Der 7. Senat des BAG hat es sich nicht leicht gemacht. Er hat lange verhandelt und beraten und immer wieder auf die Vorgaben aus seinem Urteil vom 5.12.2012 verwiesen. Deshalb ist es keine Überraschung, dass der Entfristungsantrag der Klägerin abgewiesen wurde. Auch die Arbeitsverträge von Betriebsräten, so das BAG, können wirksam ohne Sachgrund befristet werden.
Die praktische Bedeutung dieses Leitsatzes des Urteils ist gering: So oft wird es nicht vorkommen, dass ein Arbeitgeber mit einem neu gewählten Betriebsrat einen befristeten Vertrag abschließt. Außerdem: Ein Arbeitgeber hätte im Falle einer anderen Wertung des höchsten Arbeitsgerichts zu diesem Punkt zwar keine Möglichkeit gehabt, mit dem Betriebsrat sachgrundlos eine Befristung zu vereinbaren. Unbenommen wäre ihm aber die Möglichkeit geblieben, einen Vertrag ganz abzulehnen. Und diese Wahl hätte sicherlich jeder Arbeitgeber getroffen, der sich einen Betriebsrat nicht unbefristet ins Haus holen will.
Verbot der Benachteiligung von Betriebsräten
Bedeutsam ist aber folgende Wertung des BAG: Die Weigerung eines Arbeitgebers, nach Ablauf der Befristung mit dem Betriebsratsmitglied einen Anschlussvertrag abzuschließen, stellt dann eine unzulässige Benachteiligung des Amtsträgers dar, wenn sie wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt. Dies ergibt sich aus § 78 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Auch wenn die Urteilsgründe der Entscheidung des 7. Senates noch nicht vorliegen: Es ist davon auszugehen, dass sich das BAG von Europäischen Vorgaben hat leiten lassen (Art. 7 der RL 2002/14/EG und Art. 27 GRC).
Soweit – so gut.
Aber wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail: Wann ist davon auszugehen, dass der Anschlussvertrag nur deshalb nicht geschlossen wurde, weil dem Arbeitgeber die Betriebsratstätigkeit ein Dorn im Auge war?
Kaum ein Chef wird sich gerichtlich oder vorprozessual mit einem derartigen Motiv brüsten. Jeder Arbeitgeber, der nicht auf einem anderen Stern lebt, wird natürlich wie der in dem vom BAG entschiedenen Fall behaupten, dass auch andere befristet Beschäftigte keine Verlängerung erhalten haben oder dass nun wirklich kein dauerhafter Beschäftigungsbedarf bestehe.
Knackpunkt: Beweislast
Entscheidend ist also die Frage der prozessualen Beweislast. Zu begrüßen ist die Festlegung des 7. Senats, dass das Betriebsratsmitglied zunächst nur Indizien darlegen muss, die für eine Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit sprechen. Diese muss dann der Arbeitgeber gegebenenfalls entkräften.
Zu kritisieren ist aber, dass das BAG letztendlich die Beweislast für eine Diskriminierung wegen des Amtes dem Betriebsrat auferlegt. Diese Anforderung wird in der Praxis nur schwer zu erfüllen sein. Meistens werden Hintergründe und Motive für eine Entscheidung des Arbeitgebers kaum nachvollziehbar, geschweige denn beweisbar sein.
Deshalb ist das BAG eben doch auf halbem Weg stecken geblieben.
Andere Möglichkeiten zur Entscheidung hätten für die Erfurter Richter durchaus bestanden, wie der Prozessvertreter der Klägerin, die das Verfahren mit Hilfe ihrer Gewerkschaft IG BCE geführt hat, aufgezeigt hat: Das BAG hätte sich durchaus auf Europäisches Recht berufen können sowie auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes, wenn es dem Arbeitgeber die volle Beweislast auferlegt hätte.
Umsetzung durch die Arbeitsgerichte ist entscheidend
So bleibt es abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte in der praktischen Anwendung künftig mit derartigen Fällen umgehen: Eine strenge Handhabung der Beweislast zum Nachteil des Betriebsratsmitgliedes und eine Übersteigerung der Anforderungen entsprechen weder dem Europäischen Recht noch dem Schutzgedanken für Betriebsräte, den das BAG betont. Dann wären die beachtenswerten Ansätze der Entscheidung des 7. Senates verpufft. Und der Befristungsschutz würde tatsächlich auf halbem Weg stecken bleiben.
Ausblick: Andere Diskriminierungsgründe
Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung die guten Ansätze der BAG-Entscheidung aufgreift und weiter entwickelt. Schließlich gibt es außer der Betriebsratstätigkeit noch andere Diskriminierungsgründe, die der Grund dafür sein können, dass ein Arbeitgeber im Anschluss an eine Befristung den Folgevertrag verweigert:
Kann ein Schwerbehinderter oder Homosexueller, dessen Befristung ausläuft, einen Beschäftigungsanspruch geltend machen mit der Behauptung, die Vertragsablehnung beruhe auf diskriminierendem Verhalten? Reicht auch dann der Vortrag von Indizien, mit der Folge, dass diese dann vom Arbeitgeber entkräftet werden müssen? Und ist die Rechtsfolge in derartigen Fällen der Anspruch auf Anschlussbeschäftigung? Immerhin sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Sanktion eben gerade keinen Anspruch auf Vertragsschluss vor, sondern „nur“ einen Entschädigungsanspruch (§ 15 AGG).
Wenn sich allerdings gerade das AGG als Schutzgesetz für Diskriminierte als Hemmnis für sachgerechte Sanktionen darstellt, dann ist der Gesetzgeber gefordert, diesen Missstand zu beseitigen.
Michael Mey - Onlineredakteur - Hagen
Zum Urteil BAG vom 5.12.2012, 7 AZR 698/11
Zu unserem Artikel v. 25.6.2014 Befristungsschutz
Siehe auch den ähnlichen Fall der Wirksamkeit der Befristung, wenn eine Wahl in den Betriebsrat nach Vertragsschluss erfolgt ist:
Endet ein befristetes Arbeitsverhältnis auch bei Neu- Betriebsräten?