Der Rentenbescheid ist da. Nicht immer ist dann auch das Arbeitsverhältnis beendet. Copyright by Adobe Stock/pix4U
Der Rentenbescheid ist da. Nicht immer ist dann auch das Arbeitsverhältnis beendet. Copyright by Adobe Stock/pix4U

Es ist zulässig, ein Arbeitsverhältnis zu befristen, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt, der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses objektiv vorliegt. So regelt es des Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Ähnlich verhält es sich, wenn Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in im Arbeitsvertrag von vornherein vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis enden soll, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt. § 21 TzBfG bestimmt, dass die gesetzlichen Regeln hinsichtlich des Befristungsgrundes in diesem Fall entsprechend gelten.

Ein möglicher Befristungsgrund kann nach dem Gesetz in der Person des Arbeitnehmers liegen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG). Ein solcher Befristungsgrund liegt nach herrschender Auffassung vor, wenn im Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze endet.

Verminderte Erwerbsfähigkeit ist allein kein ausreichender Sachgrund für die auflösende Bedingung

Ein sachlicher Grund in der Person des Arbeitnehmers, der rechtfertigt, ein Arbeitsverhältnis zu befristen, liegt auch vor, wenn es eine Regelung gibt, nach der das Arbeitsverhältnis wegen des Bezugs einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung enden soll.
Die verminderte Erwerbsfähigkeit stellt allein allerdings keinen ausreichenden Sachgrund für die auflösende Bedingung dar. Erst wenn die Interessen des Arbeitnehmers angemessen durch die Anknüpfung an die rentenrechtliche Versorgung eingebunden werden, ist es gerechtfertigt, das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung zu beenden. Daher ist Voraussetzung, dass das das Arbeitsverhältnis nur enden soll, wenn die Rente nicht befristet ist. Das sagt auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in ständiger Rechtsprechung.

Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer selbst entscheiden kann, ob er die Rente in Anspruch nimmt

Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertige allerdings erst die sozialrechtliche Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers den Auflösungstatbestand ohne Kündigung. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) schützt nämlich das Recht des Arbeitnehmers, in eigener Verantwortung über die Fortführung der von ihm gewählten Tätigkeit zu entscheiden.
Sowohl eine gesetzliche Altersrente als auch Erwerbsminderungsrenten bekommen die Berechtigten nur auf Antrag. Wenn der Arbeitnehmer keinen Antrag stellt, tritt die auflösende Bedingung gar nicht erst ein.

Nach Auffassung des BAG stellt Rente als auflösende Bedingung auch keine Benachteiligung oder mittelbare Diskriminierung des Arbeitnehmers dar. Zwar räumt das BAG ein, dass jemand, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig Rente bezieht, auch behindert im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist.  Die Regelung ist allerdings nach Auffassung des BAG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

Es könne davon ausgegangen werden, das betroffene Arbeitnehmer*innen wegen chronischer Krankheiten ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag auf Dauer nicht mehr erfüllen könnten. Das Arbeitsverhältnis würde gleichsam „sinnentleert“.

Die auflösende Bedingung diskriminiert den Arbeitnehmer weder unmittelbar noch mittelbar

Auch der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass behinderte Menschen nur dann gegen Entlassungen geschützt sind, wenn die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar sein soll. Eine Diskriminierung liege danach nicht vor, wenn ein Arbeitsverhältnis beendet werden solle, dessen Arbeitspflichten von einem behinderten Beschäftigten auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht erfüllt werden können.

Wenn die Erwerbsminderungsrente unbefristet gewährt wird, muss das Integrationsamt nach Auffassung des BAG auch nicht der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustimmen. Das folgert das Gericht aus der entsprechenden Vorschrift: Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf nach § 175 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, wenn sie im Falle des Eintritts einer teilweisen Erwerbsminderung, der Erwerbsminderung auf Zeit, der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Von unbefristeter Rente steht da nichts.

