Seit dem 11.04.1919 sorgt die ILO für international geltende Rechtsnormen, die den Mitgliedern verbindliche Sozial- und Arbeitsbedingungen vorschreiben, nachdem diese Staaten sie ratifiziert haben. Die ILO gibt zudem Empfehlungen an Regierungen, die der Orientierung ihrer Arbeits- und Sozialpolitik dienen.
 
Das Besondere an der ILO ist ihr dreigliedriger Aufbau: neben den Regierungsvertreter*innen der Mitglieder sind auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter*innen aus diesen Staaten gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Derzeit sind 187 Staaten Mitglieder der ILO.
 
Zur ILO als Organisation und deren Bedeutung siehe auch unseren Artikel:
„ILO schafft und erhält internationale Arbeits- und Sozialstandards“ sowie unseren Artikel:
„DGB Rechtsschutz zu Gast bei der Internationalen Arbeitsorganisation“

Reiner Hoffmann: In Zeiten großer Umbrüche in der Arbeitswelt und einer allgemeinen globalen Verunsicherung brauchen Gewerkschaften eine starke ILO

Auf einer Festveranstaltung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) unter dem Titel "Zukunft schaffen durch soziale Gerechtigkeit und menschenwürdige Arbeit" wurde jetzt das 100-jährige Bestehen gefeiert. Teilnehmer waren neben Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) als wichtige Mitglieder der ILO.
 
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), unterstrich dabei die Bedeutung, die die Organisation für die Gewerkschaften und die Zukunft der Arbeit hat: „Arbeit ist weder eine Ware noch ein Roboter. In Zeiten großer Umbrüche in der Arbeitswelt und einer allgemeinen globalen Verunsicherung, die das multilaterale System bröckeln lässt, brauchen Gewerkschaften eine starke ILO, die dieses Versprechen einzulösen vermag. Die ILO muss auf der globalen Bühne das politische Gewicht erhalten, das sie in die Lage versetzt, den entstandenen ökonomischen und sozialen Ungleichheiten wirksam entgegenzutreten.“
 
Die Veranstaltung in Berlin war nur der Auftakt zahlreicher nationaler Jubiläumsveranstaltungen in einer Vielzahl von Mitgliedsländern.

Die Gründung der ILO und ihr Wirken ist nur im geschichtlichen Kontext zu verstehen.

Die ILO und damit auch die Gewerkschaften verfassen nicht nur Resolutionen, sondern schaffen verbindlich geltendes Arbeitsvölkerrecht. Recht und Gesetz entsteht indessen nicht im geschichtsfreien Raum. Nicht das Recht erschafft gesellschaftliche Wirklichkeit. Aufgabe des Rechts ist vielmehr, ökonomischen und gesellschaftlichen Prozessen einen ordnenden Rahmen zu geben. Einen Rahmen, der dem Recht des Stärkeren wirksame Mittel entgegensetzt und dafür sorgt, dass die Interessen aller Gesellschaftsmitglieder weitgehend berücksichtig werden.
 
Die Aufgabe der ILO ist die weltweite Verwirklichung menschenwürdiger Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das unterstreicht insbesondere die Bedeutung der Gewerkschaften im dreigliedrigen Aufbau der Organisation. Nur starke Gewerkschaften können in der ILO Rechtsnormen durchsetzen, die die Interessen der abhängig Beschäftigten angemessen berücksichtigen. Ihre einflussreiche Position verdanken die Gewerkschaften aber nicht der Menschenfreundlichkeit der Regierungen, sondern ihrer eigenen Stärke und Entschlossenheit. Die Erkenntnis, dass eine friedliche Weltordnung nur mit angemessener Beteiligung der Arbeitnehmerorganisationen zu verwirklichen ist, war ein entscheidender Grund für die Gründung der ILO. Das sei vor allem freidemokratischen Deregulierern einmal unter die Großhirnrinde geschoben.  
 
Beginnend ab etwa Ende des 18. Jahrhunderts änderten sich die Lebensverhältnisse vieler Menschen in Europa dramatisch. Mit der Entwicklung der Dampfmaschine steigerte sich die Produktivität enorm. Viele mechanische Maschinen wie etwa der Webstuhl oder die Spinnmaschine mussten nicht mehr mit menschlicher Muskelkraft betrieben werden. Insbesondere in England setzte dadurch die erste industrielle Revolution ein. Der Kohleabbau konnte durch den Einsatz der Dampfmaschine erheblich effizienter betrieben werden. Besonders stark entwickelte sich die Textilindustrie, wiederum insbesondere in England. Ab 1830  setzte dann mit dem Aufbau der Eisenbahnnetze und die damit verbundene Beschleunigung der Transportwege die zweite industrielle Revolution ein. Diese war stark geprägt durch die Verbindung von Forschung und industrieller Produktion. Das Erfahrungswissen der Arbeiter*innen wurde immer weniger entscheidend. Wichtiger waren die Forschungsergebnisse aus den Universitäten und den Fachabteilungen der Industriebetriebe.

Die Abschaffung der Leibeigenschaft löste das fest gefügte Ständesystem allmählich auf

Während in der ersten industriellen Revolution vor allem Bergbau und Textilindustrie vorangebracht hat, entwickelten sich in der zweiten chemische Industrie, Elektrotechnik und Maschinenbau stark und lösten die Textilindustrie als Leitindustrie allmählich ab. Hinzu kamen mit der Nutzung von Elektrizität eine weitere Steigerung der Produktivität und eine erhebliche Verbesserung der Kommunikation durch den Einsatz von Telegrafen. Zudem war jetzt nicht mehr nur England das Zentrum der Industrialisierung. Insbesondere Deutschland erlebte einen Wachstumsschub und wurde zu einem der bedeutendsten Exporteure von Technologie.
 
