Nicht nur Azubis, die die ganze Firma zum Jubeln bringen, ist ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Ausbildung anzubieten. Copyright by  Robert Kneschke/Adobe Stock
Nicht nur Azubis, die die ganze Firma zum Jubeln bringen, ist ein Arbeitsverhältnis im Anschluss an die Ausbildung anzubieten. Copyright by Robert Kneschke/Adobe Stock

Die Ausbildung zum Industriekaufmann beendete das Mitglied der IG Metall im Januar 2019 nach erfolgreicher Abschlussprüfung. Doch zu einem Arbeitsverhältnis kam es im Anschluss nicht. Darüber hatte ihn der Ausbildungsbetrieb schon zuvor informiert.

Übernahme nach der Ausbildung ist der Regelfall

Im Januar 2019 ist der neue Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (MTV) in Kraft getreten. Die Übernahme von Auszubildenden ist dort in § 47 geregelt (zuvor: Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung).

Danach sollen die Ausbildungsbetriebe die Azubis in der Regel nach bestandener Abschlussprüfung unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernehmen. Wer ein solches Angebot nicht erhält, ist vom Arbeitgeber für mindestens 12 Monate befristet zu übernehmen.

Außergerichtliche Bemühungen der IGM endeten ohne Kompromiss

Die Gewerkschaft bemühte sich in Gesprächen mit dem großen Unternehmen für Umformtechnik um eine Lösung. Der junge Mann sollte durch ein kurzes, befristetes Arbeitsverhältnis die Möglichkeit haben, sich wenigstens mit etwas Berufserfahrung, und damit besseren Chancen auf den Arbeitsmarkt, um eine andere Anstellung zu bewerben.

Doch die Antwort blieb nein, egal um welche Dauer der Befristung es ging. Deshalb kam es zur Klage vor dem Arbeitsgericht Bielefeld mit Vertretung durch den örtlichen DGB Rechtsschutz.

Die Zeit lief gegen den Kläger

Das eigentliche Ziel des Klägers, zumindest ein befristetes Arbeitsverhältnis zu bekommen, war letztlich nicht zu erreichen. Dafür verging zu viel Zeit. Denn nach dem Bundesarbeitsgericht kann man mit einer Tarifnorm zur Übernahme eines Auszubildenden lediglich den Abschluss eines Arbeitsvertrages verlangen, der sich direkt an die Berufsausbildung anschließt. Zumindest muss er sehr zeitnah nach der Berufsausbildung erfolgen.

Der Termin, an dem das Gericht ein Urteil hätte sprechen können, fand im Juli 2019 statt, also sechs Monate nach der Abschlussprüfung. Eine Beschäftigung sehr zeitnah zum Ausbildungsende war nicht mehr möglich.

Tarifliche Pflicht auf Übernahme nach der Ausbildung

Damit war der Arbeitgeber aber noch nicht ganz aus dem Schneider. Denn er hatte die tarifliche Verpflichtung verletzt, dem Kläger nach abgeschlossener Ausbildung die Übernahme in ein unbefristetes oder befristetes Arbeitsverhältnis anzubieten. Das muss er nach dem MTV, soweit personenbedingte Gründe nicht entgegenstehen. Erfüllt er die Pflicht nicht und liegt keine Ausnahme nach dem Tarifvertrag vor, entsteht ein Anspruch auf Schadensersatz.

Natürlich hatte das beklagte Unternehmen ein paar Gründe parat, warum der Kläger nicht zu übernehmen war. Diese vermochten das Gericht aber nicht wirklich zu überzeugen. Zum Teil waren sie sehr pauschal, wie der Vorwurf, dem Kläger habe es an Engagement gemangelt.

Gründe, die eine Nichtübernahme rechtfertigen?

Der Kläger hatte in der Ausbildung eine Abmahnung erhalten und sah hier seinen Fehler auch ein. Er hatte sich trotz Aufforderung nicht bei seinem Ausbilder gemeldet. Der Arbeitgeber hielt ihm außerdem seine Krankheitszeiten vor.

Der personenbedingte Grund nach dem MTV ist nicht identisch mit dem personenbedingten Grund für eine Kündigung. Er umfasst auch das Verhalten des Azubis. Da aber die Anwendung des Begriffs im Sinne des Tarifvertrages zu erfolgen hat, steht nicht jede Verfehlung einer Übernahme entgegen.
Das sah auch das Gericht so. Nach dem Tarifvertrag sei nicht nur mustergültigen Auszubildenden ein Anschlussarbeitsverhältnis anzubieten.

Verfahren endet per Vergleich

Da der Kläger zum Zeitpunkt der Verhandlung noch immer keinen Job gefunden hatte, regte das Gericht an, sich auf einen Schadensersatz zu einigen. Dem stimmten beide Seiten letztlich zu.

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Das sagen wir dazu:

Azubis, die wissen, dass der Ausbildungsbetrieb sie nicht übernehmen wird, sollten möglichst frühzeitig reagieren. Zunächst sollten sie klären, ob ein Tarifvertrag gilt, der eine Pflicht zur Übernahme nach der Ausbildung regelt. Dann müssten sie schnell rechtliche Schritte einlegen.

Wird das Ende der Ausbildung abgewartet, kann dies wegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Konsequenzen haben. Es darf keine oder zumindest keine große Lücke zwischen Ausbildungsende und der weiteren Beschäftigung entstehen. Eine Klage kann danach nur zu einem Beschäftigungsanspruch führen, wenn das Verfahren bis zur Abschlussprüfung oder kurz danach abgeschlossen ist. Wir kritisieren diese Rechtsprechung. Sie bedeutet, dass es einem Azubi, der nicht übernommen wird, nur sehr schwer möglich ist, auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu klagen.

Ist es zu spät, um ein Anschlussarbeitsverhältnis gerichtlich durchzusetzen, bleibt ein möglicher Anspruch auf Schadensersatz. Je nachdem, ob der Arbeitgeber gute Gründe für die Nichtübernahme hat oder nicht, überlegt er es sich vielleicht noch anders und stimmt zumindest einem befristeten Arbeitsverhältnis zu.