Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Klage eines Krankenpflegers abgewiesen, der zusätzliche Vergütung für das Anziehen von weißer Dienstkleidung eingeklagt hatte.
Arbeitgeber stellt Dienstkleidung
Bei der Beklagten, einem Krankenhaus mit etwa 300 Pflegekräften, galt eine Betriebsvereinbarung über das Tragen von Dienst- und Schutzkleidung. Danach erhielt jeder Pfleger als Erstausstattung sechs weiße Hosen und Oberteile und jede Pflegerin sechs weiße Kleider oder Hosenanzüge.
Das Pflegepersonal war verpflichtet, die entsprechende Dienstkleidung während des Dienstes zu tragen. Der Arbeitgeber stellte zudem Umkleideräume und abschließbare Schränke für jeden Beschäftigten zur Verfügung.
Die Dienstkleidung war nicht beschriftet oder in irgendeiner Form dem Arbeitgeber zuzuordnen, die Namensschilder wurden mit einem Clip befestigt und konnten außerhalb des Dienstes abgenommen werden.
Muss Arbeitgeber das Umziehen vergüten?
Der Kläger hat für den Zeitraum von Februar 2013 bis April 2014 für das An- und Ablegen der Dienstkleidung und die Wege von der Umkleidestelle zur Arbeitsstelle insgesamt 20 Überstunden geltend gemacht.
Dabei berief er sich einerseits auf die Biostoffverordnung und andererseits auf die Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe. Die Arbeitskleidung diene als Schutzkleidung, etwa vor MRSA oder Noroviren und dürfe daher nicht privat getragen werden.
Außerdem berief er sich auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach es unzulässig sei, wenn ein Arbeitgeber verlange, dass die Beschäftigten ihre Arbeitskleidung zu Hause anziehen und auf dem Weg zur Arbeit tragen müssen.
Arbeits- und Schutzkleidung
Die Beklagte wehrte sich mit dem Argument, es bestehe keine Notwendigkeit die Dienstkleidung erst am Arbeitsort anzuziehen. Ein Problem mit der Hygiene entstehe dadurch nicht.
Es handele sich bei den weißen Hemden und Hosen nicht um Schutzkleidung, sondern lediglich um Arbeitskleidung. Wer in Kontakt zu Risikopatienten trete, müsse zusätzlich Schutzkleidung anlegen, was auch vergütet werde.
LAG: Weiße Kleidung ist nicht gleich Schutzkleidung
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage, wie bereits die Vorinstanz, abgewiesen. Ein Anspruch des Klägers auf Entlohnung für die Umkleidezeit bestehe nicht, weil der Kläger nicht gezwungen sei, die weiße Kleidung im Dienst an- und abzulegen.
Bei der weißen Dienstkleidung handele es sich nicht um Schutzkleidung, wie sie etwa bei Isolationspatienten oder im OP getragen werde, so dass die nur im Betrieb getragen werden dürfe.
Es sei dem Kläger auch zuzumuten, die weiße Kleidung zu Hause anzulegen, da diese keinen Hinweis auf den Arbeitgeber enthalte und das Namensschild entfernt werden könne.
Weiße Kleidung symbolisiert Sauberkeit
Zwar sei eine rein weiße Bekleidung im Straßenbild durchaus auffällig, sie sei aber auch bei Apothekern, Physiotherapeuten oder privaten Arztpraxen üblich, so dass kein Rückschluss auf den Beruf des Klägers gezogen werden könne.
Es ließe sich auch nicht erkennen, dass das Tragen der weißen Kleidung einen wesentlichen Baustein im Gesamtkonzept der Krankenhaushygiene darstellt.
Schließlich profitiere der Kläger auch von der Bekleidungsvorschrift, da die Dienstkleidung vom Arbeitgeber gewaschen werde und er Kosten und Zeitaufwand für Reinigung und Verschleiß der persönlichen Kleidung erspare.
Anmerkung
Die vorliegende Entscheidung ist sicherlich ein Grenzfall. Einerseits handelt es sich bei weißen Hosen und Shirts wohl richtigerweise nicht um Schutzkleidung, da ein Schutz allenfalls dahingehend besteht, als dass Schmutz leichter erkennbar ist.
Andererseits ist die Kleidung auch nicht, wie sonst oft üblich, mit Schriftzügen versehen, die die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Unternehmen deutlich machen. Der Arbeitnehmer ist also auch nicht gezwungen, für den Arbeitgeber „Reklame zu Laufen“.
Dennoch muss der Arbeitnehmer in der vom Arbeitgeber vorgeschriebenen Kleidung zur Arbeit gehen, sonst muss er sich in der Freizeit ein zweites Mal einkleiden. Das Landesarbeitsgericht hat eingestanden, dass die weiße Kleidung im Alltag durchaus auffällig ist, dies aber nicht als so schwer gewichtet, dass es dem Arbeitnehmer nicht zuzumuten wäre, zumal er ja seine eigene Kleidung schont.
Das Landesarbeitsgericht hat an mehreren Stellen durchscheinen lassen, dass eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre, wenn die Sache etwas anders gelagert gewesen wäre, etwa wenn der Kläger die zentrale Bedeutung der weißen Kleidung für die Hygiene deutlicher hätte machen können. Es handelt sich damit letztlich um eine Entscheidung, die nicht über den konkreten Fall hinausreicht.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 03.05.2016 - 11 Sa 1007/15 hier im Volltext
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Rechtliche Grundlagen
§ 611 BGB
(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.