Parallel vollzog sich in den meisten europäischen Ländern ein sozialer Wandel. Die Abschaffung der Leibeigenschaft, die Lockerung von Zunftschranken und Gewerbefreiheit lösten das fest gefügte Ständesystem allmählich auf. Den Menschen war nicht mehr nach Geburt und Abstammung ein fester Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Er wurde rechtlich frei. Eine starke Bevölkerungszunahme führte zudem dazu, dass viele Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr durch die bis dato vorherrschende Landwirtschaft sicherstellen konnten. In Massen zogen sie in die industriellen Zentren, um als Lohnarbeiter ihren Unterhalt zu verdienen. Dadurch entstand eine neue gesellschaftliche Klasse: die Arbeiterschaft oder das Proletariat.
 

Arbeiter*innen waren die Verlierer der Industrialisierung

Das städtische Bürgertum war der eigentliche Sieger der Entwicklung, weil es über die Produktionsmittel verfügte, Kapital, Fabriken und Maschinen. Das immer zahlreicher werdende Proletariat wurde „doppelt frei“, wie Karl Marx es ausdrückte: frei von rechtlichen Schranken und in der Entscheidung arbeiten gehen zu können, aber auch frei von jeder anderen Möglichkeit den Lebensunterhalt zu verdienen als durch Erwerbsarbeit. Dadurch entstand eine neue Abhängigkeit, die nicht mehr „gottgegeben“ war, sondern ökonomisch bestimmt.
 
Aber auch der Besitzbürger war nicht wirklich der Herr seiner Entscheidungen. Schon Marx bezeichnete den Kapitalisten als einen Getriebenen der Verhältnisse. Er herrscht zwar über Kapital, kann darüber aber nicht nach freiem Willen verfügen, weil er permanent zur Aufrechterhaltung seiner „Herrschaft“ gezwungen ist, Innovation zu betreiben und neue Märkte zu erschließen. Kapitalismus erfordert permanentes Wachstum. Wachstum ist nur durch hohe Profite möglich, die zu wesentlichen Teilen reinvestiert werden müssen. Profite haben wegen der Konkurrenz auf den Märkten die Tendenz, ständig abzunehmen. Dem muss der Kapitalist entgegenwirken, indem er etwa den Anteil der Lohnkosten senkt. Der Eigentümer eines Industriebetriebes, ob Privatmensch oder Kapitalgesellschaft, hat also ein wirtschaftliches Interesse, möglichst geringe Löhne zu zahlen.
 
Die meisten Proletarier verfügten daher über ein sehr geringes Einkommen, das für den Lebensunterhalt nicht ausreichte. So wurden selbst Kinder in die Erwerbsarbeit getrieben und mussten häufig bis zu 14 Stunden täglich arbeiten gegen Hungerlöhne. Die Masse der Industriearbeiter*innen und ihrer Familien lebten unter erbärmlichen Bedingungen und verelendeten zunehmend. Es gab keine Arbeitsschutzgesetze. Arbeitsunfälle waren persönliches Schicksal. An Kündigungsschutz war nicht zu denken. Wer alt oder krank war, wurde gefeuert und hatte keine Gelegenheit mehr, irgendein Einkommen zu erzielen.
 

Die Industrialisierung führte zur Verelendung breiter Massen

Dazu kamen noch elende und unhygienische Wohnverhältnisse, die zu Krankheiten und frühem Tod führten. Gesetzliche Renten oder Invalidenversicherungen waren in den meisten Ländern unbekannt. In Deutschland wurden ab 1883 mit der Bismarck'schen Sozialversicherungsgesetzgebung immerhin die gesetzliche Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Unfallversicherung eingeführt. Auch wenn diese Gesetze in Deutschland einige wesentlichen Probleme milderten, änderte sich doch nichts an der prekären Lage der Arbeiterklasse. Die Industrialisierung bewirkte auch ein starkes Wachstum der Städte und eine sich daraus ergebene Wohnungsnot. Häufig teilten sich in den Industriestädten in Deutschland bis zu 10 Menschen 14m2 Wohnraum. Da von den kärglichen Löhnen Familien die Mieten selbst der wenig komfortablen und viel zu kleinen Wohnungen nicht leisten konnten, mussten sie in der Regel untervermieten, etwa an sogenannte „Schlafburschen“.
 
Theoretisch waren auch Arbeitnehmer im Aushandeln Ihrer Arbeitserträge frei. In Deutschland gilt seit dem 01.01.1900 das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Rechtliche Bestimmungen über Arbeitsverhältnisse sah das Gesetz ursprünglich überhaupt nicht vor. Ein Arbeitsverhältnis war rechtlich ein ganz normales Dienstverhältnis. Ein Arbeiter ist danach vergleichbar mit einem Arzt, der mit seinem Privatpatienten einen Behandlungsvertrag aushandelt. Ewald Kowalski verhandelt mit Alfried Krupp frei über den Umfang der als Stahlarbeiter zu erbringenden Dienstleistung und über die Höhe des zu zahlenden Entgeltes. Da beide rechtlich gleich stark sind, kommt bei geschickten Verhandeln ein Vertrag zustande, der beider Interessen angemessen berücksichtigt. Dass das nicht funktioniert, liegt auf der Hand. In der Praxis legitimierte die so verstandene „Vertragsfreiheit“ einseitige unternehmerische Herrschaft, etwa indem Arbeitsverträge dem Unternehmer das Recht gaben, Betriebsordnungen zu erlassen, in denen dann ausbeuterische Arbeitsbedingungen festgeschrieben wurden.


