Ordnungsgemäße Vollzeitausbildung parallel zum Studium machbar und möglich.
Ordnungsgemäße Vollzeitausbildung parallel zum Studium machbar und möglich.

Mit Urteil vom 03.Dezember 2015 hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden, dass der Beginn eines Universitätsstudiums parallel zur Berufsausbildung nicht die Löschung des Lehrvertrages aus dem Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse rechtfertigt. 

Verwaltungsgericht Aachen: Studium neben Ausbildung möglich

Begründet wurde die Entscheidung damit, dass bei einem Bachelorstudium eine Anwesenheitspflicht nur in geringem Umfang besteht und das Selbststudium ohne weiteres auf die Abendstunden und/oder das Wochenende gelegt werden kann. Es sei daher, so die 6. Kammer des VG Aachen, nicht ausgeschlossen, dass parallel zum Studium eine ordnungsgemäße (Vollzeit-)Ausbildung stattfinden kann.

In der vom VG entschiedenen Sache  hatte die Auszubildende im Oktober 2013 mit einem Pferdegestüt, deren Inhaber ihr Stiefvater ist, einen Vertrag über die Ausbildung zur Pferdewirtin geschlossen. Die Arbeitszeit wurde im Ausbildungsvertrag auf 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich festgelegt. 

Im September 2014 nahm sie parallel zu ihrer Ausbildung einen Bachelorstudiengang an der Universität Maastricht auf. Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen nahm dies zum Anlass, den Ausbildungsvertrag aus dem Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse zu löschen. Gegen diese Entscheidung erhob der Ausbildungsbetrieb Klage beim VG Aachen.

Vollzeitausbildung parallel zum Studium machbar und möglich

Das Verwaltungsgericht Aachen gab der gegen den Löschungsbescheid gerichteten Klage des Pferdegestüts statt und hob diesen auf. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass der Ausbildungsvertrag nur zum Schein abgeschlossen worden sei. 

Denn die Auszubildende habe sich mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Ausbildung zur Pferdewirtin für das Studium an der Universität entschieden und dieses erst im September 2014 aufgenommen. Es könne daher nicht angenommen werden, dass das Pferdegestüt und die Auszubildende tatsächlich kein Ausbildungsverhältnis hätten begründen wollen. 

Überdies sei eine Löschung des Ausbildungsvertrages wegen Nichtgewährleistung eines geordneten Ausbildungsgangs nur dann möglich, wenn die Auszubildende aufgrund von Anwesenheits- und sonstigen Pflichten im Studium objektiv nicht in der Lage sei, parallel dazu eine geordnete Ausbildung (im Sinne einer Vollzeitausbildung) zu absolvieren. Daran fehle es hier. 

Studium kann freier geplant werden als Schulzeit

Ein Studium könne im Unterschied zu einer allgemeinbildenden Schule auch in den eher "verschulten" Bachelorstudiengängen wesentlich freier geplant werden. Eine Anwesenheitspflicht bestehe nur in geringem Umfang, und das Selbststudium könne ohne weiteres auf die Abendstunden und/oder das Wochenende gelegt werden. 

Daher sei es nicht ausgeschlossen, dass parallel zum Studium eine ordnungsgemäße Vollzeitausbildung stattfinde. So habe die Auszubildende geltend gemacht, dass sie lediglich zweimal wöchentlich an Studienveranstaltungen von jeweils zwei Stunden teilnehme. Weitere Vorlesungen etc. könne sie über das Internet verfolgen; das Selbststudium erfolge abends und am Wochenende. 

Somit sei anzunehmen, dass die Auszubildende ihren Verpflichtungen aus dem Ausbildungsvertrag auch im Hinblick auf die Arbeitszeit nachkommen könne. Letztendlich sei auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitszeiten auf einem Gestüt weniger stark fixiert sein dürften als etwa in einem Industriebetrieb.

Gegen das Urteil kann die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen, über den das Oberverwaltungsgericht (OVG) zu entscheiden hat. Sollte die Berufung beantragt und durch das OVG zugelassen werden, werden über deren Ausgang berichten. 

Anmerkung:

Die Entscheidung des VG Aachen ist begrüßenswert. Denn es ist nicht erkennbar, warum es neben einer Vollzeitausbildung nicht möglich sein soll ein Studium aufzunehmen, wenn dies die Studiengänge zulassen. Auch wenn die Ausbildung zu einer Pferdewirtin sicherlich mehr Möglichkeiten im Hinblick auf die Zeiteinteilung bieten mag, so dürfte auch in anderen Ausbildungsberufen die Möglichkeit bestehen, neben einer Azubi-Tätigkeit auch ein Studium aufzunehmen. 

Hier direkt zur Pressemitteilung des Verwaltungsgericht Aachen, Urteil vom 03.12.2015 - 6 K 1400/15: