H&M erneut gescheitert!
H&M erneut gescheitert!


H&M scheint deutschlandweit ganz erhebliche Probleme damit zu haben, dass Betriebsrät*innen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ausüben, die durch das Betriebsverfassungsgesetz garantiert sind.
Aber die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats ist aus guten Gründen nicht ganz einfach. Zunächst muss der Arbeitgeber den gesamten Betriebsrat um Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung bitten. Lehnt der Betriebsrat ab, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen.
 

H&M scheitert auf der ganzen Linie

 
Dass die Tübinger Filiale alles andere als ein Einzelfall ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, wie oft, mit welchen Mitteln und mit welchem Ergebnis H&M versucht hat, sich missliebiger Betriebsrät*innen zu entledigen:
 

  • 2008, Augsburg: Zustimmungsersetzungsantrag scheitert beim Arbeitsgericht
  • 2009, Duisburg: Zustimmungsersetzungsantrag scheitert beim Arbeitsgericht sowie beim Landesarbeitsgericht
  • 2011, Berlin: Antrag auf Amtsenthebung des gesamten Betriebsrates;
    H&M nimmt Antrag bei Landesarbeitsgericht zurück
  • 2012, Trier: Zustimmungsersetzungsantrag scheitert beim Bundesarbeitsgericht
  • 2016, Leverkusen: Zustimmungsersetzungsantrag scheitert beim Arbeitsgericht

 

Trotzdem geht es munter weiter …

 
Am 20.06.2017 verhandelte das Arbeitsgericht Reutlingen über einen weiteren Zustimmungsersetzungsantrag von H&M in Tübingen.
 

Der äußere Rahmen

 
Der Saal platzte aus allen Nähten, weil sehr viele Kolleg*innen den Betriebsratsvorsitzenden der Tübinger Filiale unterstützen wollten.
H&M ließ sich von Rechtsanwalt Volker von Alvensleben vertreten, der zunächst dadurch überraschte, dass er sachlich verhandelte und nicht die nass-forsche und polemisierende Art hatte, die Union-Busting-Anwälten wie Naujoks (Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf) oder Ruge & Kröger (Hamburg) sonst eigen ist.
 
Vergleiche dazu:


DB Sicherheit macht Jagd auf Betriebsräte!

Betriebsräte -Mobbing als anwaltliche Dienstleistung


Das verbindliche Auftreten des Arbeitgeberanwalts änderte aber nichts daran, dass auch er nach Kräften dazu beizutragen versuchte, dass der Betriebsratsvorsitzende seinen Arbeitsplatz verliert.
 

Die Vorgeschichte

 
Seit seiner Wahl zum Betriebsrat 2006 setzte sich der jetzige Vorsitzende nachdrücklich für die Belange der Beschäftigten ein. Dies war und ist auch bitter nötig. Wenn Mitarbeiter*innen in der „glücklichen“ Lage sind, eine 50%-Stelle zu bekommen, verdienen sie etwa 1.200,- € brutto. Das ist wenig genug. Aber viele Mitarbeiter*innen haben sogar nur Verträge mit einem „Basisstundensatz von 10 oder 15 Stunden. Sie können darüber hinaus nur auf Abruf arbeiten, wenn dafür Bedarf besteht. Wenn nicht, bleibt es bei 10 oder 15 Stunden pro Monat. Davon kann kein Mensch leben. Deshalb setzte sich der Betriebsratsvorsitzende mit aller Kraft dafür ein, möglichst viele Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse für die Mitarbeiter*innen zu erreichen. Freunde in der Geschäftsleitung machte er sich dadurch nicht.
 
Im Dezember 2016 bewarb sich der Vorsitzende des Betriebsrates um eine Stelle als stellvertretender Abteilungsleiter. Er bekam die Stelle nicht. Statt dessen bot ihm H&M an, gegen eine Abfindung von 50.000 € aus dem Betrieb auszuscheiden. Dieses Angebot lehnte der Vorsitzende ab.
 