Die Lösung heißt Solidarität und gewerkschaftlicher Kampf 

Arbeiter haben sich deshalb schon früh zu Gewerkschaften zusammengeschlossen. Sie hatten erkannt, dass nur das gemeinschaftliche solidarische Handeln Stärke bedeutet. Nur wenn sie gemeinsam Forderungen stellten und diesen Forderungen im Zweifel durch Streik Nachdruck verliehen, konnten sie Verbesserungen erreichen. Sie konnten Arbeitgeber zum Abschluss von Tarifverträgen zwingen und auch Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger nehmen, Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erlassen. Letztlich hat auch der Druck der stärker werdenden Arbeiterbewegung in Deutschland zur bismarckschen Sozialgesetzgebung geführt. Bismarck sollte man sich wahrlich nicht als netten Kerl mit einer sozialen Ader vorstellen.
 
In den europäischen Ländern und in Nordamerika wurden viele Ansätze entwickelt für die Lösung der sozialen Frage, etwa von den Kirchen auf Basis der christlichen Soziallehre. Am bedeutendsten war aber die Arbeiterbewegung mit ihren Gewerkschaften und politischen Parteien wie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).  
 

Kapitalismus funktioniert nur mit Wachstum und Ausdehnen der Märkte

Der Kapitalismus ist indessen auf die Ausweitung der Märkte angewiesen. Dem Verfall der Profitraten kann nicht grenzenlos mit möglichst niedrigeren Löhnen begegnet werden. Auch die Arbeiterbewegung verhinderte mit Arbeitskämpfen und Einfluss auf die Gesetzgebung nicht nur ein stetiges Herabsinken der Löhne, sondern setzte vielmehr in vielen Bereichen dort, wo sie stark war, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen durch. Auch technische Innovation reicht allein nicht aus, wirtschaftliche Profite auf hohem Niveau zu halten. Hinzu kommen die der kapitalistischen Produktionsweise periodisch auftretenden Überproduktions- und Absatzkrisen. Von Anfang an sah sich das Kapital daher nicht an nationale Grenzen gebunden, sondern agierte global.
 
Eine Möglichkeit, nationale Märkte zu erweitern, war der Erwerb von Kolonien. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Imperialismus der europäischen Großmächte zumindest im wesentlichen seine Ursache genau hier hat. Rosa Luxemburg etwa vertrat in ihrem Werk „Die Akkumulation des Kapitals“ die Auffassung, dass der Erwerb von Kolonien und die Ausdehnung der Märkte auf nichtkapitalistische Länder den Niedergang des Kapitalismus zumindest verzögern würde. Andere Imperialismustheorien gehen davon aus, dass der wirtschaftliche Expansionsdrang nicht die alleinige Ursache für Imperialismus gewesen ist, sondern dass zumindest noch ideologische Komponenten hinzu kommen.
 

Die Konkurrenz der europäischen Großmächte führte zum Weltkrieg

Welcher Imperialismustheorie man auch folgt, die Konkurrenz der europäischen Großmächte um Anteile an den globalen Märkten und um Abbaugebiete für Rohstoffe war letztlich die wesentliche Ursache für den ersten Weltkrieg. Deutschland war erst 1871 als Staat gegründet worden und trat als Kolonialmacht erst zu einem Zeitpunkt auf, als bereits große Teile der Welt unter Mächten wie England, Frankreich, Spanien, Portugal oder den Niederlanden verteilt waren. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts erwarb es Kolonien in einem wesentlich geringeren Umfang als die übrigen Mächte. Unter Kaiser Wilhelm II. kam es zu einer sich immer schärfer entwickelnden Auseinandersetzung mit diesen Mächten. Von einem „Platz an der Sonne“ Deutschlands war die Rede. Ab 1898 begann Deutschland mit dem Aufbau einer Kriegsflotte, die der britischen Flotte ebenbürtig sein sollte, auch wenn dieses Ziel nie erreicht wurde. 1905 entwickelten die deutschen Generäle dann den sogenannten „Schlieffenplan“. Kern dieses Plans war ein Angriffskrieg auf Frankreich. Um dessen Verteidigungslinien zu umgehen, sah der Plan vor, neutrale Länder wie Belgien und die Niederlande anzugreifen, gleichsam mit dem Ziel, Paris „durch die Hintertür“ zu erobern.
 
Das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Sophie Chotek in Sarajevo war dann letztlich nur der Anlass, der zum Krieg führte. Ein Krieg, im dem das internationale Recht regelmäßig verletzt wurde, etwa durch den völkerrechtlich längst geächteten Einsatz von Giftgasen. Ein Krieg, der unmittelbar 17 Millionen Menschen das Leben gefordert hat, darunter 7 Millionen Zivilisten und weitere Millionen Tote in seiner Folge aufgrund von Krankheiten und Unterernährung. Ein Krieg, der große Teile Europas verwüstet und zum Zusammenbruch ganzer Herrschaftssysteme geführt hat.
 
