Keine Rückzahlungspflicht von Weiterbildungskosten bei jährlich gestaffelter Minderung der Rückzahlungspflicht
Keine Rückzahlungspflicht von Weiterbildungskosten bei jährlich gestaffelter Minderung der Rückzahlungspflicht

Wenn Fortbildungskosten um ein vielfaches höher als das Bruttomonatseinkommen eines Arbeitnehmers liegen, so stellt eine jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungspflicht eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar. Eine entsprechende Klausel im Ausbildungs-Anstellungsvertrag ist daher nach der Entscheidung des Landesarbeitsgericht Mainz vom 03. März 2015 gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. 

Im Januar 2013 schloss ein Diplom-Ingenieur mit einer Kfz-Prüfstelle einen Ausbildungs-Anstellungsvertrag ab. Vereinbart wurde zwischen den Vertragsparteien, dass der Diplom-Ingenieur zunächst eine zehnmonatige Ausbildung zum Prüfingenieur absolviert und er im Anschluss hieran als Prüfingenieur bei der Kfz-Prüfstelle beschäftigt wird. 


Der Diplom-Ingenieur verpflichtete sich zur Zurückzahlung der Ausbildungskosten in Höhe von 35.500 Euro, wenn er aus eigenen Antrieb oder Verschulden nach Durchführung der Weiterbildung den Betrieb vor Ablauf von drei Jahren verlässt. 


Die Rückzahlungspflicht sollte sich jährlich mindern. Vor Ablauf des ersten Jahrs kündigte der beklagte Diplom-Ingenieur im April 2014. Die klagende Arbeitgeberin klagte daraufhin auf Rückzahlung der Fortbildungskosten.

Klage auf Rückzahlung der Fortbildungskosten erstinstanzlich abgewiesen.

Mit Urteil vom 18. September 2014 wies das Arbeitsgericht Ludwigshafen die Klage auf Rückzahlung der Fortbildungskosten ab. Begründet wurde dies damit, dass die entsprechende Klausel im Ausbildungs-Anstellungsvertrag wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam sei, da sich die Rückzahlungspflicht nur jährlich reduziert habe. Gegen diese Entscheidung legte die klagende Arbeitgeberin Berufung ein.

Landesarbeitsgericht hält Rückzahlungspflicht grundsätzlich für zulässig.

Grundsätzlich für zulässig hielt das Landesarbeitsgericht, dass Arbeitgeber als Ausgleich für seine finanziellen Aufwendungen von einem sich vorzeitig abkehrenden Arbeitnehmer die Kosten der Ausbildung ganz oder zeitanteilig zurückverlangen können. 


Im Hinblick auf die nicht unerhebliche Höhe der Fortbildungskosten hielt des Landesarbeitsgericht auch die Bindung über drei Jahre für zulässig, da der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran habe, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation möglichst langfristig für seinen Betrieb nutzen zu können.

Aber: Unangemessene Benachteiligung aufgrund lediglich jährlich gestaffelter Minderung der Rückzahlungspflicht.

Vom Grundsatz der Zulässigkeit einer Rückzahlungsverpflichtung abweichend, kam das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, dass eine lediglich jährlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungspflicht unzulässig sei. 


Begründet wurde dies, unter Hinweis auf Artikel 12 Grundgesetz, damit, dass anfallende Weiterbildungskosten, die das Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers um ein vielfaches übersteigen und eine jährliche Staffelung das grundgesetzlich über die Berufsfreiheit geschützte Interesse des Arbeitnehmers an einer möglichst unbeeinträchtigten Ausübung seiner Berufsfreiheit nicht ausreichend berücksichtige. 


Eine solche Klausel sei somit unangemessen benachteiligend und mithin unwirksam. Als zulässig erachtete das Landesarbeitsgericht eine monatlich gestaffelte Minderung der Rückzahlungspflicht.

Landesarbeitsgericht: Vom Bundesarbeitsgericht für zulässig erklärte jährliche Staffelung durch Tarif- oder Arbeitsvertrag unerheblich.

Soweit das Bundesarbeitsgericht entschieden habe, so die Richter*innen der Berufungskammer, dass eine jährliche Staffelung der Rückzahlungspflicht durch einen Tarif- oder Arbeitsvertrag zulässig ist, habe dies nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts keine Auswirkung auf die Wirksamkeit einer durch eine Vertragsklausel geregelten jährlich gestaffelten Reduzierung der Rückzahlungspflicht.

Anmerkung:

Wenn eine Rückzahlungsvereinbarung unangemessen ist, ist sie insgesamt unwirksam und kann auch vom Gericht nicht durch eine angemessene Regelung ersetzt werden. 


Arbeitnehmer*innen sollten dann, wenn ihnen eine Rückzahlungsforderung ins Haus steht und Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit bestehen, die Rückzahlungsvereinbarung durch ihre Gewerkschaft, oder im Rahmen eines von der Gewerkschaft gewährten Beratungsrechtsschutzes durch die Juristen*innen der DGB Rechtsschutz GmbH überprüfen lassen. Eine solche Vorgehensweise kann Sinn machen, da die Überprüfung von Rückzahlungsklauseln nicht selten das Ergebnis zeitigen dass diese unwirksam sind. 


Im Praxistipp:
 Bürgerliches  Gesetzbuch (BGB) § 307 Inhaltskontrolle + Artikel 12 Grundgesetz

Rechtliche Grundlagen

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 307 Inhaltskontrolle + Artikel 12 Grundgesetz

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 307 Inhaltskontrolle + Artikel 12 Grundgesetz

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 307 Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
------------------------------------------------------------

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Artikel 12

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.