Vorwurf der Arbeitgeberseite

 
H&M ließ im Verfahren um die Zustimmungsersetzung vortragen, der Vorsitzende habe in einem Gespräch mit der Filialleiterin Arbeitnehmerrechte wie etwa das Anrufen einer Einigungsstelle zum „Kauf“ angeboten, indem er besondere Zulagen für die Betriebsrät*innen forderte.
 

Der Vorsitzende hält dagegen

 
Dass er für sich und seine beiden Kolleginnen um eine Aufbesserung des Gehaltes gebeten hat, ist richtig. Das geschah aber nicht in seiner Funktion als Betriebsrat, sondern als normaler Mitarbeiter bei H&M. Dies war die Folge davon, dass die Filialleiterin in einem früheren Gespräch ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt hatte, auch über die finanziellen Wünsche der Mitarbeiter*innen zu reden.
 

Befragung der Filialleiterin


Die vom Gericht befragte Filialleiterin stützte erwartungsgemäß den Vortrag der Arbeitgeberseite. Sie wiederholte - teilweise wortgleich - das Protokoll, das sie  nach dem Gespräch angefertigt hatte. Gleichwohl bereitete es Probleme, sie als eine Zeugin anzuerkennen, die selbst keinerlei Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte. Denn es ist ohne Weiteres vorstellbar, dass sie durch ihre Aussage bei ihrem offensichtlich betriebsratsfeindlichen Arbeitgeber „Punkte sammeln“ wollte.
 

Beteiligtenbefragung

 
Der Betriebsratsvorsitzende schilderte dann detailreich und lebendig, wie das Gespräch abgelaufen ist. Nachfragen des Gerichts beantwortete er sicher und schlüssig.
 

Entscheidung des Gerichts

 
Wegen der unterschiedlichen Darstellungen sah sich das Gericht letztlich nicht in der Lage, ohne vernünftige Zweifel davon auszugehen, dass das Gespräch so verlaufen ist, wie die Filialleiterin es geschildert hat. Damit ist es der Arbeitgeberseite nicht gelungen nachzuweisen, dass ein wichtiger Grund für eine Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden tatsächlich gegeben ist. Diesen Nachweis muss der Arbeitgeber im Prozess aber führen. Gelingt ihm das nicht, darf das Arbeitsgericht die Zustimmung der Kündigung nicht ersetzen. Deshalb war H&M vor dem Arbeitsgericht Reutlingen wieder einmal der Verlierer des Prozesses.

Das sagen wir dazu:

Eigentlich sollte man meinen, dass H&M fähig sein müsste, aus den zahlreichen Niederlagen zu lernen. Gerade die Prozessergebnisse sollten eigentlich dazu führen,  dass H&M den Konfrontationskurs aufgibt und versucht, mit den Betriebsräten konstruktiv zusammenzuarbeiten. Aber das Gegenteil ist der Fall. Inzwischen hat H&M bereits einen weiteren  Zustimmungsersetzungsantrag in Bonn gestellt. Und das Verfahren in Leverkusen ging in die zweite Instanz. Das alles lässt den Schluss zu, dass es H&M - wenn überhaupt - erst in zweiter Linie darum geht, die Prozesse zu gewinnen. Viel wichtiger scheint zu sein, eine Drohkulisse aufzubauen, deren alleiniges Ziel Abschreckung ist. H&M will aktive Betriebsrät*innen durch arbeitsgerichtliche Verfahren zermürben, die lange dauern und nervenaufreibend sind. Den übrigen Mitarbeiter*innen will H&M möglichst drastisch vor Augen führen, was sie erwartet, wenn sie sich entschließen sollten, Betriebsrät*innen zu werden. So entsteht ein gewolltes Klima der Einschüchterung und Angst.

Die einzige Möglichkeit, sich dagegen erfolgreich zu wehren, besteht im solidarischen Zusammenstehen von Belegschaft und Betriebsrat. Solange dies bei H&M gewährleistet bleibt, wird sich H&M an seinen Mitarbeiter*innern-Vertretung weiterhin die Zähne ausbeißen.