Das Ausmaß und die Auswirkungen des ersten Weltkriegs waren indessen so gravierend, dass auch den Herrschenden der imperialistischen europäischen Mächte dessen Gefährlichkeit und Sinnlosigkeit klar wurde. Unter der Initiative der USA, die erst 1917 in den Krieg eingegriffen hatten, wurde nach Ende des Krieges über eine neue Weltordnung verhandelt mit dem Ziel der Beseitigung aller wirtschaftlichen Schranken und Herstellung einer Gleichheit der Handelsbedingungen für alle Nationen sowie der Freiheit der Seeschifffahrt. Das entsprach den Kriegszielen, die die USA von Anfang an verfolgt hatten und die Präsident Wilson in seinem berühmten 14-Punkte-Programm vom 08. Januar 2018 bereits vorgestellt hatte.
 

Der Versailler Vertrag beendete den ersten Weltkrieg völkerrechtlich

Völkerrechtlich endete der erste Weltkrieg durch den Versailler Vertrag von 1919. In Deutschland hat dieser Friedensvertrag einen schlechten Ruf, weil in ihm eine Alleinschuld Deutschlands am Kriegsausbruch, verbunden mit der Verpflichtung zu Reparationszahlungen festgeschrieben wurde.

Ein wesentliches Ergebnis der Pariser Friedenskonferenz 1919 war indessen die Gründung des Völkerbundes mit Sitz in Genf. Dessen Satzung war Gegenstand aller Pariser Vorortverträge und somit auch des Versailler Vertrages.
 
Bereits in Punkt 14 seines Programms vom Januar 1918 hatte Wilson die Gründung eines allgemeinen Verbandes der Nationen mit besonderen Verträgen zum Zweck gegenseitiger Bürgschaften für die politische Unabhängigkeit und die territoriale Unverletzbarkeit der kleinen wie der großen Staaten gefordert. Das Ziel war mit der Gründung des Völkerbundes erreicht. Gleichwohl lehnte der US-Kongress eine Mitgliedschaft der Vereinigten Staaten ab. Somit hatten die USA im Völkerbund nur einen Beobachterstatus. Deutschland trat 1926 bei, allerdings erklärten die Nazis bereits im Oktober 1933 wieder den Austritt. Die Sowjetunion wurde 1933 aufgenommen, allerdings bereits 1939 wieder ausgeschlossen. Somit hatte der Völkerbund zu keiner Zeit die Bedeutung, wie sie die Vereinten Nationen (UNO) heute haben.
 

Die Friedensverhandlungen standen unter dem Eindruck von Kämpfen der Arbeiterbewegung

Die Friedensverhandlungen in Versailles wurden begleitet von europaweiten Kämpfen der Arbeiterbewegung. Insbesondere in Deutschland fanden im Januar 1919 blutige Auseinandersetzungen statt, die in die Geschichte als „Spartakusaufstand“ eingegangen sind. Arbeiter*innen hatten nach einem Aufruf sogenannter „revolutionärer Obleute“ das Berliner Zeitungsviertel besetzt. Der Sozialdemokrat Gustav Noske, von der ebenfalls sozialdemokratisch geführten provisorischen Reichsregierung als Oberbefehlshaber über die Freikorps eingesetzt, erteilte diesen am 11.Januar 1919 den Befehl, die besetzten Zeitungsgebäude gewaltsam zu räumen. Dieser Befehl wurde von einem Freikorps, der Brigade Erhard, mithilfe von Maschinengewehren und Mörsern brutal ausgeführt. Es kam dabei zu vielen Todesopfern unter den Besetzern, die ob der Angriffe völlig unvorbereitet waren und sich zumeist freiwillig ergaben. Das war der Auftakt zu unbeschreiblichen Gewaltexzessen durch rechtsradikale Freikorps, die in keinem Verhältnis zu einzelnen Gewalttaten linker Gruppen standen. Am 15. Januar 1919 ermordeten Mitglieder der so genannten „Garde-Kavallerie-Schützen-Division“ unter Hauptmann Waldemar Pabst heimtückisch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.
 
Vergleich hierzu unseren Artikel „Der Kaiser ist weg“
 

Eine friedliche und gerechte Weltordnung ist ohne angemessene Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen nicht denkbar

Auch in anderen europäischen Ländern und selbst in den USA gab es starke Arbeiterbewegungen, die in Gewerkschaften und politischen Parteien Interessen von Arbeitnehmer*innen und deren Beteiligung an der Politik durchsetzen wollten. Unter diesem Eindruck fand vom 18. Januar 1919 bis zum 21. Januar 1920 die Pariser Friedenskonferenz in Versailles statt. Auch wenn nirgendwo auf der Welt außerhalb des Gebietes der späteren Sowjetunion konkret die Gefahr bestanden hat, dass eine Kaderpartei nach russischem Vorbild eine brutale Diktatur errichtet, war den Teilnehmer*innen klar, dass an eine friedliche und gerechte Weltordnung ohne angemessene Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen nicht zu denken war. Insbesondere der britische Premierminister David LloydGeorge drängte stark auf die Gründung einer internationalen Arbeitsorganisation zur Durchsetzung jedenfalls elementarer Arbeitnehmerrechte in den künftigen Mitgliedstaaten des Völkerbundes.

Ein „Ausschuss für internationale Gesetzgebung“ erarbeitete auf der Konferenz die Verfassung einer internationalen Arbeitsorganisation (IAO- englisch: International Labour Organization  -ILO). Diese Verfassung wurde als Abschnitt VIII Bestandteil des Versailler Vertrages. Am 11. April 1919 nahm die ILO offiziell ihre Arbeit auf. Die ILO hatte dabei für eine internationale Organisation eine etwas ungewöhnliche Struktur: sie bestand nicht nur aus Regierungsvertretern, sondern zur Hälfte aus Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgebern.
 