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gibt es grundsätzlich befristet

Roland Behringer (Name von der Redaktion geändert) war seit 1998 zunächst als Kran- und Staplerfahrer und zuletzt als Mitarbeiter im Bereich Prüf- und Messtechnik bei der Fahrwerk und Karosserie GmbH (FKG  - Name von der Redaktion geändert) beschäftigt. Im August 2016 hat die Agentur für Arbeit ihn einem behinderten Menschen gleichgestellt.

Im Arbeitsvertrag findet sich folgende Bestimmung:
„Das Arbeitsverhältnis endet ohne vorherige Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 65. Lebensjahr vollendet bzw. mit Beginn des Monats, ab dem er Altersruhegeld oder eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erhält. Dies gilt auch, wenn die Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nur befristet bezogen wird."

Mit Bescheid vom 16.08.2018 gewährte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Herrn Behringer befristet bis zum 28.02.2021 eine monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die DRV hat die Rente deshalb befristet, weil es das Gesetz es in § 102 Absatz 2 SGB VI so vorsieht. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden grundsätzlich auf Zeit geleistet und zwar für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Wenn der Berechtigte Rente unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage bekommt, wird sie unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann.

Ist die Erwerbsminderungsrente befristet, muss das Integrationsamt zustimmen, wenn dadurch ein Arbeitsverhältnis beendet werden soll

Mit Schreiben vom 18.02.2020 teilte die FKG Herrn Behringer mit, dass das Arbeitsverhältnis mit ihm wegen des Rentenbezugs beendet sei.

Roland Behringer ist zum Glück Mitglied der IG Metall und ließ sich durch das Büro Neuruppin der DGB Rechtsschutz GmbH vertreten. Das Gericht gab Herrn Behringer jetzt in vollem Umfang Recht.
Es wies darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis schon deshalb nicht beendet sei, weil das Integrationsamt nicht zugestimmt hatte.

Anders als in der zitierten Rechtsprechung des BAG geht es bei Herrn Behringer um eine befristete Rente, sodass es einer Zustimmung gemäß § 175 SGB IX bedürfe.
Das Arbeitsgericht stimmte aber auch der Rechtsauffassung unserer Kolleg*innen aus Neuruppin zu, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht aufgelöst worden wäre, wenn das Integrationsamt rechtzeitig zugestimmt hätte.

Arbeitsgericht Potsdam: Weil die Rente befristet ist, steht gerade nicht fest, dass es unwahrscheinlich ist, die Erwerbsminderung zu beheben

Grundsätzlich sei zwar anerkannt, dass ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund auch im Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung liegen könne. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertige der Bezug einer Erwerbsminderungsrente die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur, wenn der Arbeitnehmer durch eine dauerhafte Rentenleistung wirtschaftlich abgesichert werde.

Außerdem dürfe es nicht vom Belieben des Arbeitgebers abhängen, dass die auflösende Bedingung eintrete. Erst die sozialrechtliche Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers erlaube den Auflösungstatbestand ohne Kündigung. Schließlich müsse eine auflösende Bedingung ebenso wie die Zweckbefristung hinreichend bestimmt sein.

Die Rente habe die DRV nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI befristet gewährt. Deshalb stehe jedoch gerade nicht fest, dass die Behebung der Erwerbsminderung unwahrscheinlich sei (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Somit stehe gerade nicht fest, dass Herr Behringer auf Dauer nicht fähig sei, die vertraglichen Leistungen zu erbringen.

Die Bewilligung einer Rente, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers führe, sei als Auflösungstatbestand ungeeignet, weil damit der Kündigungsschutz ausgehebelt werden würde. Die entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag sei deshalb im Hinblick auf den befristeten Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung als auflösende Bedingung im Sinn des § 21 TzBfG wegen fehlender sachlicher Rechtfertigung nach § 14 Abs. 1 TzBfG unwirksam.

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