassen. Im Übrigen fügt sich diese Entscheidung aber in die Reihe der weiteren Entscheidungen in letzter Zeit zu Leiharbeitnehmern und deren Stellung im Betrieb ein. So hat Das LAG Düsseldorf (besprochen in AiB Informationsdienst 26/2012) entschieden, dass die Versetzung eines Leiharbeitnehmers in einen anderen Betrieb des Entleihers der Mitbestimmung des Betriebsrats des Entleihbetriebs gemäß § 99 BetrVG. § 14 Abs. 3 AÜG unterliegt.  Das BAG zählt die Leiharbeitnehmer auch für den Schwellenwert der Erheblichkeit einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG mit (BAG, Urteil vom 18.10.2011, Az.  1 AZR 335/10) auch mit. Und aktuell entschied das BAG am 24.01.2013 (Az. 2 AZR 140/12), dass bei der Berechnung der Betriebsgröße – unter bestimmten Umständen – auch Leiharbeitnehmer mitgezählt werden können, wenn die Frage geklärt werden muss, ob das Kündigungsschutzgesetz greift. Dies ist bei mehr als zehn „in der Regel“ beschäftigten Arbeitnehmern der Fall.
Zusammenfassend wird damit klar, dass Leiharbeitnehmer im Betrieb vom Wahlvorstand und auch vom Betriebsrat wahrgenommen, berücksichtigt und auch betreut werden sollten.

Beschluss des BAG vom 10.10.2012, Az: 7 ABR 53/11