In der Präambel der Verfassung beschreibt die ILO ihre Aufgabe:
 
„Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden. Nun bestehen aber Arbeitsbedingungen, die für eine große Anzahl von Menschen mit so viel Ungerechtigkeit, Elend und Entbehrungen verbunden sind, dass eine Unzufriedenheit entsteht, die den Weltfrieden und die Welteintracht gefährdet.“
 

Arbeitnehmer waren für die ILO zunächst nur Männer aus Industriestaaten

Ausgehend von dieser Erkenntnis formulierte die ILO ihre vorrangigen Aufgaben: die Verbesserung dieser Bedingungen weltweit. Allerdings bestand seinerzeit ein unter heutigen Maßstäben seltsames Bild der „Welt“. Gemeint waren vor allem die westlichen Industriestaaten. Insbesondere die Kolonien verstand man nicht als eigenständige Teile der Welt, sondern gleichsam als Anhängsel der Industrienationen ohne eigene Rechte. Entsprechend war niemand der Auffassung, dass gerechte Sozialstandards auch für die Arbeitnehmer*innen in den Kolonien gelten sollten. Zwar wurde die Position eines „Bevollmächtigten für die indigenen Völker“ geschaffen, der allerdings ein eher paternalistisches Verständnis für seine Aufgabe hatte. Arbeiter*innen aus den Kolonien waren nach diesem Verständnis eher „Schutzbefohlene“ als Inhaber eigener Rechte. Auch waren die Gremien der ILO fast vollständig mit Männern besetzt. An diesem Zustand änderte sich in den nächsten 25 Jahren nicht viel.
 
Mitglieder der ILO waren die Mitgliedstaaten des Völkerbundes. Die ILO selbst wurde eine ständige Einrichtung des Völkerbundes mit Sitz in Genf.
 

Das erste ILO-Übereinkommen legt den Achtstundentag fest

Die erste allgemeine Konferenz der ILO fand auf Einladung der Regierung der USA am 29. Oktober 1919 in Washington statt. Der erste Tagesordnungspunkt betraf die Arbeitszeit. Ergebnis war das Übereinkommen über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben. Es wurde der Grundsatz vereinbart, dass die Arbeitszeit der in allen öffentlichen oder privaten gewerblichen Betrieben oder ihren Nebenbetrieben beschäftigten Personen acht Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten darf.
 
Freilich regelte das Übereinkommen diverse Ausnahmen, etwa für leitende Angestellte, einzelne Branchen oder bei Betriebsstörungen. Auch für die Kolonien wurden Sonderregelungen vereinbart. Für Britisch-Indien sollte etwa der Grundsatz der Sechzigstundenwoche gelten. Für einzelne Länder wurden im Einkommen zudem andere Höchstarbeitszeiten geregelt. So sollte für Japan grundsätzlich eine Arbeitszeit von 57 Stunden in der Woche gelten.
 
Für Handel und Landwirtschaft galt das Übereinkommen gar nicht, weil diese Branchen im Übereinkommen nicht als gewerbliche Betriebe definiert waren.
 
Ratifiziert haben das Übereinkommen im Laufe der Zeit lediglich 52 Länder. Deutschland, die USA und Großbritannien gehören zu den Staaten die das erste Übereinkommen der ILO nicht ratifiziert haben.
 

Acht Stunden sind genug -  eine der zentralen gewerkschaftlichen Forderungen

Mit dem Übereinkommen wurde eine zentrale Forderung der Arbeiterbewegung aufgenommen. Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts organisierten Gewerkschaften in Europa, den USA und Australien Streiks, die den Achtstundentag als wichtigstes Ziel ausgaben. Auch die erste Internationale (Internationale Arbeiter Assoziation - IAA) forderte auf der Genfer Konferenz 1866 die gesetzliche Einführung des Achtstundentages. Die SPD nahm diese Forderung in ihrem Grundsatzprogramm von 1869 auf. In Deutschland war die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf acht Stunden seit 1918 Gesetz. Im Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918 erkannten die Arbeitgeberverbände die Gewerkschaften als Vertreter der Arbeitnehmer an. Arbeitsbedingungen sollten künftig in Tarifverträgen rechtsverbindlich geregelt werden. Zudem vereinbarten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände unter anderem in diesem Abkommen die Einführung des Achtstundentages. Am 23. November 1918 erließ die provisorische Regierung Deutschlands, der Rat der Volksbeauftragen, eine Verordnung zur Regelung der Arbeitszeit gewerblicher Arbeiter. Hier wurde der Achtstundentag gesetzlich festgeschrieben.
 
Allerdings relativierte bereits die Arbeitszeitverordnung von 1923 diesen Erfolg der Gewerkschaften, indem auch wieder Arbeitstage von 10 Stunden gestattet waren.
 

Die Nazis zerschlagen die Gewerkschaften

Die Delegierten der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften für die ILO ernennt die jeweilige Regierung auf Vorschlag der Mehrheitsorganisationen in ihrem Bereich. In Deutschland war das auf Arbeitnehmerseite vor allem der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB). Seit 1932 war der hessische Innenminister, der Sozialdemokrat Wilhelm Leuschner, der deutsche Arbeiterdelegierte der ILO. Leuschner war zudem Mitglied des Vorstandes des ADGB. Im April 1933 musste Leuschner auf Druck der Nazis als Innenminister zurücktreten. In der ILO nahm er einen Sitz im Verwaltungsrat ein.
 
Am 2. Mai 1933 besetzten Nationalsozialisten in ganz Deutschland die Gewerkschaftshäuser. Alle Vorsitzenden und viele Funktionäre nahmen die Nazis in „Schutzhaft“, eine euphemistische Beschreibung für Einsperren ohne rechtsstaatliches Verfahren. Das Vermögen der Gewerkschaften wurde beschlagnahmt, die Arbeiterorganisationen selbst verboten. Die Nazis gründeten nach Zerschlagung der Gewerkschaften die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Diese stellte alles andere als eine freie Gewerkschaft dar. Nach eigenem Bekunden verstand sie sich als nationalsozialistische Einrichtung zur Bildung einer „wahren Volks- und Leistungsgemeinschaft“, die dem Klassenkampfgedanken abgeschworen hat. Geplant war, dass die DAF sich zu einer Organisation mit vier Säulen entwickelt: neben Arbeiter und Angestellte sollten irgendwann auch Unternehmer und mittelständische Handwerker und Gewerbetreibende hinzukommen.
 

Die DAF war ein Instrument der Disziplinierung und keine Gewerkschaft

Eine Interessenvertretung der Arbeitnehmer*innen sieht freilich anders aus. Die DAF war eher das Gegenteil einer Gewerkschaft. Ein Instrument zur Überwachung und Disziplinierung abhängig Beschäftigter.
 
Zum Vorsitzenden wurde der NSDAP-Reichsleiter Robert Ley bestimmt. Ley war ein promovierter Chemiker, der sich schon während der Weimarer Republik als nationalsozialistischer Raufbold einen Namen gemacht hatte. Beruflich fasste Ley trotz seiner Ausbildung zu keiner Zeit wirklich Fuß. Seit 1928 war er aufgrund seiner Alkoholsucht und seiner Neigung zur Gewaltbereitschaft nach Entlassung bei der Bayer AG bis zur „Machtergreifung“ der Nazis arbeitslos. Das alles hinderte ihn nicht daran unter den Nazis Karriere zu machen. Aber auch diese änderte nichts an seinem Lebensstil. So trug er in der Bevölkerung bald den Spitznamen „Reichstrunkenbold“.
 
Eben jener Robert Ley sollte nach Vorstellungen der Reichsregierung statt Wilhelm Leuschner Arbeiterdelegierter bei der ILO werden. Zur Konferenz der ILO im Juni 1933 entsandte die Reichsregierung ihn neben einem Vertreter der christlichen Gewerkschaften, Bernhard Otte. Wilhelm Leuschner erfuhr zuvor auf einer Sitzung des Verwaltungsrates, dass er nunmehr „technischer Berater“ des „Arbeiterdelegierten“ Ley sei.
 

Der selbst ernannte Vertreter der deutschen Arbeiter blamiert sich bis auf die Knochen

Dieser selbst ernannte „Vertreter von zehn Millionen deutschen Arbeitern“ führte sich auch gleich gut ein. Zur Wahl des Tagungspräsidenten stand ein Diplomat des faschistischen Italien. Die Arbeitnehmergruppe unter den Delegierten hatte vereinbart, sich der Stimme zu enthalten. Gleichwohl stimmte Ley der Wahl zu. Das führte zur Konfrontation zwischen der deutschen Delegation und den übrigen Vertretern der Arbeitnehmer. Sie stimmten mehrheitlich gegen die Wahl Leys in verschiedene Kommissionen der Konferenz. Mit Hilfe einer Konferenzmehrheit aus Regierungs- und Unternehmervertretern und gegen heftige Proteste der anwesenden Gewerkschafter wurde er dann doch gewählt.
 
Wilhelm Leuschner hätte durch eine öffentliche Erklärung Ley als Arbeiterdelegierter legitimieren können. Das tat er aber gerade nicht, obwohl Ley ihm mit vielen Versprechungen für eine Karriere im 3. Reich dazu nötigen wollte. Vielmehr schwieg Wilhelm Leuschner beharrlich und informierte die anderen Arbeiterdelegierten in persönlichen Gesprächen über die wirkliche Lage in Deutschland. Somit musste über Leys Mandat im Plenum diskutiert werden.
 
Parallel machte der „Reichtrunkenbold“ auch in Genf seinem Spitznamen alle Ehre. Er stürzte sich unermüdlich in das Genfer Nachtleben, was ihn jetzt auch unter Regierungs- und Unternehmervertretern diskreditierte. Auf einer Pressekonferenz fiel er durch rassistische Bemerkungen gegen südamerikanische Delegierte auf und echauffierte sich darüber, „als Deutscher“ neben „solchen Menschen“ sitzen zu müssen. Ley war schließlich als Delegierter unhaltbar geworden und die nationalsozialistische Reichsregierung sah keinen anderen Ausweg mehr, als ihre Delegation von der Konferenz abzuziehen. Sie begründete den Abzug damit, ihre Delegation sei von Marxisten beleidigt worden und eine weitere Mitarbeit sei unmöglich. Das änderte aber nichts daran, dass die Nazis sich zum ersten Mal auf einer internationalen Konferenz schwer blamierten.
  

Die „Philadelphia-Deklaration“ als Grundbaustein der modernen ILO

Während des zweiten Weltkrieges, ein Vierteljahrhundert nach ihrer Gründung, tagte die ILO wegen der Kriegshandlungen in Europa in Philadelphia in den USA. Auf dieser Konferenz verabschiedeten die Mitglieder die sogenannte „Philadelphia-Deklaration“, in der es u.a. heißt:
 

  • Arbeit ist keine Ware.
  • Freiheit der Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit sind wesentliche Voraussetzungen beständigen Fortschritts.
  • Armut, wo immer sie besteht, gefährdet den Wohlstand aller.
  • Der Kampf gegen die Not muss innerhalb jeder Nation und durch ständiges gemeinsames internationales Vorgehen unermüdlich weitergeführt werden, wobei die Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber sich gleichberechtigt mit den Vertretern der Regierungen in freier Aussprache und zu demokratischen Entscheidungen zusammenfinden, um das Gemeinwohl zu fördern.

 
Es wurde erklärt, dass alle Menschen, ungeachtet ihrer Rasse, ihres Glaubens und ihres Geschlechts, das Recht haben, materiellen Wohlstand und geistige Entwicklung in Freiheit und Würde, in wirtschaftlicher Sicherheit und unter gleich günstigen Bedingungen zu erstreben. Die Schaffung der hierfür notwendigen Voraussetzungen wurde zum Hauptziel innerstaatlicher und internationaler Politik erklärt. Die Deklaration wurde wegweisend für internationale Vereinbarungen wie Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 und die Europäische Sozialcharta von 1961, bzw. die revidierte Europäische Sozialcharta von 1996.
 

Die ILO ist die älteste Sonderorganisation der UNO

Am 14. Dezember 1946 wurde die ILO die erste Sonderorganisation der Vereinten Nationen (UNO) mit Sitz in Genf. Die „Philadelphia-Deklaration“ wurde vollständig in die Satzung aufgenommen.
 
Erklärtes Ziel der ILO bleibt weiterhin Aufgaben die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialnormen, soziale und faire Gestaltung der Globalisierung sowie Schaffung von menschenwürdiger Arbeit. Insoweit hält die ILO folgende Maßnahmen für erforderlich:
 

  • Regelung der Arbeitszeit, einschließlich Festsetzung einer Höchstdauer des Arbeitstages und der Arbeitswoche,
  • Regelung des Arbeitsmarktes,
  • Verhütung der Arbeitslosigkeit,
  • Gewährleistung eines zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angemessenen Lohnes,
  • Schutz der Arbeitnehmer gegen allgemeine und Berufskrankheiten sowie gegen Betriebsunfälle,
  • Schutz der Kinder, Jugendlichen und Frauen,
  • Vorsorge für Alter und Invalidität,
  • Schutz der Interessen der im Auslande beschäftigten Arbeitnehmer,
  • Anerkennung des Grundsatzes: „Gleiche Arbeit - gleicher Lohn“,
  • Anerkennung des Grundsatzes der Vereinigungsfreiheit, Regelung des beruflichen und technischen Unterrichtes und ähnliche Maßnahmen.

 

Etwa 190 rechtsverbindliche Abkommen hat die ILO bereits geschaffen

Heute ist die ILO die einzige normsetzende UN-Organisation, in der Vertreter von Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gemeinsam Arbeits- und Sozialstandards entwickeln. Dazu arbeitet sie rechtsverbindliche Übereinkommen sowie Empfehlungen an die Mitgliedstaaten aus. Derzeit bestehen etwa 190 Übereinkommen und 200 Empfehlungen. Damit haben Gewerkschaften unmittelbar erheblichen Einfluss auf den Inhalt internationaler Rechtsnormen. Deutschland hat bisher 85 Übereinkommen ratifiziert, von denen 59 noch in Kraft sind. Darunter sind auch die acht Kernarbeitsnormen, die die Vereinigungs- und Kollektivvertragsfreiheit, das Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, die Abschaffung von Zwangsarbeit und die Bekämpfung und Abschaffung von Kinderarbeit betreffen.
 
Die ILO besteht aus drei Organen: der Internationalen Arbeitskonferenz, dem Internationalen Arbeitsamt und dem Verwaltungsrat. Die Arbeitskonferenz bildet dabei so etwas wie das Parlament der ILO und ist deren höchstes Organ. Sie tritt einmal jährlich in Genf zusammen und beschließt über die Konventionen und Empfehlungen. Sie setzt sich aus jeweils vier Vertretern der Mitglieder zusammen, jeweils zwei Regierungsvertreter und jeweils ein Vertreter der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Der Verwaltungsrat (Governing Body) ist das Aufsichtsgremium der ILO und besteht aus 28 Regierungsvertretern und jeweils 14 Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Die Vertretungen von 18 Mitgliedsländern werden alle drei Jahre gewählt. 10 Staaten sind als „Staaten großer industrieller Bedeutung“ ständige Mitglieder, darunter auch Deutschland. Der Verwaltungsrat ist so etwas wie die „Regierung“ der ILO und trifft sich dreimal im Jahr. Er bereitet auch die Konventionen und Empfehlungen vor, die von der Arbeitskonferenz beschlossen werden sollen.
 
Die Verwaltung der ILO erfolgt durch das Internationale Arbeitsamt (International Labour Office  - gewöhnlich auch ILO abgekürzt). Es überwacht die Einhaltung der internationalen Standards und erstellt Statistiken darüber.
 

Für eine bessere Zukunft arbeiten: Globalisierung und Digitalisierung bringen neue Herausforderungen

Aktuell hat sich die ILO zum Ziel gesetzt, Antworten auf  tiefgreifende Veränderungen in der Arbeitswelt insbesondere aufgrund der fortschreitenden Globalisierung und den Folgen der Digitalisierung zu finden. Im August 2017 richtete die ILO deshalb eine „unabhängige Globale Kommission zur Zukunft der Arbeit“ ein, die sich aus 27 unabhängigen Mitglieder aus führenden Köpfen der Wirtschaft und Arbeitswelt, Think Tanks, Wissenschaft, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen zusammensetzt. Beschäftigen sollte sich die Kommission insbesondere mit vier „Jahrhundertproblemen“: Arbeit und Gesellschaft, anständige Arbeitsplätze für alle, die Organisation von Arbeit und Produktion und die Organisation der Arbeit.
 
Im Januar 2019 veröffentlichte die Kommission ihren Bericht „Für eine bessere Zukunft arbeiten“. Als Ergebnis ihrer Arbeit stellte sie sieben Empfehlungen für die zukünftige Arbeit der ILO vor:

  • Eine allgemeine Garantie für Arbeitende, die grundlegende Rechte bei der Arbeit, einen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes angemessen Lohn, Obergrenzen für die Arbeitszeit und Arbeitsschutz beinhaltet
  • Einen universellen Sozialschutz von der Geburt bis ins hohe Alter, der den Bedürfnissen der Menschen in allen Lebensphasen gerecht wird
  • Ein universeller Anspruch auf lebenslanges Lernen, der die Menschen in die Lage versetzt, Qualifikationen zu erwerben und sich weiter- und höher zu qualifizieren
  • Technologie im Dienste menschenwürdiger Arbeit nutzen und ein internationales System zur Regelung digitaler Arbeitsplattformen schaffen
  • Höhere Investitionen in Arbeitsmärkte in den Bereichen Gesundheit, Ökologie und Landwirtschaft
  • Eine transformative und messbare Agenda für Geschlechtergleichstellung
  • Anreizstrukturen für Unternehmen im Hinblick auf längerfristige Investitionskonzepte

 

Die „Flüchtlingskrise“ zeigt: Arbeitnehmerrechte überall auf der Welt gehen uns auch in Deutschland an

Selbst wenn viel geschafft wurde: Auch in 100 Jahren konnte die ILO nicht erreichen, dass eine friedliche Weltordnung entsteht, in der alle Menschen unter würdigen Bedingungen leben. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) litten 2017 mehr als eine halbe Milliarde Menschen an Hunger, insbesondere in Südasien und Afrika. Die Zahl der chronisch Unterernährten ist sogar noch weit höher. Auch menschliche Arbeitsbedingungen haben sich längst nicht überall durchgesetzt. Kinderarbeit und Sklavenarbeit sind immer noch stark verbreitet. In großen Teilen der Welt sind Arbeitsschutzmaßnahmen fremd. In Asien und Afrika werden unter menschenunwürdigen Umständen unsere Computer und Smartphones zusammengeschraubt. Und das alles häufig zu Hungerlöhnen, die nicht einmal für das tägliche Brot oder die tägliche Schüssel Reis ausreichen.
 
Vor 100 Jahren haben die Siegermächte des ersten Weltkrieges erkannt, dass eine friedliche Weltordnung nur mit weltweiten ausreichenden Sozialstandards und Arbeitsbedingungen möglich ist. Das gilt auch noch heute. Wir in Westeuropa haben in den letzten Jahrzehnten selbst keine Kriege und menschenverachtende despotische Regime erlebt. Die Migrationsbewegungen, die Flucht von Menschen vor Elend, Krieg und Folter, erreicht uns jetzt seit einigen Jahren, wenn auch nur in einem eher  bescheidenen Ausmaß. Jetzt ringen wir die Hände und schreien, wir Europäer könnten doch nicht das Elend der ganzen Welt ändern.
 
Doch-wir können. Wie bereits vor 100 Jahren erkannt, kann der Weltfrieden auf die Dauer nur auf sozialer Gerechtigkeit aufgebaut werden. Auf soziale Gerechtigkeit in der ganzen Welt. Die europäischen Staaten können in internationalen Organisationen auf eine Weltwirtschaftsordnung hinwirken, die mehr Gerechtigkeit als möglichst effiziente wirtschaftliche Ausbeutung zum Maßstab hat. Sie können für regulierte internationalen Märkte sorgen, denen Grenzen gesetzt wird bei der Ausbeutung von Ressourcen armer Länder.
 
Die ILO hat weiterhin die Aufgabe, weltweit für gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu sorgen. Das kann sie aber nur, wenn starke Gewerkschaften die Rechte der Arbeitnehmer*innen in den Gremien der ILO vertreten.
 
Quellen und Beiträge zur Vertiefung:
 
Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation auf der HP Schweizer Regierung

Report der globalen Kommission „Für eine bessere Zukunft arbeiten“

ILO auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)

100 Jahre Internationale Arbeitsorganisation (ILO) auf der HP des BMAS zur Veranstaltung vom 12.03.2019

Übereinkommen der ILO über die Begrenzung der Arbeitszeit in gewerblichen Betrieben

Entschließung der 98. Internationale Arbeitskonferenz „Globaler Beschäftigungspakt“ auf der Homepage des BMAS

Homepage der ILO

Interview mit Reiner Hoffmann auf der HP der Deutschen Welle

„Einblick“ - gewerkschaftlicher Info-Service des DGB - Nr. 3  -- März 2019

Hunger in der Welt  - Bericht auf der HP des Bundeszentrale für politische Bildung

Reiner Tosstorff auf der HP „Zeitgeschichte Online“

Hans-Ulrich Thamer zu Deutschen Arbeitsfront auf der HP „Zukunft braucht Erinnerung"